Im Lancet vom 5. November 2005 wird aus China über
zwei Studien an 45852 Patienten mit akutem Myokardinfarkt in 1250 Krankenhäusern
berichtet (1, 2). Sie wurden zweifach randomisiert doppeltblind mit Metoprolol oder
Plazebo und Clopidogrel oder Plazebo im Mittel etwa 20 Tage lang behandelt. Das
logistische Zentrum war die Clinical Trial Service and Epidemiological Studies
Unit (CTSU) in Oxford, die in den achtziger Jahren die ISIS-Studien (3)
organisiert hatte. ISIS-2 war ein Meilenstein. Die Studie hatte an 17187
Patienten den Beweis für die Wirksamkeit von Streptokinase (und
Azetylsalizylsäure = ASS) zur Behandlung des akuten Myokardinfarkts gebracht.
Auch COMMIT ist ein Meilenstein: das bevölkerungsreichste Land der Erde
beteiligt sich an epidemiologischen Studien und schließt auf Anhieb soviele
Patienten in eine Untersuchung ein wie alle bisherigen Untersuchungen zur
Wirksamkeit von Betablockern gemeinsam. Eingeschlossen wurden Patienten mit
ST-Hebung, die keine Kontraindikation gegen Betarezeptoren-Blocker und
Thrombolyse hatten (bei etwa 50% der Patienten wurde thrombolysiert,
überwiegend mit Urokinase) und bei denen keine Indikation für eine PTCA bestand
(Rescue-PCI, Schock u.a.).
Metoprolol wurde akut bis 15 mg i.v., dann täglich
200 mg oral gegeben. In der Verum-Gruppe erhielten letztlich 90,2% der
Patienten die volle i.v.-Dosis und 86,2% die geplanten 200 mg Metoprolol. Primäre
Endpunkte waren 1. Tod, Reinfarkt oder Herzkreislaufstillstand und 2. Tod
während der Krankenhausbehandlung (längstens 28 Tage). Das Ergebnis überrascht
nicht. Metoprolol verringerte im Vergleich zu Plazebo das Risiko von Kammerflimmern
(2,5% vs. 3%) und Reinfarkt (2% vs. 2,5%), erhöhte aber in der gewählten Dosis das
Risiko, einen kardiogenen Schock zu erleiden (5% vs. 3,9%), vor allem in den
ersten Tagen nach Infarkt und bei hämodynamisch instabilen Patienten. Die
Gesamtletalität wurde nicht beeinflusst (7,7% vs. 7,8%). Daraus ergibt sich die
Empfehlung, beim akuten Myokardinfarkt die Betarezeptoren-Blocker-Therapie im
Krankenhaus nur dann zu beginnen, wenn die hämodynamische Situation stabil ist.
Bei der Untersuchung zur Wirksamkeit von 75 mg
Clopidogrel/d (ohne „loading dose”), zusätzlich zu ASS während der
Krankenhausbehandlung, waren die Endpunkte: 1. Tod, Reinfarkt oder Schlaganfall
und 2. Tod jeder Ursache. Beide Endpunkte wurden durch die Kurzzeitgabe von
Clopidogrel signifikant seltener erreicht. Für Tod, Reinfarkt oder Schlaganfall
waren die Häufigkeiten 9,2% vs. 10,1% und für Tod jeder Ursache 7,5% vs. 8,1%.
Die große Zahl der untersuchten Patienten lässt auch die Aussage zu, dass sich
der Nutzen auf das ganze Spektrum der Patienten bezieht, unabhängig von der
Begleitmedikation, und dass die Häufigkeit von Blutungen nicht signifikant
zunimmt (0,58% vs. 0,55%). Die Clopidogrel-Wirkung war etwa 25% von der
ASS-Wirkung beim Vergleich mit der oben genannten ISIS-2-Studie: Etwa 10 von
1000 Patienten wurde der kombinierte Endpunkt erspart im Vergleich zu 40 von
1000 durch ASS.
M.S. Sabatine hatte als erster Autor einer Forschergruppe
in Boston um den bekannten Kardiologen Braunwald im März 2005 im N. Engl. J.
Med. die CLARITY-TIMI-28-Studie veröffentlicht, die an 3491 unter westlichen
Bedingungen behandelten Patienten dieselbe Frage bearbeitet hat (4). Sie kam zu
ganz ähnlichen Ergebnissen. In einem begleitenden Editorial zu COMMIT (5) weist
er jetzt darauf hin, dass nunmehr auch beim akuten ST-Hebung-Infarkt kein
Zweifel mehr bestehen kann an der Wirksamkeit einer kurzfristigen (zwei- bis
dreiwöchigen) Behandlung mit Clopidogrel.
Fazit: Diese
große Studie zur Akutbehandlung des akuten Myokardinfarkts zeigt, dass die Gabe
von Metoprolol das Risiko für Reinfarkt und Kammerflimmern senkt, jedoch in den
gewählten hohen Dosen das Risiko für kardiogenen Schock erhöht. Die Gabe eines
Betablockers in der Akutphase des Myokardinfarkts empfiehlt sich daher nur bei
stabilen Kreislaufverhältnissen. Die sofortige zusätzliche Gabe von Clopidogrel
(zu ASS und anderen Standardbehandlungen bei akutem Myokardinfarkt,
einschließlich fibrinolytischer Therapie) und Weiterführung in den nächsten
zwei bis drei Wochen senkte bei einem breiten Spektrum von Patienten das Risiko
für Reinfarkt und Schlaganfall und die Gesamtletalität. Blutungskomplikationen
waren - auch bei fibrinolytischer Therapie und bei Patienten über 70 Jahren -
nicht signifikant häufiger, so dass Clopidogrel für wenige Wochen zur Standardtherapie
bei akutem Myokardinfarkt gehören sollte.
Literatur
-
Chen, Z.M., et al. (COMMIT
= ClOpidogrel Metoprolol Myocardial Infarction
Trial): Lancet 2005, 366, 1607.
-
Chen, Z.M., et al. (COMMIT
= ClOpidogrel Metoprolol Myocardial Infarction
Trial): Lancet 2005, 366, 1622.
-
ISIS-2 (Second International
Study of Infarct Survival) collaborative group: Lancet
1988, II, 349.
-
Sabatine, M.S., et
al.: (CLARITY-TIMI 28 = CLopidogrel as Adjunctive ReperfusIon
TherapY-Thrombolysis In Myocardial Infarction
28): N. Engl. J. Med. 2005, 352, 1179.
-
Sabatine, M.S.: Lancet
2005, 366, 1587.
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