Die Inzidenz des Herpes
zoster (Gürtelrose) nimmt mit dem Lebensalter zu. Es handelt sich dabei um eine
Reaktivierung der Infektion mit dem Varizellen-Virus (Windpocken). Für die
Reaktivierung wird eine im Alter nachlassende zelluläre Immunität
verantwortlich gemacht. Die nicht seltene Post-Zoster-Neuralgie ist eine sehr
unangenehme, meist langwierige und schwer zu behandelnde Komplikation. Möglicherweise
kann eine Impfung im Alter diese Reaktivierung und damit die klinische
Manifestation des Herpes zoster und seine Komplikationen verringern. Dieser
Hypothese wurde in einer kürzlich im N. Engl. J. publizierten Studie nachgegangen
(1).
Windpocken sind eine
üblicherweise im Kindesalter auftretende, in der Regel harmlos verlaufende
Viruserkrankung, die jedoch in seltenen Fällen mit schweren lebensbedrohlichen
Komplikationen verläuft. Über die Wirksamkeit eines Impfstoffs zur Verringerung
dieser schweren Komplikationen im Kindesalter haben wir kürzlich ausführlich berichtet
(2) und bereits darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen dieser Kinderimpfung
auf die spätere klinische Zweitmanifestation dieser Infektion als Herpes zoster
widersprüchlich diskutiert werden. Eine Befürchtung kann mittlerweile
ausgeräumt werden: Es wird seit Einführung der Kinderimpfung gegen Windpocken
in den USA kein Anstieg der Zweitmanifestationen dieser Infektion beobachtet
(3). Während die Inzidenz der Windpocken bei Kindern seit der Einführung der
Impfung in den USA zurückgegangen ist, bleibt die Inzidenz von Herpes zoster in
den USA mit ca. 4/1000 Einwohner/Jahr gleich. Daher ist es sinnvoll, über
Maßnahmen zur Verringerung dieses medizinisch bedeutsamen Problems
nachzudenken.
In die randomisierte
doppeltblinde und plazebokontrollierte Studie (1) wurden 38546 ältere Menschen
(> 60 Jahre) aufgenommen. Der verwendete lebend-attenuierte Impfstoff
(Oka/Merck, USA, Varizella-Impfstoff) basiert auf dem bereits zugelassenen
Kinderimpfstoff (Varivax®) von Aventis Pasteur MSD, enthält aber
eine deutlich höhere Viruskonzentration (Median: 24600 plaque-forming units vs.
1350 plaque-forming units im Kinderimpfstoff). 19270 Probanden wurde dieser
Impfstoff einmal s.c. verabreicht, 19276 erhielten Plazebo. Im Verlauf der
Nachbeobachtungszeit (im Durchschnitt ca. drei Jahre) entwickelten 315 in der
Impfgruppe und 642 in der Plazebo-Gruppe eine Herpes-zoster-Manifestation. Dies
entspricht einer Reduktion der Inzidenz des Herpes zoster um 51,3% und ist als
guter Erfolg zu werten. Auch war die Dauer der Erkrankung in der Impfgruppe etwas
kürzer als in der Plazebo-Gruppe (21 vs. 24 Tage). Von den 315 Patienten mit
Herpes zoster in der Impfgruppe entwickelten 27 und von den 642 in der
Plazebo-Gruppe dagegen 80 eine Post-Herpes-zoster-Neuralgie. Dies entspricht
einer Reduktion auf 31%. Ingesamt ist die Impfung sehr gut vertragen worden.
Allerdings sind einige
Kritikpunkte anzumerken:
·
Es ist nicht nachzuvollziehen,
warum für diese Studie nicht der bereits etablierte, zugelassene und
kostengünstige (ca. 50 EUR pro Impfaplikation) Varizellenimpfstoff (Varivax®)
verwendet wurde.
·
Das Argument, dass Ältere eine höhere
Antigendosis brauchen, um eine effektive zelluläre Immunantwort aufzubauen, ist
nicht belegt, und es gibt gegenteilige Publikationen (4, 5).
·
Einige der Autoren der jetzigen
Publikation haben nämlich selbst in einer früheren Untersuchung gezeigt, dass
die Zahl der Varizellen-spezifischen T-Zellen im peripheren Blut von Geimpften
nicht von der Dosis und dem Alter der Probanden abhängt (4).
·
Aus immunologischer Sicht ist
generell die mehrfache Gabe eines Impfstoffs mit geringerer Dosis einer
einmaligen Gabe des Impfstoffs mit höherer Dosis überlegen.
Somit ist die Empfehlung der
Autoren, von denen die meisten entweder Mitarbeiter oder Honorarempfänger der
Herstellerfirma sind, auf keinen Fall den bereits zugelassenen
Varizellenimpfstoff (Varivax®) für diese Indikation einzusetzen,
medizinisch nicht nachzuvollziehen. Wir vermuten, dass hinter dieser Empfehlung
finanzielle Interessen der Firma Merck (MSD) stehen, die den neu entwickelten
Impfstoff teurer verkaufen will. Auch die Autorin eines Editorials (6), die ebenfalls
auf der Honorarliste von Merck (MSD) steht, gibt diese Empfehlung.
Fazit: Mit einer Impfung gegen
das Varizellen-Virus bei Älteren kann die Inzidenz von Herpes zoster und Post-Zoster-Neuralgie
verringert werden. Allerdings sollte geprüft werden, ob hierfür wirklich ein
neuer Impfstoff notwendig ist, oder ob der bereits für Kinder empfohlene und
zugelassene Impfstoff (Varivax®) verwendet werden kann.
Literatur
-
Oxman, M.N., et al. (Shingles Prevention Study Group): N.
Engl. J. Med. 2005, 352, 2271.
-
AMB 2005, 39, 41.
-
Jumaan, A.O., et al.: J.
Infect. Dis. 2005, 191, 2002.
-
Levin, M.J., et al.: J.
Infect. Dis. 1992, 166, 253.
-
Trannoy, E., et al.:
Vaccine 2000, 18, 1700.
-
Arvin, A.: N. Engl. J.
Med. 2005, 352, 2266.
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