Zusammenfassung: Zur Therapie des leichten
Hirsutismus, der von einer Hypertrichose unterschieden werden muss, genügen oft
kosmetisch-dermatologische Behandlungsmethoden. Orale Kontrazeptiva ohne oder
mit antiandrogenem Gestagen sind in den meisten Fällen die Therapie der Wahl.
Bei höhergradigem Hirsutismus müssen oft Antiandrogene (immer kombiniert mit
sicherer Kontrazeption, meist oralen Kontrazeptiva) angewendet werden. Diese
Therapie sollte von erfahrenen Frauenärzt(inn)en oder Endokrinolog(inn)en
durchgeführt werden. Bei schnell fortschreitendem Hirsutismus mit deutlich
erhöhten Testosteronwerten sind Androgen-sezernierende Tumore (Ovar,
Nebenniere) auszuschließen, die oft maligne sind.
In Anlehnung an eine Übersicht im N. Engl. J. Med. (1)
wollen wir über aktuelle diagnostische und therapeutische Aspekte des
Hirsutismus berichten. Unter Hirsutismus versteht man die mehr oder weniger
starke Umwandlung von weichem Vellushaar in dickeres Terminalhaar bei Frauen an
Oberlippe, Kinn, Wangen, Oberarmen und Oberschenkeln, zwischen den Mammae und
entlang der Linea alba, d.h. an Stellen, wo gesunde Männer sich durch
ausgebildetes Terminalhaar von den meisten Frauen unterscheiden. An diesen
Stellen und an einigen anderen mehr reagieren die Zellen der Vellushaar-Wurzeln
auf Androgene im Sinne einer Umwandlung in Terminalhaar. Der Hirsutismus ist
von der Hypertrichose, einer Vermehrung von Vellushaar, meist am ganzen Körper,
abzugrenzen, die Androgen-unabhängig ist. Hirsutismus entsteht infolge erhöhter
Empfindlichkeit der Haarwurzel-Zellen für Androgene oder infolge erhöhter
Konzentration von freiem Plasma-Testosteron. Eine scharfe Abgrenzung des
Hirsutismus vom Normalzustand ist nicht möglich. Das Ausmaß des Hirsutismus
wird durch Vergleich des Untersuchungsbefundes an neun Prädilektionsstellen bei
der völlig entkleideten Patientin mit Abbildungstafeln (jeweils Grad 1 bis 4)
nach Ferriman-Gallwey ermittelt (Maximum: 36 Punkte). Eine brauchbare Tafel ist
in der zitierten Arbeit (1) abgebildet. Bis zu 15 Punkten wird ein Hirsutismus
als leicht bis mäßig eingestuft. Ein sich schnell entwickelnder deutlicher
Hirsutismus weist auf einen Androgen-produzierenden Tumor (Ovar oder
Nebennierenrinde) oder auf exogene Androgenzufuhr hin (selten). Initial sollte bei
deutlichem Hirsutismus das Plasma-Testosteron, am besten kombiniert mit SHBG
(Sexualhormon bindendes Globulin), zu Beginn eines Menstruationszyklus, morgens
zwischen 8 und 10 Uhr bestimmt werden. Aus Gesamt-Testosteron und SHBG kann man
den freien Androgen-Index (fAI) berechnen, der gut mit der nur in wenigen
Laboratorien zuverlässig messbaren Konzentration des freien (am
Androgenrezeptor bindungsfähigen) Testosteron korreliert. Ist der fAI normal,
dann liegt ein „idiopathischer Hirsutismus” vor (ca. 50% aller Fälle). Bei
erhöhtem fAI ist in den meisten Fällen das pathophysiologisch komplexe Polyzystische-Ovar(PCO)-Syndrom
die Ursache. In vielen Fällen mit leicht erhöhtem fAI findet man keine Ursache
(idiopathische Hyperandrogenämie), während manchmal ein so genanntes late-onset
Adrenogenitales Syndrom (AGS, infolge der Mutation im Gen der adrenalen
21-Hydroxylase) oder ein Cushing-Syndrom diagnostiziert werden kann. Die
Hauptquelle der Androgene bei der jüngeren Frau sind die Ovarien. Auf eine
überwiegend adrenale Quelle weist eine erhöhte Konzentration der adrenalen Prä-Androgene
Dehydroepiandrosteron(DHEA) und DHEA-Sulfat hin.
