Über die Behandlung der chronischen Hepatitis B haben
wir im letzten Jahr eingehend informiert (1). Nun sind im N. Engl. J. Med. zwei
weltweite, doppeltblinde Multicenter-Studien mit einer neuen Substanz,
Entecavir (Baraclude®), erschienen (2, 3), die mit Unterstützung des
Herstellers (Bristol-Myers Squibb) durchgeführt worden sind. Entecavir hemmt spezifisch
die virale DNS-Polymerase. Die eine Studie (2) wurde mit HBeAg-positiven, die
andere (3) mit HbeAg-negativen Patienten mit chronischer Hepatitis B
durchgeführt, die zuvor kein Nukleosid-Analogon erhalten hatten. Beide Studien
verglichen Entecavir (0,5 mg/d oral) mit der seit vielen Jahren etablierten
Lamivudin-Therapie (100 mg/d oral). In beiden Studien zeigte sich im
histologischen Ansprechen nach 48 Wochen ein Vorteil für Entecavir gegenüber
Lamivudin (HBeAg-pos.: 226/314 vs. 195/314, p = 0,009 und HBeAg-neg.: 208/296
vs. 174/287, p = 0,01). Die Viruslast wurde in den Entecavir-Gruppen deutlicher
und schneller gesenkt als in den Lamivudin-Gruppen, und die PCR für HBV-DNS im
Serum war nach 48 Wochen Behandlung in den Entecavir-Gruppen bei mehr Patienten
negativ als in den Lamivudin-Gruppen (bei HBsAg-positiven Patienten: 67% vs.
36%, p < 0,001 und bei HBeAg-negativen Patienten: 90% vs. 72%). Die HBeAg-Serokonversion
(Verlust des HBeAg und Bildung von HBeAK) war in beiden Gruppen nicht
unterschiedlich (21% vs. 18%), und auch der anhaltende Erfolg der Therapie nach
Absetzen der Medikamente (sustained response) war offensichtlich nicht
signifikant unterschiedlich für beide Medikamente in beiden Gruppen. Die UAW
der neuen Substanz, wie auch bekanntermaßen für Lamivudin, waren in der relativ
kurzen Beobachtungsphase (1,5 Jahre) gering.
Was also bringt Entecavir wirklich Neues? Es gibt
mittlerweile drei orale antivirale Medikamente, die die Replikation des
Hepatitis-B-Virus hemmen: Lamivudin (Zeffix®), Adefovir (Hepsera®)
und jetzt Entecavir. Ein Problem dieser Therapieformen ist, dass die Infektion
nicht beseitigt, sondern nur die Virusreplikation unterdrückt wird, solange das
Medikament gegeben wird, d.h., diese Medikamente müssen in der Regel lebenslang
(also nicht nur 48 Monate) eingenommen werden. Ein Absetzen kann sogar zu
schwerwiegenden bis hin zu fatalen Rückfällen der Erkrankung führen.
Mittlerweile ist bekannt, dass Lamivudin bei 70-80% der länger als vier Jahre
mit diesem Medikament behandelten Patienten wegen Resistenzentwicklung unwirksam
wird (4, 5). Glücklicherweise sprechen diese Patienten dann aber noch auf Adefovir
an. Aber auch gegen Adefovir entwickelt sich bei 15-20% der Patienten nach vierjähriger
Therapie eine Resistenz (5). Entecavir hat möglicherweise eine geringere
Resistenzentwicklung als Adefovir. Langzeitbeobachtungen gibt es aber bisher
nicht. Es ist allerdings schon jetzt klar, dass ein Teil der Patienten, bei
denen die Hepatitis-B-Viren gegen Lamivudin resistent geworden sind, auch eine
Resistenz gegen Entecavir zeigen (6). Hoofnagle weist in seinem exzellenten
Editorial im selben Heft des N. Engl. J. Med. noch darauf hin, dass bei Mäusen höhere
Dosen von Entecavir mit der Entstehung bösartiger Tumore in Verbindung gebracht
wurden (7).
Fazit:
Entecavir ist eine neue Substanz zur Behandlung der chronischen
Hepatitis B, die möglicherweise die Viruslast stärker reduziert als Lamivudin
und Adefovir. Aber auch Entecavir ist bei den meisten Patienten vermutlich nicht
in der Lage, das Hepatitis-B-Virus, anders als Interferon alfa, endgültig zu
eliminieren und muss daher wahrscheinlich lebenslang eingenommen werden. Die
akuten UAW sind offenbar gering, die langfristigen jedoch noch unbekannt.
Problematisch ist außerdem, dass ein Teil der Patienten mit gegen Lamivudin resistent
gewordenen Hepatitis-B-Viren auch nicht wirksam mit Entecavir behandelt werden
kann.
Literatur
-
AMB 2005, 39, 25.
-
Ting-Tsung, C., et al.
(BEHoLD Al463022 = Benefits of Entecavir for Hepatitis B Liver
Disease): N. Engl. J. Med. 2006, 354, 1001.
-
Lai, C.-L., et al.
(BEHoLD Al463027 = Benefits of Entecavir for Hepatitis B Liver
Disease): N. Engl. J. Med. 2006, 354, 1011.
-
Lok, A.S., et al.:
Gastroenterology 2003, 125, 1714.
-
Locamini, S., et al.:
Semin. Liver Dis. 2005, 25 Suppl. 1, 9.
-
Tenney, D.J., et al.:
Antimicrob. Agents Chemother. 2004, 48, 3498.
-
Hoofnagle, J. H.: N.
Engl. J. Med. 2006, 354, 1074.
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