Artikel herunterladen

COX-2-Hemmer hinsichtlich Magengeschwüren/-blutungen nicht sicherer als unselektive nichtsteroidale Antiphlogistika

Zyklooxygenase(COX)-2-hemmende nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (1, 2). Dies ist schon vor Jahren vermutet und offenbar aus kommerziellen Gründen in Studien verheimlicht worden, wie jetzt der öffentlich gemachte Betrugsverdacht gegen die Autoren der VIGOR-Studie (Rofecoxib) erhärtet (3). Sind NSAID bei Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankungen indiziert, könnte sich jedoch ein Vorteil für COX-2-Hemmer im Vergleich zu traditionellen unselektiven NSAID hinsichtlich der bekannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) am Gastrointestinaltrakt ergeben wegen des geringeren Hemmeffekts der COX-2-Hemmer auf die COX-1 der Magenschleimhaut. Eine im Brit. Med. J. kürzlich erschienene Publikation stellt diesen Vorteil aber erneut in Frage (4).

J. Hippisley-Cox et al. (4) von der Universität in Nottingham, UK, führten in Kooperation mit 367 Allgemeinarzt-Praxen eine umfangreiche Fall-Kontroll-Studie durch, in der in einem Kollektiv mit insgesamt knapp acht Millionen Patienten-Jahren für den Zeitraum 8/2000 bis 6/2004 alle Fälle eines Ereignisses im oberen Gastrointestinal-Trakt (OG; Ulkus mit oder ohne Blutung) oder Krankenhausbehandlung identifiziert wurden. Bei den 9407 „cases” und bei fast 89000 „controls”, d.h. Personen, die nach Alter und Sozialstatus mit den „cases” vergleichbar waren, wurde nun ermittelt, welche Medikamente sie im Beobachtungszeitraum erhalten hatten, besonders selektive und unselektive COX-Hemmer und Magenschutz-Mittel, besonders Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) und Misoprostol. Es wurde das Relative Risiko (RR), ein OG-Ulkus oder Hämatemesis zu erleiden, zur Einnahme der erwähnten Medikamente in Beziehung gesetzt. Die rohen RR wurden weiterhin hinsichtlich Co-Morbidität adjustiert, da sich nämlich zeigte, dass Patienten mit KHK, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Arthrosen und Rheumatoider Arthritis sowie Patienten, die Antidepressiva und Statine einnahmen, per se ein erhöhtes RR für OG-Ereignisse hatten.

Die Inzidenz von OG-Ereignissen war 1,36/1000 Patienten-Jahre; sie war höher bei Männern als bei Frauen und nahm nach dem 60. Lebensjahr stark zu (ca. 8/1000 Patienten-Jahre bei Männern im 9. Lebensjahrzehnt). In Tab. 1 werden die RR angegeben für A) die adjustierten Befunde für Benutzer unterschiedlicher COX-Hemmer und B) für Patienten, die zwar in den letzten drei Monaten vor dem OG-Ereignis COX-Hemmer eingenommen hatten, im gleichen Zeitraum aber auch ein Magenschutzmittel. Unter C) ist die Interaktions-Ratio (mit Konfidenz-Intervallen) für Ulkus-Medikamente mit COX-Inhibitoren angegeben. Sie war für alle COX-Hemmer, außer für Celecoxib, hoch signifikant (p < 0,001). D.h., wenn das Magenmittel die Ulkusrate bei Einnahme eines NSAID halbiert, dann ist die Interaktions-Ratio 0,5.

Die günstigsten RR-Befunde ergaben sich für Celecoxib (allerdings kleine Fallzahl), die ungünstigsten für Naproxen. Durch Co-Medikation mit Magenschutzmitteln wurde die OG-Ereignisrate unter allen COX-Hemmern – außer Diclofenac – auf ein nicht signifikant erhöhtes Maß im Vergleich mit Patienten, die keine COX-Hemmer nahmen, reduziert. Diclofenac-Patienten, die zusätzlich einen PPI einnahmen, hatten trotzdem noch ein RR von 1,56 (CI: 1,28-1,9), solche die Misoprostol einnahmen, ein RR von 1,34 (CI: 0,99-1,81).

In prospektiven, plazebokontrollierten, randomisierten Vergleichsstudien von COX-2-Hemmern im Vergleich mit nicht-selektiven COX-Hemmern ist für alle diese neuen Substanzen vor ihrer Zulassung mehr oder weniger überzeugend publiziert worden, dass sie zu weniger OG-Ereignissen als die alten NSAID führen. Damit wurden die höheren Preise begründet. Eine allerdings weniger genaue Feldstudie wie die hier besprochene zeigt jedoch, dass es bei nicht begrenzter Beobachtungsdauer an einem weniger genau definierten Patientenkollektiv als in den Zulassungsstudien mit der Überlegenheit der COX-2-Hemmer hinsichtlich der OG-Ereignissraten nicht weit her ist. Wenn auch bei Einsatz von COX-2-Hemmern bei älteren Patienten mit erhöhtem Ulkusrisiko zu rechnen ist, dann kann man in den meisten Fällen auch die älteren NSAID zusammen mit PPI oder Misoprostol verschreiben.

Fazit: In dieser umfangreichen Fall-Kontroll-Studie war die Einnahme von COX-2-Hemmern fast im gleichen Maß wie unter unselektiven NSAID mit konsekutiven Ulzera im oberen Gastrointestinaltrakt oder mit Hämatemesis assoziiert. Bei allen COX-Hemmern, ob selektiv oder unselektiv, außer bei Diclofenac, ließen sich die UAW im oberen GI-Trakt durch Co-Medikation von Protonenpumpen-Hemmern oder Misoprostol auf „Normalniveau” reduzieren. Bei kleiner Fallzahl in dieser Studie und damit geringer statistischer Sicherheit schnitt Celecoxib aber hinsichtlich der UAW am Magen am besten ab. Darüber hinaus sollten älteren Risikopatienten nur für möglichst kurze Zeit und nicht für ununterbrochenen Gebrauch NSAID verordnet werden.

Literatur

  1. AMB 2004, 38, 62b; 73a; 73b; 74.
  2. AMB 2005, 39, 38b.
  3. Curfman, G.D., et al.: N. Engl. J. Med. 2005, 353, 2813; s.a. AMB 2000, 34, 73.
  4. Hippisley-Cox, J., et al.: Brit. Med. J. 2005, 31, 1310.

Abbildung 2006-15-1.gif