Die Differenzialindikation zwischen Hemmung der
Thrombozytenaggregation oder Antikoagulation wird bei Patienten mit
Vorhofflimmern nach dem Risiko für thromboembolische Komplikationen und
gegebenenfalls vorhandenen Kontraindikationen entschieden. Ein erhöhtes Risiko
haben z.B. Patienten mit Zustand nach Schlaganfall, Myokardinfarkt,
Herzinsuffizienz, Zustand nach Herzoperationen oder arterieller Embolie. Solche
Patienten sollten - wenn Kontraindikationen fehlen - auch in höherem
Lebensalter antikoaguliert werden (1, 2).
Es stellt sich die Frage, ob mit den heutigen
Möglichkeiten zur doppelten Hemmung der Thrombozytenaggregation von dieser
Regel abgewichen werden kann, um den Patienten die Unannehmlichkeiten und
Gefahren der Antikoagulation zu ersparen. Daher wurde mit Unterstützung von
Sanofi und Bristol-Myers Squibb die Active-W Studie durchgeführt (3).
Eingeschlossen in die multizentrische, kontrollierte,
randomisierte Studie wurden 6706 Patienten mit Vorhofflimmern und zusätzlich
höherem Lebensalter (> 75 Jahre), Hypertonie, früherem Schlaganfall,
peripherer Embolie oder Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion < 45%), die der
Antikoagulation zustimmten. Sie wurden entweder antikoaguliert (INR 2-3), in
der Regel wohl mit Warfarin (daher Active W), oder mit Clopidogrel (Iscover®,
Plavix®; 75 mg/d) plus Azetylsalizylsäure (ASS; 75-100 mg/d)
behandelt. Patienten, die die Antikoagulation ablehnten, erhielten stattdessen
ASS. Diese Gruppe wurde in der Active-A-Studie gesondert ausgewertet (noch
nicht abgeschlossen). Alle Patienten der Active-A- und Active-W-Gruppe wurden
zusätzlich stratifiziert in zwei Gruppen, die entweder Irbesartan (Aprovel®,
Karvea®) oder Plazebo enthielten (Active I; ebenfalls noch nicht
abgeschlossen).
Primärer Endpunkt der Beobachtung war erster
Schlaganfall, Myokardinfarkt, periphere Embolie oder Tod wegen einer
Gefäßerkrankung. Größere Blutungen waren solche, die mehr als zwei
Blutkonserven erforderlich machten oder klinisch bedrohlich waren. Bedrohliche
Blutungen waren solche, die mehr als vier Blutkonserven oder eine Operation
notwendig machten, mit Hypotension verbunden waren oder intrakranielle
Blutungen. Nach einer mittleren Laufzeit von 1,28 Jahren wurde die Studie
abgebrochen, weil sich bei einer Zwischenauswertung nach vorher festgelegten
Kriterien eine klare Überlegenheit der Antikoagulation zeigte (s. Tab. 1).
Es bleibt also bei den bisherigen Empfehlungen zur
Antikoagulation bei Vorhofflimmern. Die intensivierte Hemmung der
Thrombozytenaggregation ist keine Alternative. Es ist erfreulich, dass die von
Sanofi und Bristol-Myers Squibb unterstützte Studie im Lancet veröffentlicht
worden ist, obwohl sie den Umsatz der Firmen nicht fördert. Bei der Konzeption
der Studie hatte man sicher einen umgekehrten Ausgang erhofft, vielleicht auch
unterstützt. Z.B. sind die Einschlusskriterien so formuliert (z.B. auch
Vorhofflimmern plus Hypertonie), dass eine relativ niedrige Ereignisrate
erwartet werden musste. Bei niedrigen Ereignisraten nähern sich die
prophylaktischen Effekte von Antikoagulation und Hemmung der
Thrombozytenaggregation einander an (vgl. z.B. 2). Untergruppenergebnisse
werden nicht mitgeteilt. Man muss sich fragen, ob es überhaupt ethisch
vertretbar war, dass Patienten mit Vorhofflimmern und Hypertonie ohne sonstige
Risikofaktoren für eine Thromboembolie antikoaguliert wurden und warum das
geschah. Wie dem auch sei, die Studie wurde so durchgeführt und veröffentlicht.
Fazit: Das
Ergebnis der ACTIVE-W-Studie ist eindeutig. ASS plus Clopidogrel ist keine
Alternative zur Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern und
zusätzlichen Risikofaktoren für thromboembolische Komplikationen.
Literatur
-
SPAF III = Stroke Prevention
in Atrial Fibrillation III: Lancet 1996, 348, 633; s.a.
AMB 1997, 31, 30.
-
Hellemons, B.S., et al.: BMJ
1999, 319, 958; s.a. AMB 1999, 33, 93a.
-
Conolly, S., et al. (ACTIVE W = Atrial fibrillation Clopidogrel
Trial with Irbesartan for prevention of Vascular Events
W): Lancet 2006, 367, 1903.
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