Therapie: Lokale
Behandlung: In leichten Fällen genügt es, dunkle Terminalhaare lokal mit
Bleichmitteln zu behandeln und zu rasieren. Natürlich müssen bei stärkerem
Hirsutismus Dermatologen und spezialisierte Kosmetiker konsultiert werden.
Epilationsmittel und Enthaarungswachse können angewendet werden, führen aber
oft zur Hautirritation. In einigen Fällen werden Spezialisten für die
Zerstörung von Haarfollikeln mittels Elektrolyse oder Laser zugezogen. Diese
Methoden sind schmerzhaft, können bei unsachgemäßer Anwendung zu Verbrennungen,
Depigmentation und Narben führen und sind immer nur an begrenzten Hautarealen
anwendbar (2).
Neu auf dem Markt ist Eflornithin (Vaniqa®).
Es wurde als 11,5%ige Creme zur lokalen Therapie des Hirsutismus im Gesicht
zugelassen (8) und soll zweimal täglich im Abstand von ca. acht Stunden auf die
befallenen Hautareale aufgetragen werden. Da Hirsutismus eine Langzeit-Erkrankung
ist, sind Kurzzeit-Therapiestudien von geringem Interesse. In einer
12-Monatsstudie bei Frauen mit Hirsutismus erlebten nur 24% eine deutliche
Besserung, während 34% der Teilnehmerinnen die Studie abbrachen (3, 4).
Eflornithin ist ein Hemmer der Ornithindecarboxylase,
eines Enzyms, das für die Biosynthese der Produkte Putrescin und Spermin
erforderlich ist. Diese Polyamide haben offenbar eine wichtige Funktion bei
Zellteilung und -differenzierung. Eflornithin wurde dementsprechend als
Zytostatikum entwickelt und später erfolgreich für die i.v. Therapie der Schlafkrankheit
verwandt. Auf die Haut aufgetragen dringt es in die Haarfollikel ein und hemmt
das Haarwachstum. Die Effekte sind zwar plazebokontrolliert nachweisbar, aber
bei vielen Patienten offenbar klinisch nicht bedeutsam. Die Rote Liste führt als
sehr häufige unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW > 10% der Behandelten)
Akne auf, als häufige UAW (1-10%) Hautreizung, Pseudofollikulitis, Stechen,
Brennen, Hautausschlag und Alopezie. Bei lokaler Applikation wird die Substanz
nur sehr gering resorbiert, so dass mit systemischen Wirkungen, wie z.B. Haarausfall
an unerwünschten Stellen, nicht zu rechnen ist. Die Besprechung von Eflornithin
im Arzneiverordnungs-Report 2005 endet mit der Empfehlung, die Creme „allenfalls
in ausgewählten Fällen als zusätzliche Maßnahme zur physikalischen Haarentfernung
(Rasieren, Epilationscreme) in Betracht zu ziehen” (3).
Kombinierte orale Kontrazeptiva (OK): OK enthalten pro Tagesdosis 20-50 µg
Ethinylestradiol und ein Gestagen. Sie unterdrücken die Ovulation und die
ovarielle Androgensekretion und erhöhen gleichzeitig deutlich die
Plasma-Konzentration von SHBG, so dass ein größerer Anteil des noch vorhandenen
Testosterons fest an SHBG gebunden wird. Der fAI nimmt deutlich ab. In den
meisten Fällen ist die Verordnung eines OK zusammen mit kosmetischer Beratung
und Behandlung eine ausreichende Therapie. Das Gestagen im OK sollte keine
androgenen Eigenschaften haben. Es kann auch ein OK mit einem antiandrogenen
Gestagen gewählt werden, z.B. mit Cyproteronacetat (2 mg/d in Diane 35®
u.a.), Drospirenon (Yasmin® u.a.) oder Dienogest (Valette®),
jedoch sind die Suppression der ovariellen Androgensekretion und die Erhöhung
des Plasma-SHBG wahrscheinlich die wichtigeren therapeutischen Mechanismen beim
Hirsutismus.
