Menschen und Säugetiere können in langkettige
Fettsäuren (FS) jenseits des Kohlenstoff-Atoms 9 (vom COOH-Ende aus gesehen)
keine Doppelbindungen einbauen. Fette mit langkettigen FS und Doppelbindungen
nahe dem letzten (daher Omega) C-Atom (Omega-3 und Omega-6, d.h. vom
Methyl-Ende aus gesehen liegt die erste, unverrückbare Doppelbindung am dritten
bzw. sechsten C-Atom; s. Abb. 1) sind jedoch essenzielle Bestandteile von
Zellmembranen, besonders im Nervensystem. Bestimmte mehrfach ungesättigte
Fettsäuren (Omega-6: Linolsäure mit 18-C-Atomen und Omega-3: Linolensäure mit
18 C-Atomen sowie Eicosapentaënsäure mit 20 C-Atomen) müssen daher mit der
Nahrung aufgenommen werden. Die lebenswichtige Arachidonsäure als Vorstufe der
Prostaglandine und Leukotriene wird ebenfalls aus solchen essentiellen FS
synthetisiert.
Omega-3-FS gelten als kardioprotektiv (1; s.a. 2).
Sie kommen in großen Mengen in fettreichen Raubfischen vor. Fische aus
Fischfarmen, die andere Nahrung erhalten, enthalten deshalb z.T. weniger
Omega-3-FS. Alpha-Linolensäure aus Pflanzensamen (auch reichlich im Eigelb im
Freiland pickender Hühner vorhanden) kann nur in geringem Umfang in die für die
Zellmembranen wichtigen FS umgewandelt werden.
Der Verzehr von fettem Seefisch (zweimal pro Woche)
gilt als gesund, besonders für Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK).
Eine 2002 erschienene Metaanalyse randomisierter und kontrollierter Studien
(RKS) bei Patienten mit KHK ergab einen signifikant protektiven Effekt
hinsichtlich Letalität und Plötzlichem Herztod durch gesteigerten Verzehr
Omega-3-FS-reicher Nahrungsmittel oder Zufuhr von Fischölen (1).
Im BMJ kommen Hooper et al. aus England (3) in einem
„Systematischen Review” jetzt zu etwas anderen Ergebnissen. Sie evaluierten
alle publizierten, methodisch suffizienten RKS und methodisch akzeptable
Kohortenstudien, in denen Personen bzw. Patienten mit hoher und niedriger
Zufuhr von Omega-3-FS verglichen wurden im Hinblick auf Gesamtletalität,
Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse und die Inzidenz von Malignomen.
Insgesamt wurde die Letalität durch Omega-3-FS tendenziell, aber nicht
signifikant gesenkt (RR: 0,87, CI: 0,73-1,03). Bei methodisch sehr guten RKS
war das RR der Letalität sogar nur 0,98, und das RR kardiovaskulärer Ereignisse
1,09 (CI: 0,87-1,37). RKS bei Verzehr nur von Seefisch-Omega-3-FS lagen
tendenziell etwas günstiger als solche mit Alpha-Linolensäure. In den vier
ausgewerteten Kohortenstudien (bei nicht immer gut vergleichbaren Eigenschaften
der Gruppen) war das Ergebnis hinsichtlich Letalität mit einem RR von 0,65 (CI:
0,48-0,88) signifikant protektiv. Der Unterschied bei RKS zu der erwähnten
Studie von Bucher et al. (1) war besonders durch Einschluss einer neueren
großen RKS von Burr et al. (4) bedingt, die in einer Langzeitstudie den Effekt
von Omega-3-FS bei Patienten mit Angina pectoris untersucht und eine etwas
erhöhte Letalität, möglicherweise infolge eines proarrhythmischen Effekts von
Omega-3-FS bei langer Anwendung, gefunden haben.
Da Seefische, besonders Schwertfisch, erheblich mit
potenziellen Kanzerogenen, wie Dioxin und polychlorierte Biphenyle, belastet
sein können, wurde auch die Inzidenz von Malignomen untersucht, die in den RKS
mit einem RR von 1,07 (CI: 0,88-1,30) nicht signifikant erhöht war.
