Diese Frage wurde aufgrund retrospektiver Studien bisher
überwiegend mit nein beantwortet. Frauen mit Systemischem Lupus Erythematodes (SLE),
besonders solche mit Antiphospholipid-Antikörpern (APL-AK; einschließlich des
sog. Lupus Antikoagulans), neigen ohnehin vermehrt zu Thromboembolien, und
kombinierte orale Kontrazeptiva (OK) erhöhen das Thromboserisiko. An SLE
erkranken Frauen etwa zehnmal häufiger als Männer. Ihr hepatischer Östrogen-Metabolismus
unterscheidet sich teilweise von dem gesunder Frauen, so dass vermutet wird,
dass endogene Östrogene auch in der Pathogenese des SLE eine Rolle spielen.
Andererseits ist eine sichere Kontrazeption für prämenopausale Frauen mit SLE,
die zeitweise mit embryotoxischen Medikamenten behandelt werden müssen, besonders
wichtig, und kombinierte OK sind die sicherste kontrazeptive Methode.
Dieses Dilemma veranlasste J. Sánchez-Guerrero et al.
aus Mexiko (1) und M. Petri et al. aus den USA (2) eine einfachblinde (1) bzw.
eine doppeltblinde (2) Studie zur Sicherheit kontrazeptiver Methoden bei Frauen
mit SLE durchzuführen. Beide Studien wurden kürzlich im N. Engl. J. Med.
veröffentlicht.
Sánchez-Guerrero et al. teilten 162 mit dem
Studienprotokoll einverstandene Patientinnen mit SLE per
Randomisierungs-Generator einer der drei folgenden Kontrazeptionsgruppen für
zwölf Monate zu: Gruppe 1: 30 µg Ethinylestradiol (EE) plus 150 µg
Levonorgestrel (LNG) täglich, eine der geläufigsten OK-Formeln, Gruppe 2: nur
niedrig dosiertes Gestagen, d.h. 30 µg LNG täglich, Gruppe 3: eine kupferhaltige
intrauterine Schleife (IUD). Die Frauen mussten einen SLE-Aktivitäts-Score
(SLEDAI) unter 30 haben, mussten jünger als 40 Jahre sein und durften keine
Thrombose- oder Karzinom-Anamnese haben. Frauen über 35 Jahre mussten
Nichtraucherinnen sein. Vor Studienbeginn und sechsmal während der Studiendauer
wurden die Frauen interviewt und hinsichtlich des SLEDAI untersucht. Die
untersuchenden Rheumatologen waren hinsichtlich der kontrazeptiven Methode
verblindet.
Die Krankheitsaktivität war initial mit einem Score
von 5 bis 6,4 in den drei Gruppen niedrig. Im Laufe des Therapiejahres ergaben
sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich Aktivitätsschüben
oder der Notwendigkeit, die Therapie zu intensivieren. Je zwei Patientinnen in
den Gruppen 1 und 2 erlitten venöse oder arterielle Thrombosen. Bei ihnen fanden
sich niedrig-titrige APL-AK. Fünf Frauen, je zwei in den Gruppen 1 und 2 und
eine in Gruppe 3, wurden schwanger. Die Schwangerschaften endeten mit drei Lebend-
und zwei Totgeburten.
In der Multicenter-Studie von Petri et al. (2) mit
183 Frauen wurde der Schweregrad des SLE mit einem modifizierten SLEDAI
ermittelt. Der SLE musste bei Studienbeginn inaktiv oder nur wenig aktiv und
stabil sein, gemessen an der für die Therapie erforderlichen Prednison-Dosis. Die
Patientinnen mussten APL-AK- und Lupus-Antikoagulans-negativ sein. Die Alters-
und Ausschluss-Kriterien waren denen in der Mexiko-Studie ähnlich. Gruppe 1
erhielt ein triphasisches OK (35 µg EE/d durchgehend für 28 Tage, variable
Dosis des Gestagens Norethindron), Gruppe B ein gleich aussehendes Plazebo nach
Randomisierung. Selbstverständlich mussten alle Frauen eine darüber
hinausgehende „sichere” Kontrazeptionsmethode verwenden, über die nichts
Näheres gesagt wird (vermutlich meist IUD).
In beiden Gruppen von 91 bzw. 92 Patientinnen kam es
bei je sieben zu schwereren Krankheitsschüben (Multisystem, Nephritis, Fieber,
ZNS), z.T. nach Non-Compliance mit Medikamenten. Leichte Aktivierungen des SLE
waren in den Gruppen 1 und 2 mit 69% bzw. 60% der Patientinnen etwas häufiger
unter OK als unter Plazebo. Thrombosen traten bei zwei Patientinnen der Gruppe
1 und bei drei der Gruppe 2 auf. Je eine Frau in den beiden Gruppen hatte einen
positiven Schwangerschaftstest und beendete deswegen die Studienmedikation
(danach ein Spontanabort, eine Abruptio). Die Autoren kommen zu dem Schluss,
dass kombinierte OK bei Frauen mit inaktivem oder wenig aktivem SLE und keinem
erkennbar erhöhten Thromboserisiko nicht häufiger zu schweren oder leichteren
Aktivitätsschüben der Grunderkrankung führen als Plazebo.
In Übereinstimmung mit der beide Artikel
kommentierenden Rheumatologin B.L. Bermas aus Boston (3) kann man aus diesen beiden
wichtigen Veröffentlichungen schließen, dass kombinierte hormonale OK bei
Patientinnen mit inaktivem oder nur gering aktivem SLE ohne Thromboseanamnese
und ohne nachweisbare APL-AK in die Überlegungen zur Konzeptionsverhütung mit
einbezogen werden können.
Fazit: In
zwei kontrollierten Studien an 162 bzw. 183 Patientinnen mit inaktivem oder
wenig aktivem SLE ohne Thromboseanamnese führte die Verwendung kombinierter
hormonaler Kontrazeptiva nicht häufiger zu Aktivitätsschüben des SLE als andere
Kontrazeptionsmethoden oder Plazebo. Die Häufigkeit von Thrombosen war in den
Behandlungsgruppen ähnlich. Bei gründlich voruntersuchten Frauen, die diese
Kriterien erfüllen und bei denen keine Antiphospholipid-Antikörper nachweisbar
sind, können kombinierte orale Kontrazeptiva in die Auswahl kontrazeptiver
Methoden einbezogen werden.
Literatur
-
Sánchez-Guerrero, J., et
al.: N. Engl. J. Med. 2005, 353, 2539.
-
Petri, M., et al. (OC-SELENA
= Oral Contraceptives-Safety of Estrogens in Lupus
Erythematosus National Assessment): N. Engl. J. Med. 2005, 353, 2550.
-
Bermas, B.L.: N. Engl.
J. Med. 2005, 353, 2602.
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