Vergleiche zu
Wirksamkeit und unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) der neuen, so
genannten atypischen Antipsychotika werden dringend benötigt, weil das Wissen
darüber spärlich ist und diese Pharmaka relativ häufig verordnet werden.
Insofern hat die
US-amerikanische CATIE-Studie, die jetzt im N. Engl. J. Med. erschienen ist,
einen Meilenstein gesetzt (1). Die Studie wurde vom National Institute of
Mental Health (NIMH) initiiert und in der Zeit von Januar 2001 bis Dezember
2004 an 57 Zentren mit insgesamt 1493 Patienten 18 Monate lang durchgeführt.
Ungewöhnlich und der Qualität sicher zuträglich war es, dass unter der
Schirmherrschaft des NIMH das Design zuvor veröffentlicht worden war, um
Experten bereits vor Studienbeginn die Möglichkeit zu Diskussion und Kritik zu
geben. Ziel war der doppeltblinde Vergleich von Perphenazin (Decentan®),
einem Antipsychotikum der ersten Generation, mit mehreren neueren Substanzen:
Olanzapin (Zyprexa®), Quetiapin (Seroquel®) und
Risperidon (Risperdal®). Außerdem wurde später bei laufender Studie
noch Ziprasidon (Zeldox®) nach seiner Zulassung in den USA mit
eingeschlossen. Die Patient(inn)en (ca. 73% Männer) waren ca. 40 ± 11 Jahre alt
(18-65 Jahre). Als primäres kombiniertes Vergleichskriterium für Wirksamkeit
und Verträglichkeit wurde der Medikationsabbruch gewählt, weil
Medikamentenabbruch bzw. -wechsel bei schizophrenen Patienten ein sehr häufiges
und großes klinisches Problem ist. Außerdem integriert dieses Kriterium den
Verlauf der Erkrankung sowie die Beurteilung der Wirksamkeit, Sicherheit und
Verträglichkeit des Medikaments durch Arzt und Patienten. Sekundäres
Vergleichskriterium waren die speziellen Gründe für den Medikamentenabbruch
(z.B. Unwirksamkeit, Gewichtszunahme, extrapyramidale Symptome, Müdigkeit nach
Einschätzung des behandelnden Arztes bzw. die eigene Entscheidung des
Patienten). Weiterhin wurden zur Beurteilung der Wirksamkeit mehrere Skalen zur
Klassifizierung des Schweregrads psychopathologischer Symptome herangezogen.
231 Patienten wurden wegen tardiver Dyskinesie von der Randomisierung zu
Perphenazin ausgeschlossen. Die Patienten wurden während der 18 Monate
dauernden Studie alle drei Monate klinisch evaluiert. Auf die komplexe
statistische Auswertung, die in der Originalarbeit sehr genau beschrieben ist,
kann hier nicht näher eingegangen werden.
Ergebnisse: Insgesamt 1061 (=
74%) der auswertbaren 1432 Patienten brachen die medikamentöse Therapie ab (s.
Tab. 1). Die Zeit bis zum Abbruch (Therapiedauer) war in der Olanzapin-Gruppe
signifikant am längsten, verglichen mit den anderen Neuroleptika, mit Ausnahme
von Ziprasidon (nach statistischer Adjustierung). Auch die Zeit bis zum Abbruch
wegen Wirkungslosigkeit war in der Olanzapin-Gruppe am längsten, nach
Adjustierung aber ebenfalls nicht unterschiedlich zu Ziprasidon. Zwischen den
Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede in der Zeit bis zum Abbruch
wegen Unverträglichkeit (UAW). Bis zum Abbruch der Medikation aus eigener
Entscheidung des Patienten verging in allen Gruppen die gleiche Zeit wie beim
Abbruch aus allen Gründen. Die Zeit erfolgreicher Behandlung war unter
Olanzapin länger als in allen anderen Gruppen (Ziprasidon nicht angegeben) und
in der Risperidon-Gruppe länger als in der Quetiapin-Gruppe. Gemessen an den
Wirksamkeits-Skalen war der Effekt von Olanzapin anfänglich am größten, nahm
aber mit der Zeit ab.
Die UAW sind
zahlreich und in einer ausführlichen Tabelle in der Originalarbeit angegeben.
Wegen Exazerbation der Schizophrenie wurden in der Olanzapin-Gruppe weniger
Patienten ins Krankenhaus eingewiesen, auch nach Adjustierung an die längere
Behandlungsdauer in dieser Gruppe. Abbrüche wegen intolerabler UAW waren unter
Olanzapin am häufigsten (19%), unter Risperidon am seltesten (10%). Olanzapin
wurde wesentlich häufiger als in anderen Gruppen abgebrochen wegen erheblicher
Gewichtszunahme - 30% dieser Patienten vs. 7-16% in den anderen Gruppen nahmen ≥
7% im Vergleich zum Ausgangsgewicht zu - Hyperlipidämie und Erhöhung des HbA1C.
Anticholinerge Effekte waren in der Quietaprin-Gruppe am häufigsten (31% vs.
20-25% in den anderen Gruppen).
In ihrer Diskussion
weisen die Autoren darauf hin, dass Olanzapin im Vergleich mit den anderen
Neuroleptika (in der jeweils gewählten Dosierung der Substanzen) offenbar am
wirksamsten war (u.a. längere Zeit bis zum Abbruch und bessere Skalenwerte),
aber auch häufiger wegen erheblicher UAW zum Abbruch führt. Das „konventionelle”
Perphenazin war den anderen neuen Neuroleptika in fast allen Qualitäten
gleichwertig. Zudem waren auch die Unterschiede zu Olanzapin nicht sehr groß.
Insgesamt zeigt die Studie, dass die Pharmakotherapie der chronischen
Schizophrenie wegen der hohen Zahl der Medikationsabbrüche - obwohl effektiv -
recht begrenzt ist.
Fazit: Nach dieser Studie
hat Olanzapin nur moderate Vorteile in der Wirksamkeit gegenüber anderen
atypischen Neuroleptika, jedoch erhebliche Nachteile, wie starke Gewichtszunahme
und kardiovaskulär ungünstige metabolische Veränderungen. Zwischen Perphenazin
und den anderen untersuchten Neuroleptika ergeben sich keine wesentlichen
Unterschiede in den UAW, speziell auch nicht im Hinblick auf
extrapyramidalmotorische Störungen. Die zunehmende Verordnung von Olanzapin ist
angesichts des Nutzen-Risiko-Quotients dieser Substanz kritischer zu
hinterfragen als dies bisher geschehen ist. Die vielfach geäußerte Empfehlung,
primär nur noch atypische Neuroleptika anzuwenden, wird durch diese Studie, die
eine vernünftige, d.h. nicht überhöhte Dosis eines typischen Neuroleptikums zum
Vergleich verwendete, ebenfalls in Frage gestellt.
Literatur
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Lieberman, J.A.,
et al. (CATIE = Clinical Antipsychotic Trials of Intervention
Effectiveness): N. Engl. J. Med. 2005, 353, 1209.
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