Antiandrogene: Will man bei ausgeprägtem Hirsutismus, unabhängig von der Ursache, eine
deutliche Besserung erreichen, dann müssen neben kosmetischen Methoden oft
höhere Dosen Antiandrogene (Androgenrezeptor-Blocker) angewendet werden als in
den o.g. OK enthalten sind. Da im Falle einer Schwangerschaft männliche Feten
bei Einnahme von Antiandrogenen durch die Mutter den männlichen Phänotyp nicht
voll ausbilden können, muss eine solche Therapie immer von einer sicheren
Kontrazeption begleitet sein. In den USA wird Spironolacton wegen seiner
antiandrogenen Eigenschaften häufig zusammen mit einem OK verordnet. Wegen
seiner vielen UAW bei der notwendigen hohen Dosierung ist vom Einsatz dieses
Medikaments bei prämenopausalen Frauen hierzulande jedoch eher abzuraten. Nach
der Menopause ist es gut verträglich. Außerhalb der USA wird als Antiandrogen
meist 10 mg/d Cyproteronacetat (Androcur 10®) vom Zyklustag 1 bis 15
in Kombination mit Diane 35 verordnet. Auch das für die Therapie des
Androgen-sensitiven Prostatakarzinoms vorgesehene nicht-steroidale Antiandrogen
Flutamid soll in niedriger Dosierung (62,5 mg/d; immer in Kombination mit einer
sicheren Kontrazeptionsmethode) beim Hirsutismus einen guten therapeutischen
Effekt haben mit nur geringer Lebertoxizität. Es handelt sich aber um eine Off-label-Therapie
(5). Ein Antiandrogen mit besonderem Wirkungsmechanismus ist Finasterid, das
die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (letzteres bindet stärker
an den Androgenrezeptor) hemmt und zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie
erfolgreich eingesetzt wird. In der Therapie des Hirsutismus hat es sich aber
nicht bewährt (6).
Andere Medikamente/Hormone: Patientinnen mit PCO-Syndrom haben oft eine
Insulinresistenz, die mittels Metformin gebessert werden kann. Die Plasmakonzentrationen
von Insulin und Testosteron fallen unter dieser Therapie etwas ab, jedoch
reicht dieser Effekt nicht aus, um ohne gleichzeitige Verordnung eines OK
(meist mit antiandrogenem Gestagen) den Hirsutismus zu bessern (7). Beim
late-onset-AGS kann man durch Gabe von 5-7,5 mg/d Prednisolon die adrenale
Sekretion von DHEA und DHEA-S (das in der Körperperipherie in Testosteron
umgewandelt werden kann) bremsen und den Hirsutismus bessern. Diese Therapie
ist aber langfristig zu reich an UAW und sollte in der Regel auf Frauen
beschränkt werden, die schwanger werden wollen, da es nach Senkung der Plasma-Testosteronkonzentration
oft zur Ovulation kommt. Dauerhaft wird ein Hirsutismus bei Frauen mit
late-onset-AGS meist mit OK (meist mit antiandrogenem Gestagen) behandelt. Hier
ist das therapeutische Prinzip die Erhöhung des Plasma-SHBG durch das Östrogen
im OK.
Literatur
-
Rosenfield, R.L.: N.
Engl. J. Med. 2005, 353, 2578.
-
Azziz, R.: Obstet. Gynecol. 2003, 101, 995.
-
Fricke, U., und Schwabe, U. in Schwabe,
U., und Paffrath, D. (Hrsgb.): Arzneiverordnungs-Report 2005. Springer, Berlin,
Heidelberg, New York. S. 40 und 58.
-
Balfour, J.A., und McClellan, K.:
Am. J. Clin. Dermatol. 2001, 2, 197.
-
Muderris, I.I., et al.: Gynecol.
Endocrinol. 2000, 14, 38.
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Farquhar, C., et al.:
Cochrane Database Syst. Rev. 2003, 4, CD000194.
-
Harborne, L., et al.:
Lancet 2003, 361, 1894.
-
AMB 2006, 40, 2.
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