Artikel herunterladen

Pathogenese von Thrombosen nach Langzeitflügen

Lange Flüge sind ein Risikofaktor für Thrombosen. Bisher wurde das langzeitige Herunterhängen der Beine mit geringer Bewegung der Muskeln und der Muskelpumpe der tiefen Beinvenen als Hauptrisikofaktor angesehen, der sich anderen Faktoren (Varikosis, hohes Alter, Einnahme von Östrogenen und genetischer Disposition) hinzu addiert. Im Lancet veröffentlichten kürzlich A.J.M. Schreijer et al. aus Holland die Ergebnisse einer aufwändigen Studie, die durch großzügiges Sponsoring im Rahmen der „WRIGHT initiative” (WHO Research Into Global Hazards of Travel) möglich wurde.

Die Autoren versuchten in einer Crossover-Studie an 71 Freiwilligen (15 Männer, 56 Frauen) im Alter von 18-40 Jahren den Faktor „Langes Fliegen in interkontinentaler Höhe” von den Faktoren „Langes Sitzen” und von „Zirkadianen Einflüssen auf das Blutgerinnungssystem” zu trennen. Sie charterten eine Boeing 757, die die Probanden in üblicher Sitzhaltung bei vorgegebener Versorgung mit Getränken acht Stunden lang in ca. 10000 Meter Höhe durch den Himmel flog und dann wieder in Schiphol (Amsterdam) landete. Zwei bis drei Wochen danach mussten die Probanden in zwei verschiedenen Gruppen in gleicher Haltung im gleichen Tageszeitraum einen achtstündigen Film-Marathon über sich ergehen lassen. An einem dritten Tag wurden die Gerinnungsfaktoren im gleichen Tageszeitraum während eines normalen Arbeits- oder Studientages überprüft. Erfahrene Hilfskräfte entnahmen morgens nüchtern vor der Intervention, vier Stunden später und erneut gegen 17 Uhr am Ende der Intervention Zitratblut, das sofort zentrifugiert und dessen Plasma bei -80 Grad Celsius eingefroren wurde. Es wurde auch Blut für DNA-Analysen (Faktor V Leiden und Prothrombin G20210A) entnommen.

Von den 56 Frauen waren 26 heterozygot für Faktor V Leiden, von denen 15 zusätzlich ein orales Kontrazeptivum einnahmen. Nach dem Flug nahm die Konzentration des Thrombin-Antithrombin-Komplexes (als Gerinnungsmarker) um 30% zu, während sie nach dem Kino-Marathon um 2% und nach normaler Tagesaktivität um 8% abnahm. Am deutlichsten war dieser Anstieg bei den Faktor-V-Leiden-positiven Frauen, die ein hormonales Kontrazeptivum einnahmen. Fibrin-D-Dimere (Fibrinolysemarker) änderten sich nicht signifikant, nahmen jedoch bei vier Probanden nach dem Flug, aber bei keinem nach den anderen Aktivitäten, deutlich zu.

Die Autoren schließen aus diesen Ergebnissen, dass mit dem langen Höhenflug Faktoren assoziert sind, besonders die hypobare Hypoxie, die die Bildung von Thrombin steigern und somit eigenständige thrombogene Risikofaktoren sind. Durch das Crossover-Design der Studie konnte dieser Risikofaktor von dem der Immobilisierung in sitzender Haltung separiert werden.

H. Stricker aus der Schweiz (2) betont den besonderen wissenschaftlichen Wert dieser Studie, hält aber die praktischen Konsequenzen für recht begrenzt. Wie bisher solle Langstreckenfliegern empfohlen werden, so oft wie möglich aufzustehen oder die Wadenmuskulatur häufig anzuspannen. Alkohol und Sedativa sollten vermieden werden, da sie Inaktivität und venöse Stase fördern. Ältere Menschen sollten Kompressionsstrümpfe tragen. Die prophylaktische Einnahme von Azetylsalizylsäure sei wirkungslos, aber ein vor dem Flug injiziertes niedermolekulares Heparin reduziere das Thromboserisiko signifikant (3). Angesichts des relativ geringen absoluten Thromboserisikos nach Langzeitflügen solle die Anwendung von Heparin jedoch auf Personen mit Risikofaktoren, wie frühere Thrombosen, maligne Erkrankungen oder kürzlich erfolgte chirurgische Eingriffe, beschränkt werden. Diesen Empfehlungen ist zuzustimmen.

Fazit: Über die Immobilisierung hinaus scheint die mäßige hypobare Hypoxie während langer, meist interkontinentaler Flüge ein spezifischer thrombogener Risikofaktor bei prädisponierten Personen zu sein. Eine medikamentöse Thromboseprophylaxe mit Heparin sollte aber nur Personen mit zusätzlichen Risikofaktoren empfohlen werden. Für die meisten Passagiere sind regelmäßige Beinbewegungen zur Aktivierung der Muskelpumpe und Vermeiden von Sedativa und Zurückhaltung beim Alkohol ausreichende prophylaktische Maßnahmen.

Literatur

  1. Schreijer, A.J.M., et al.: Lancet 2006, 367, 832.
  2. Stricker, H.: Lancet 2006,367, 792.
  3. Cesarone, M.R., et al. (LONFLIT 3): Angiology 2002, 53, 1.