Eptacog alfa (NovoSevenÒ) ist
ein rekombinantes aktiviertes Faktor-VII-Präparat (rFVIIa). Es ist in
Deutschland unter anderem zugelassen für die Behandlung von Blutungen im
Zusammenhang mit chirurgischen oder invasiven Eingriffen bei Patienten mit
angeborener Hämophilie mit Hemmkörpern gegen die Blutgerinnungsfaktoren VIII
oder IX, starkem Anstieg des Hemmkörpers, angeborenem Faktor-VII-Mangel und bei
Patienten mit Thrombasthenie Glanzmann, die früher oder aktuell auf
Transfusionen von Thrombozytenkonzentraten refraktär waren. In den USA erfolgte
die Zulassung 1999 für ein vergleichbares Indikationsspektrum. Eptacog alfa
wird seitdem jedoch zunehmend außerhalb der geltenden Anwendungsgebiete zur
Kontrolle schwerwiegender Blutungen unterschiedlicher Genese eingesetzt (1).
Berichten über therapeutische Erfolge stehen begrenzte Daten zur Sicherheit des
Wirkstoffs, ein mögliches therapieassoziiertes Thromboserisiko sowie erhebliche
Kosten bei nur kurzer Halbwertszeit von Eptacog alfa gegenüber. So übersteigen
z.B. die für Eptacog alfa anfallenden Kosten in zahlreichen US-amerikanischen
Krankenhäusern 500000 $ pro Jahr, meist wegen Off-Label-Verwendung (2).
Im Auftrag der Society for the
Advancement of Blood Management (SABM) und des University HealthSystem
Consortium (UHC) erarbeitete deshalb eine Gruppe nordamerikanischer Experten
Empfehlungen zum Off-Label-Einsatz von Eptacog alfa, um eine rationale
Entscheidung für oder gegen den Einsatz zu ermöglichen (3). An dem Gremium
waren Anästhesisten, Intensivmediziner, Transfusionsmediziner, Chirurgen,
Neurologen und Pharmazeuten beteiligt. Alle Mitglieder hatten relevante
Interessenkonflikte verneint. Erschwert wurde die Arbeit des multidisziplinären
Gremiums durch die Tatsache, dass nach gründlichen Literaturrecherchen zwar
zahlreiche Kasuistiken und Fallserien, jedoch lediglich vier prospektive
randomisierte Studien zum Einsatz von Eptacog alfa veröffentlicht worden waren
(3). Bei dieser unbefriedigenden Datenlage entschlossen sich die Experten zu
folgendem Vorgehen: Nach entsprechenden Literaturrecherchen zur Wirksamkeit und
Sicherheit von Eptacog alfa wurde eine Liste klinischer Szenarien erarbeitet,
in denen ein therapeutischer Nutzen des Präparates vorstellbar wäre.
Die Auswahl der klinischen Szenarien (s.
Tab. 1) basierte, wie die Autoren betonten, auf ihrer eigenen klinischen
Erfahrung. Anlass für die Berücksichtigung einer speziellen Situation war die
Notwendigkeit, Frischplasma, Thrombozytenkonzentrate oder Kryopräzipitate zu
verabreichen. Eine Empfehlung für die Gabe von Eptacog alfa wurde
ausgesprochen, wenn „die erwarteten gesundheitlichen Vorteile der Therapie die
erwarteten negativen gesundheitlichen Konsequenzen in einem Umfang übertreffen,
welcher die Verordnung des Arzneimittels in einem Umfeld limitierter
finanzieller Ressourcen rechtfertigt" (3). Zum Einsatz von Eptacog alfa
bei Kindern wurde nicht Stellung bezogen.
Unter letztlich 32 klinischen Szenarien mit möglichem Einsatz
von Eptacog alfa wurde dessen Verwendung in 11 Fällen als "geeignet",
in 14 Fällen als "nicht geeignet" und in 7 Fällen als
"unsicher" eingestuft. Die Empfehlungen sind in Tab. 1
zusammengefasst. Keine oder nur eine unsichere Indikation für Eptacog alfa
sahen die Experten z.B. bei einer aktiven gastrointestinalen Blutung per se
oder bei Thrombozytopenie mit einer schweren und konventioneller Therapie
gegenüber refraktären Blutung. Auch ein prophylaktischer Einsatz vor operativen
Eingriffen wurde nicht empfohlen.
Als
Dosierung empfahl das Gremium 20-40 µg/kg zur Antagonisierung der Wirkung von
Antikoagulanzien (Fondaparinux = Arixtra®, Faktor-Xa-Inhibitoren)
sowie 41-90 µg/kg bei allen anderen Off-Label-Verwendungen. Dosierungen über 90
µg/kg wurden nicht empfohlen. Die Empfehlungen bewegen sich somit am unteren
Rand der in der Fachinformation zu Eptacog alfa genannten Dosierung und
deutlich unter kürzlich publizierten Empfehlungen zum Off-Label-Einsatz (4).
Generell sollten, wie auch bei anderen
Off-Label eingesetzten Arzneimitteln, alle Patienten
unter Therapie mit Eptacog alfa genau dokumentiert werden. Die Daten zur
Wirksamkeit und Sicherheit von Eptacog alfa sollten möglichst zu einem Register
zusammengefasst und biometrisch ausgewertet werden. So könnten prospektiv
Informationen gesammelt werden, die in ihrem Wert zwar hinter dem von
randomisierten Studien zurückbleiben, aber wertvoller sind als der Konsensus
von „erfahrenen” Klinikern. So hat zum Beispiel erst ein Therapieregister auf das
außergewöhnliche Risikoprofil von Aprotinin (Trasylol®) hingewiesen
(6).
Fazit: Der Gerinnungsfaktor Eptacog alfa wird zunehmend
jenseits der zugelassenen Indikationen und teilweise in nicht adäquater
Dosierung eingesetzt. Dies ist immer mit erheblichen Kosten verbunden. Die
Empfehlungen eines multidisziplinär besetzten nordamerikanischen
Expertengremiums sind eine wichtige Hilfe für den sinnvollen therapeutischen
Einsatz dieses Gerinnungsfaktors. Selbstverständlich müssen diese
Konsensus-Empfehlungen rasch aktualisiert werden, wenn weitere, dringend
benötigte randomisierte klinische Studien zum Einsatz von Eptacog alfa
vorliegen.
Literatur
-
O’Connell, N.M.: Transfusion
2003, 43, 1711.
-
MacLaren, R.: Transfusion 2005, 45,
1434.
- Shander, A.: P&T 2005, 30, 644.
- Martinowitz, U.: J. Thromb.
Haemost. 2005, 3, 640.
-
AMB 2005, 39,
42.
-
AMB 2006, 40, 20.
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