Epileptische Anfälle bei Kindern sollten möglichst
schnell beendet und ein Status epilepticus verhütet werden ohne eine
Atemdepression durch die angewandten Medikamente zu verursachen. Oft ist die
i.v. Zufuhr eines Medikaments (meist ein Benzodiazepin) nicht möglich oder
erforderlich. Die rektale Applikation eines Diazepam-Gels kann auch von
medizinischen Laien außerhalb einer Klinik oder Praxis durchgeführt werden.
Alternativ zu rektalem Diazepam untersuchten J.
McIntyre et al. aus England (1) in den „Emergency rooms” von vier
Kinderkliniken die Wirksamkeit von bukkal appliziertem Midazolam (in
Deutschland für i.v.-Injektion oder als Tabletten unter dem Namen Dormicum®
eingeführt) bei Kindern mit epileptischem Grand mal (mit oder ohne Fieber,
vorbehandelt oder nicht vorbehandelt) im Alter zwischen 6 Monaten und 15
Jahren. Die meisten Kinder waren jünger als vier Jahre (mittleres Alter drei
Jahre). Die Kinder erhielten nach einer Randomisierungsliste nach Zustimmung
der Eltern oder Begleitpersonen entweder ca. 0,5 mg/kg Körpergewicht Midazolam
(eine für i.v.-Injektion vorgesehene Lösung) mittels stumpfer Kanüle oder Strohhalm
in den Raum zwischen Wange und Gingiva instilliert bzw. die gleiche Dosis einer
ebenfalls für i.v.-Applikation vorgesehene Lösung Diazepam rektal. Die letztere
Applikationsweise ist nicht gut beschrieben, wird aber in einem Editorial (2)
erwähnt.
Primärer Endpunkt war die Zahl der Patienten, bei
denen der Anfall innerhalb von zehn Minuten nach Medikamentengabe sistierte,
innerhalb einer Stunde nicht mehr auftrat und bei denen keine Atemdepression
eintrat, die Maskenbeatmung oder Intubation erforderlich machte. Sistierte der
Anfall nach zehn Minuten nicht, erhielten die Kinder 100 µg/kg Körpergewicht Lorazepam i.v.
Bei 61 von 109 Kindern der Midazolam-Gruppe (56%) und
bei 30 von 110 der Diazepam-Gruppe (27%) wurde der primäre Endpunkt voll
erreicht. Beendigung des Anfalls nach zehn Minuten allein wurde in 65% bzw. 41%
erreicht. 14% bzw. 33% der Kinder in den respektiven Gruppen hatten vor Ablauf
einer Stunde einen erneuten Anfall. 33% der Kinder in der Midazolam- und 57% in
der Diazepam-Gruppe benötigten eine i.v. Lorazepam-Injektion (Tavor®
u.a.). Interventionspflichtige Atemdepression trat bei 5% bzw. 6% der Kinder
auf.
Die Autoren bewerten den Effekt von bukkalem
Midazolam eindeutig besser als den von rektalem Diazepam, dessen Applikation
zudem von den Eltern oft als unangenehm empfunden werde. In dieser Studie war
der Effekt von rektalem Diazepam geringer als in anderen zuvor erschienenen
Publikationen. Ob dies auf die andere Zubereitung von Diazepam
(Injektionslösung statt Gel) zurückzuführen ist, wird nicht diskutiert. Die
bukkale Applikation von Midazolam sei einfacher und von Laien leichter
durchzuführen als die sublinguale, da man den Unterkiefer von Patienten im
epileptischen Anfall oft nicht nach kaudal bewegen könne. Midazolam sei auch
intranasal wirksam, jedoch sei die Wirksamkeit bei Schnupfen beeinträchtigt
(s.a. 2).
Die Studie von McIntyre et al. wird in einem
Editorial von M. Wiznitzer aus den USA (3) sehr positiv besprochen. Die Zahl
der untersuchten Kinder sei ausreichend groß, und die Ergebnisse seien
eindeutig. Unklar sei noch die optimale Dosierung. Auch sollte eine besser
geeignete galenische Formulierung für bukkal applizierbares Midazolam
entwickelt werden. Insgesamt sei die transmucosale Applikation von
Benzodiazepinen zwar ein großer Fortschritt, jedoch wirke sie nicht bei allen
Patienten ausreichend, so dass noch viele Patienten schneller ärztlicher Hilfe
und der i.v. Applikation von Antiepileptika bedürfen.
Fazit: Bei
Kindern mit epileptischen Anfällen beendete die bukkale Applikation von 0,5
mg/kg Körpergewicht Midazolam in einer für i.v. Gabe zugelassenen
Injektionslösung den Anfall signifikant besser und schneller als die gleiche
Dosis Diazepam rektal appliziert. Weniger Kinder in der Midazolam- als in der
Diazepam-Gruppe benötigten eine i.v.-Injektion von Lorazepam, um den Anfall zu
beenden.
Literatur
-
McIntyre, J., et al.:
Lancet 2005, 366, 205
-
Lahat, B., et al.: Brit.
Med. J. 2000, 321, 83; s.a. AMB 2000, 34, 69b.
-
Wiznitzer, M.: Lancet 2005, 366, 182
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