Insgesamt waren die ausgewerteten Studien recht
heterogen hinsichtlich behandelter Populationen und Interventionen. Da
Omega-3-FS lebensnotwendig sind, müssen wir weiterhin Nahrungsmittel, die sie
enthalten oder synthetische Fischöle zu uns nehmen. Therapeutische Empfehlungen
lassen sich aus diesen vorliegenden Ergebnissen schwerlich ableiten. Aufgrund
der Studie von Burr (4) sollte Patienten mit Angina pectoris kein erhöhter
Verzehr Omega-3-FS-reicher Nahrungsmittel empfohlen werden. Schwangere Frauen
haben für die Versorgung des Feten mit Omega-3-FS einen erhöhten Bedarf an
Fetten, die diese FS enthalten, jedoch sollte auch hier mit dem Verzehr von
Seefisch im Interesse einer begrenzten Schadstoff-Zufuhr Maß gehalten werden.
Die Überlegungen zum prophylaktischen und therapeutischen Wert von Omega-3-FS
werden in einem Editorial von E. Brunner aus London (5) vertieft.
Die Validität dieser Metaanalyse wird von einigen
Ernährungsexperten wegen folgender Punkte jedoch angezweifelt:
1.
Die Nurses’ Health Study und die
Physicians’ Health Study wurden nicht einbezogen.
2.
Studien mit erhöhter
Omega-3-FS-Zufuhr im Rahmen einer natürlichen Ernährung, z.B. die Lyon Heart
Study (6, 7) und die Indo-Mediterranean Heart Study (8), wurden nicht
berücksichtigt.
3.
Die Definition der Endpunkte ist
nicht präzise genug, denn Omega-3-FS beeinflussen günstig primär nur die
Häufigkeit des kardialen Tods durch Arrhythmien, nicht aber die gesamte
Letalität. Dadurch wird die Bezugsgröße ”gesamte Letalität” statistisch
”verdünnt”. Die Reduzierung von 13% (RR = 0,87) ist unter diesen Bedingungen
gar nicht so schlecht und nur wegen der Heterogenität der Studien nicht
signifikant.
4.
In dieser Metaanalyse spielt die
DART-Studie (9) eine zentrale Rolle. Diese leidet aber unter erheblichen
Schwachpunkten (Non-Compliance und ”Drop-outs”).
5.
Es wurden keine Daten
berücksichtigt, die die Blutspiegel von Eicosapentaënsäure (EPA) und
Docosahexaënsäure (DHA) mit klinischen Endpunkten korrelieren.
Fazit:
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind essentielle Nahrungsbestandteile für
Menschen und Säugetiere. Der hier besprochene Review-Artikel ergab - im
Gegensatz zu früheren Studien und Metaanalysen - keinen sicheren Hinweis
auf eine Verminderung der Letalität oder kardiovaskulärer Ereignisse durch
Verzehr erhöhter Mengen von Omega-3-FS, die besonders in fetten Seefischen
enthalten sind. Oft sind diese Fische aber erheblich mit potenziell
kanzerogenen Schadstoffen und Quecksilber-Verbindungen kontaminiert, so dass
von mehr als zwei Mahlzeiten pro Woche eher abzuraten ist.
Literatur
-
Bucher, H.C., et al.: Am. J. Med.
2002, 112, 298.
-
AMB 2003, 37, 8b und 47b.
-
Hooper, L., et al.:
BMJ 2006, 332, 752.
-
Burr, M.L., et al.: Eur.
J. Clin. Nutr. 2003, 57, 193.
-
Brunner, E.: BMJ 2006, 332, 739.
-
de Lorgeril, M., et al. (Lyon Diet Heart Study): Circulation 1999, 99, 779; s.a. AMB 1999, 33, 73; 74 und 75a.
-
de Lorgeril, M., et al. (Lyon Diet Heart Study): Lancet 1994, 343, 1454.
-
Singh, R.B., et al.
(Indo-Mediterranean Diet Heart Study): Lancet 2002, 360, 1455.
-
Ness, A.R., et al. (DART = Diet And Reinfarction
Trial): Eur. J. Clin. Nutr. 2002, 56, 512.
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