Oxidativer Stress, besonders durch Rauchen, scheint
ein wichtiger pathogenetischer Faktor bei Chronisch obstruktiver Lungenerkrankung
(COLD) zu sein. N-Acetylcystein (NAC) ist ein exogenes Antioxidans, das die Regeneration
von Glutathion fördert und eine gewisse Schleim-verflüssigende Wirkung hat.
Kleinere klinische Studien und Metaanalysen sprachen dafür, dass NAC bei
regelmäßiger Anwendung die Häufigkeit akuter Exazerbationen bei COLD-Patienten
reduziert (1, 2).
Ein häufig benutztes Maß für die Progression der COLD
ist die Abnahme des forcierten exspiratorischen Volumens in der ersten Sekunde
(FEV1). Bei Rauchern mit COLD führt Beendigung des Rauchens zu einer
eindrucksvollen Halbierung der Abnahme von FEV1 von Jahr zu Jahr (3).
Regelmäßige Anwendung von Kortikosteroiden oder von Ipratropiumbromid haben
einen sehr geringen bzw. keinen Effekt auf die Abnahme von FEV1 mit
der Zeit (3).
M. Decramer et al. (4) aus Belgien, Holland und
Italien untersuchten in einer drei Jahre dauernden plazebokontrollierten Studie
den Effekt von dreimal 200 mg NAC/d oral auf den Verlauf der COLD bei 523 Patienten.
Endpunkte der Studie waren die Veränderung von FEV1 von Jahr zu Jahr
und die Zahl der bronchitischen Exazerbationen pro Jahr. Ein Nebenkriterium war
die Änderung der funktionellen Residualkapazität (FRC) als Maß für die
Lungenüberblähung.
Fast ein Drittel der eingeschlossenen Patienten
brachen die Studie ab, mehr in der Plazebo- als in der NAC-Gruppe. Insgesamt
nahm die FEV1 (und auch die Vitalkapazität) im Laufe von drei Jahren
in beiden Gruppen gleichermaßen ab. Die Zahl der Exazerbationen war ebenfalls
nicht signifikant verschieden, aber in der Untergruppe der Patienten, die keine
inhalativen Kortikoide benutzten, reduzierte NAC die Zahl der Exazerbationen
pro Jahr signifikant (p = 0,04). NAC führte zu einer Abnahme der FRC von 4,46
auf 4,09 Liter, während Plazebo hier ohne Effekt war. Die damit verbundene
Abnahme des ungünstigen „Air trapping” in der NAC-Gruppe war gegenüber Plazebo
signifikant.
Insgesamt waren die Effekte von NAC in dieser
Langzeitstudie sehr moderat und eher enttäuschend. J.F. Donohue aus Chapel
Hill, USA, betont jedoch in seinem Kommentar (3), dass NAC hinsichtlich seines
geringen Einflusses auf die Verschlechterung der Lungenfunktion bei COLD keine
Ausnahmestellung einnimmt, denn trotz erheblich verbesserter Kenntnisse über
die Pathophysiologie dieser Krankheitsgruppe seien die Ergebnisse verschiedener
Langzeit-Therapien bisher sehr dürftig. Die Resultate umfangreicher laufender
Langzeitstudien über den Effekt von Fluticason plus Salmeterol (s.a. 5) bzw. von
Tiotropium stehen noch aus.
Fazit: In
einer dreijährigen Studie hatte N-Acetylcystein keinen Einfluss auf die
Verschlechterung der FEV1 bei COLD-Patienten von Jahr zu Jahr. Bei Patienten,
die keine topischen Kortikosteroide benutzten, reduzierte NAC allerdings signifikant
die Zahl der akuten Exazerbationen der Erkrankung pro Jahr. Das vollständige
Aufgeben von Rauchen ist die bisher einzige sicher wirksame Maßnahme, um die chronische
Verschlechterung der Lungenfunktion bei COLD zu verlangsamen (6).
Literatur
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Boman, G., et al.: Eur.
J. Respir. Dis. 1983, 64, 405.
-
AMB 2001, 35, 62.
-
Donohue, J.F.: Lancet 2005, 365, 1518.
-
Decramer, M., et al.
(BRONCUS = Bronchitis Randomized On NAC Cost-Utility
Study): Lancet 2005, 365, 1552.
-
AMB 2003, 37, 45.
-
AMB 2003, 37, 17.
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