In Tiermodellen konnte
gezeigt werden, dass Infektionen mit ihren Entzündungsreaktionen die Arteriosklerose
beschleunigen (1, 2). Auch beim Menschen gelten Entzündungsparameter im Blut,
wie z.B. ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP), als negative Prädiktoren für
den Verlauf koronarer Erkrankungen (3, 4, 5) und für das Rezidivrisiko
zerebraler Insulte (6). Der Pathomechanismus, der hinter diesen Beobachtungen
steckt, ist unklar. Man nimmt an, dass durch Entzündungsmediatoren endotheliale
Dysfunktionen ausgelöst werden. Auch Vakzinierungen führen zu kurzfristigen
Erhöhungen von Entzündungsparametern und können eine Störung der endothelialen
Relaxation hervorufen (7). Andererseits weisen mehrere Studien auf eine
Reduktion des Myokardinfarktrisikos durch Grippeimpfung hin (8, 9). Es gibt
aber auch eine Studie mit gegenteiligem Ergebnis (10). Um den Einfluss von Infektionen
bzw. Impfungen auf vaskuläre Ereignisse, wie Myokardinfarkt und Schlaganfälle,
besser einschätzen zu können, wurden 20486 Personen, die zum ersten Mal einen
Myokardinfarkt und 19063 Personen, die zum ersten Mal einen Schlaganfall
erlitten hatten, in eine Studie eingeschlossen (11). Dabei wurde die Datenbank
der britischen Hausärzte (United Kingdom General Practice Research Database =
GPRD) benutzt, die größte Datenbank über Erkrankungen und
Verschreibungsverhalten in Großbritannien. Die Patientendaten basieren auf
einer Population von insgesamt 5767499 Patienten aus 687 Praxen, die mindestens
seit einem Jahr in der GPRD registriert waren (Beobachtungszeitraum:
1987-2001). Diese Daten sind für England und Wales repräsentativ. Die Patienten
mussten mindestens schon sechs Monate im „Follow-up-Programm” der GPRD sein.
Dabei wurde nicht zwischen ischämischem oder hämorrhagischem Schlaganfall
unterschieden. Patienten, die zum Zeitpunkt des vaskulären Ereignisses unter 18
Jahre alt waren, wurden ausgeschlossen. Weiterhin wurden alle Patienten aus der
Datenbank berücksichtigt, die eine Grippe-, Tetanus- oder Pneumokokkenimpfung
im Untersuchungszeitraum erhalten hatten. Alle eingeschlossenen Patienten hatten
mindestens ein „inflammatorisches Ereignis” (d.h. Impfung oder Infektion) im
Beobachtungszeitraum. Die Analyse solcher Datenmengen ist nicht unproblematisch.
Bei der Auswertung dieser Studie wurde die Fall-Serien-Methode verwendet (12).
Die Inzidenz vaskulärer Ereignisse wurde in bestimmten Zeitintervallen nach einem
inflammatorischen Ereignis analysiert und mit allen anderen gleichen Zeiträumen
derselben Person verglichen. Die untersuchten Zeitintervalle waren: 1-3, 4-7,
8-14, 15-28 und 29-91 Tage nach einem inflammatorischem Ereignis. Alle anderen
Zeiträume (ohne inflammatorisches Ereignis) wurden als Vergleichszeiträume
benutzt. Die Null-Hypothese besagt, dass es keinen Unterschied für ein
vaskuläres Ereignis zwischen den Beobachtungszeiträumen nach Infektion oder
Impfung und denen ohne einen solchen inflammatorischen Stimulus gibt.
Myokardinfarkt und Schlaganfall wurden separat analysiert. Um einen zufälligen
Einfluss der Jahreszeit, besonders bei den respiratorischen Infektionen,
einschätzen zu können, wurden die Zeitperioden April bis September und Oktober
bis März verglichen. Durch die intraindividuelle Vergleichsanalyse konnten die
schwierigen Verhältnisse bei interindividuellen Vergleichen ausgeschlossen
werden. Insgesamt zeichnet sich diese Studie durch einen hohen logistischen
Aufwand aus.
Die Studie fand kein erhöhtes
Risiko von Schlaganfällen oder Myokardinfarkten in den Zeiträumen nach Impfungen,
verglichen mit den Kontroll-Zeitintervallen. Hingegen kam es zu mehr
Herzinfarkten und Schlaganfällen nach respiratorischen Infektionen.
Hierbei war das Risiko im ersten Zeitintervall (1-3 Tage) nach Infektion am
höchsten. In diesem Zeitraum ergab sich ein fünffach erhöhtes Risiko für einen
Myokardinfarkt und ein dreifach höheres Risiko für
einen Schlaganfall. In einer weiteren Analyse zeigte sich auch ein
erhöhtes Risiko sowohl für Schlaganfälle wie auch für Myokardinfarkte nach Harnwegsinfektionen.
Die Sommer/Winter-Analyse ergab zwar eine etwas höhere Inzidenz von
Myokardinfarkten und Schlaganfällen im Winter, aber eine separate Analyse der
respiratorischen Infektionen im Sommer ergab ein gleichermaßen erhöhtes Risiko
durch diese Infektionen für Myokardinfarkt und Schlaganfall wie im Winter.
Die dargestellte Studie (11)
wurde finanziell unterstützt durch British Heart Foundation, Medical Research
Council und Welcome Trust.
Fazit: Akute Infektionen
führen nach der britischen Datenbank, besonders in den ersten drei Tagen, zu einem
erhöhten Risiko, einen Myokardinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden.
Impfungen, die ebenfalls das Immunsystem aktivieren, steigern hingegen nicht
das Risiko für kardiale oder zerebrale Infarkte. Es ist also möglich, dass
Impfungen, die das Infektionsrisiko senken, auch indirekt das Risiko eines
Herzinfarkts oder Schlaganfalls reduzieren. Prospektive Nachuntersuchungen sind
erforderlich.
Literatur
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