Nicht alle Frauen mit menopausalen Hitzewallungen
bedürfen einer Pharmakotherapie. Wenn Hitzewallungen und Schwitzanfälle jedoch
sehr stark sind, dann kann eine solche Therapie dringlich sein. Wie vor kurzem
berichtet, musste eine schwedische Studie (HABITS) zur Östrogentherapie bei Frauen
mit starken Hitzewallungen, bei denen ein Mammakarzinom geheilt erschien, wegen
vermehrter Rezidive der Tumorerkrankung im Vergleich mit einer Plazebo-Gruppe abgebrochen
werden (1). Alternative Therapien unter Ausschluss von Östrogenen sind deshalb
gefragt. Transdermales oder orales Clonidin sowie selektive
Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SERM: Venlafaxin, Fluoxetin, Paroxetin) haben
in kontrollierten Studien Wirksamkeit gezeigt, jedoch ist die Gabe dieser Medikamente
wegen UAW nicht unbedenklich. Die genannten alternativen Medikamente wirken
über zentralnervöse Mechanismen. Hitzewallungen und Schwitzen in der (Post-)Menopause
kommen offenbar über plötzliche sympatho-adrenerge Entladungen zustande, wenn
die Konzentration von Östrogenen im Gehirn relativ schnell abfällt.
In einer kontrollierten Studie bei Frauen mit
Hitzewallungen wurde gezeigt, dass auch Gabapentin (Neurontin®
u.a.), ein Analogon der Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), vermutlich durch seinen
Effekt auf zentralnervöse „Voltage-gated” Kalzium-Kanäle, die Intensität und
Zahl von Hitzewallungen reduziert (2). Bisherige klinische Indikationen für
Gabapentin sind Epilepsien, neuropathische Schmerzen, Restless-Legs-Syndrom,
essentieller Tremor und Migräneprophylaxe. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
sind zahlreich aber dosisabhängig. Nachdem in einer Pilotstudie bei Frauen mit
Brustkrebs und Hitzewallungen, die oft noch durch Tamoxifen verstärkt werden,
Gabapentin wirksam zu sein schien (3), führten Pandya et al. aus Rochester und
anderen Städten in den USA eine Acht-Wochen-Studie durch, in der 420 Frauen
doppeltblind entweder 300 mg/d oder 900 mg/d Gabapentin (aufgeteilt in drei
Tagesdosen) oder Plazebo einnahmen (4). Die Frauen mussten mindestens zwei
Hitzewallungen/d haben. Durchschnittlich waren es acht bis neun/d von insgesamt
etwa fünf Minuten Dauer. Die Frauen waren im Durchschnitt 54-55 Jahre alt, und
68-75% nahmen Tamoxifen. Vor Therapiebeginn und nach vier bzw. acht Wochen
Therapie mussten sie für je eine Woche ein Tagebuch führen, in das die Zahl und
Dauer sowie der Schweregrad der Hitzewallungen eingetragen wurden.
Vor der Auswertung nach vier Wochen Therapie brachen je
15-18 Patientinnen der Gruppen von 137-144 Frauen die Studie ab. UAW spielten
dabei in den Gabapentin-Gruppen keine größere Rolle als unter Plazebo. Zwischen
der 4. und 8. Woche brachen je 6-9 Patientinnen pro Gruppe die Studie ab, davon
1-3 pro Gruppe wegen UAW. In der Plazebo-Gruppe nahm der Schweregrad der
Hitzewallungen nach vier bzw. acht Wochen um 21% bzw. 15% ab, in der Gabapentin-Gruppe
mit 300 mg/d um 33% bzw. 31% und in der 900 mg-Gruppe um 49% bzw. 46%. Nur der
Effekt der höheren Gabapentin-Dosis war hinsichtlich Zahl und Schweregrad
gegenüber der Plazebo-Gruppe signifikant unterschiedlich (p = 0,0001 nach vier
Wochen und p = 0,007 nach acht Wochen).
UAW werden als gering angegeben. Neun Patientinnen
unter 900 mg/d, sechs unter 300 mg/d und eine unter Plazebo brachen die Studie
wegen Somnolenz und/oder Schwäche ab. Insgesamt wurde die Studie wegen UAW in
der gleichen Reihenfolge der Gruppen von 10, 6 bzw. 6 Patientinnen abgebrochen.
Aus der Diskussion geht hervor, dass die SERM
offenbar etwas stärker wirksam sind als 900 mg Gabapentin/d. Sie hemmen jedoch
die Zytochrom-P450-Enzyme, die die Umwandlung von Tamoxifen in seinen aktiven
Metaboliten Endoxifen katalysieren und beeinträchtigen hierdurch wahrscheinlich
den Antiöstrogen-Effekt dieses von vielen Frauen mit Mammakarzinom
eingenommenen Medikaments. Gabapentin wird angeblich im menschlichen Körper
nicht metabolisiert und interferiert nicht mit Zytochrom-P450-Enzymen. Die UAW
der oben erwähnten alternativen Medikamente für die Behandlung von
Hitzewallungen und Schwitzanfällen zu vergleichen, ist nicht einfach, weil sie
nicht vergleichend getestet worden sind. Es ist aber günstig, dass verschiedene
Medikamente als Alternativen zu Östrogenen bei Frauen mit Kontraindikationen
gegen letztere zur Verfügung stehen.
Diese Studie wurde vom US National Cancer Institute
finanziell unterstützt. Die Firma Pfizer habe die Tabletten zur Verfügung
gestellt, war nach Angaben der Autoren jedoch weder an der Planung noch an der
Auswertung oder Publikation beteiligt.
Fazit: Gabapentin
in der Dosierung von dreimal 300 mg/d ist offenbar zur Behandlung von
Hitzewallungen bei Frauen mit Brustkrebs (vermutlich auch ohne Brustkrebs)
geeignet. In dieser Dosierung scheinen wenig UAW aufzutreten. In der Roten
Liste wird für andere Indikationen eine Tages-Höchst-Dosis von 3600 mg angegeben.
Die Tagestherapiekosten für 900 mg Gabapentin betragen ca. 2,30 EUR.
Literatur
-
Holmberg, L., et al. (HABITS
= Hormonal replacement therapy After Breast cancer – Is
iT Safe?): Lancet 2004, 363, 453; s.a. AMB 2004, 38, 54.
-
Guttuso, T., et al.: Obstet.
Gynecol. 2003, 101, 337.
-
Pandya, K.J., et al.:
Breast Cancer Res. Treat. 2004, 83, 87.
-
Pandya, K.J., et al.: Lancet
2005, 366, 818.
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