Frage von
Dr. T.W. aus Wyk auf Föhr: >> Eine 33-jährige Patientin mit
Ovarialinsuffizienz bei Z.n. Polychemotherapie wegen M. Hodgkin Stadium III b
befindet sich seit zwei Jahren in Vollremission. Es bestehen klinische Beschwerden
in Form von Herzrasen, Palpitationen und Lubrifikationsstörungen bei vaginaler
Schleimhautatrophie. Nun wurde ihr eine Östradiol-Therapie zur Behandlung der
o.g. Symptome sowie zur Osteoporoseprophylaxe empfohlen. Gibt es hierzu eine
aussagekräftige Untersuchung oder handelt es sich lediglich um Expertenmeinung?
Würden Sie eine systemische Therapie empfehlen? <<
Antwort: >>
Ihre 33-jährige Patientin hat offenbar eine durch Polychemotherapie verursachte
Ovarialinsuffizienz mit prämaturer Menopause. Sie hat, wie zu erwarten,
Beschwerden wie zur Zeit einer physiologischen Menopause. Auch bei
Zurückhaltung hinsichtlich der Indikationsstellung zur Hormontherapie nach
einer physiologischen Menopause wird jeder erfahrene Gynäkologe oder Endokrinologe
hier die Indikation zur Östrogen-Therapie (ggf. zusätzlich Gestagen)
bestätigen. Der M. Hodgkin ist kein durch Östrogene bzw. Gestagene stimulierbarer
Tumor. Retrospektive Untersuchungen von Frauen mit sehr früher spontaner (z.B.
durch Ovarialinsuffizienz bei Polyglandulärem Autoimmunsyndrom) oder iatrogener
Menopause ohne Hormonbehandlung ergaben ein hohes Osteoporoserisiko, eine
vorzeitige Alterung der Haut sowie reduzierte Libido und Genitalatrophie. In
diesem Fall handelt es sich um eine echte Substitutionstherapie (1), die bei
Ihrer Patientin schon allein wegen der von Ihnen beschriebenen Beschwerden
(sofern diese nicht auch durch eine andere Erkrankung bedingt sind), indiziert
ist. Sie wird trotz des jungen Alters normalerweise nicht mit oralen
Kontrazeptiva, sondern mit Präparaten, die zur Behandlung menopausaler
Beschwerden geeignet sind, durchgeführt (bei intaktem Uterus mit Östrogenen/Gestagenen,
andernfalls nur mit Östrogenen). Die transdermale Hormonapplikation scheint
besonders risikoarm zu sein.
Während wir jedoch bei Frauen mit physiologischer
Menopause und erheblichen Beschwerden für eine auf 2-3 Jahre begrenzte und dann
auszuschleichende Hormontherapie plädieren, sollte bei Ihrer Patientin, wenn
keine Kontraindikationen bestehen, die Therapie bis zum 45. oder 50. Lebensjahr
fortgesetzt und dann langsam ausgeschlichen werden. Mit einem gegenüber gesunden
Frauen erhöhten Brustkrebsrisiko ist nicht zu rechen, da das Zusatzrisiko bei
langjähriger Anwendung der HRT bei gesunden Frauen durch die Addition zur Östrogenexposition
in den fruchtbaren Jahren der Frau zustande zu kommen scheint, d.h. Frauen mit
früher Menarche und später Menopause haben bereits ein höheres Brustkrebsrisiko
als Frauen mit später Menarche und früher Menopause (1, 2). <<
Literatur
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AMB 2001, 35, 17.
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Collaborative Group on
Hormonal Factors in Breast Cancer: Lancet 1997, 350, 1047. Erratum:
Lancet 1997, 350, 1484.
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