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Leserbrief: Schemata der Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Fragen von Dr. C.W. aus Bogen: >> Als Anlage sende ich Ihnen eine Impfempfehlung der Firma Baxter für FSME-IMMUN Erwachsene und FSME-IMMUN Junior. Für mich war neu die Empfehlung einer vollständig neuen Grundimmunisierung bei größeren Impflücken nach der 2. Teilimpfung. Ist diese Impfempfehlung rational begründet oder lediglich ein Marketingtrick der Firma? <<

Antwort: >> Zunächst danken wir Ihnen für Ihre Frage, weil sie auch als Anregung zu verstehen ist für kritisches Mitdenken und Aufspüren von schleichenden Abweichungen von der gültigen Lehrmeinung aus welchen Gründen oder Beweggründen auch immer.

Die Lehrmeinung über Wiederholungs- bzw. Auffrischimpfungen kann man in der neuesten Auflage des DGPI-Handbuchs (1) auf Seite 33 nachlesen: „Es gibt keine unzulässig großen Abstände zwischen Impfungen. Jede Impfung gilt. Auch eine für viele Jahre unterbrochene Grundimmunisierung muss nicht neu begonnen werden!”

Der Impfmodus gibt häufig Anlass zu Fragen. Bekanntlich sind zwei unterschiedliche Impfschemata möglich. Das Standard-Schema (0, 1-3, 9-12 Monate mit Auffrischung alle drei Jahre) wird in der Literatur einheitlich angegeben (3, 4, 5). Für die so genannte Schnell-Immunisierung findet man dagegen unterschiedliche Empfehlungen wie: 0, 7, 21 Tage mit Booster nach 12-18 Monaten (3) oder: 0, 14 Tage mit Booster nach 5-12 Monaten für FSME-IMMUN Erwachsene bzw. 9-12 Monate für FSME-IMMUN Junior (6).

Die von Ihnen kritisierten Empfehlungen einer „neuen Grundimmunisierung bei irregulären Impfabständen”, die Sie kopiert aus „Baxter – Der FSME-Spezialist” beigefügt haben, konnten wir in einer offenbar älteren Ausgabe der gleichen Firmenbroschüre (6) nicht finden. Auch in der Impfliteratur (1, 2, 4, 5) gibt es dazu keine Ausführungen. Lediglich bei Kollaritsch et al. (3) kann man lesen: „Auffrischimpfungen sind in dreijährigen Intervallen empfohlen. Wird ein Impftermin versäumt, genügt eine einmalige Wiederimpfung, wenn zwischen der 1. und 2. Teilimpfung bzw. einer Auffrischungsimpfung nicht mehr als acht Jahre liegen. Werden diese Intervalle überschritten, muss entweder wieder neu begonnen, oder, was vorzuziehen ist, eine Boosterimpfung gegeben und der Impferfolg frühestens 14 Tage später durch einen spezifischen Antikörpernachweis überprüft werden.”

Aus heutiger immunologischer Sicht ist jedoch eine erneute Grundimmunisierung nicht gerechtfertigt und auch nicht zu empfehlen (7).

Der Firmen-Autor der von Ihnen zu Recht kritisierten Empfehlung erneuter Grundimmunisierungen schränkt diese übrigens selbst ein, indem er schreibt, diese Empfehlungen seien „nicht Bestandteil der Zulassung” und könnten „im Rahmen der Therapiefreiheit des Arztes” befolgt werden. Weiterhin gibt er zu, dass „zum Vorgehen bei irregulären FSME-Impfabständen keine Erkenntnisse aus prospektiven, kontrollierten, randomisierten, klinischen Studien” vorlägen. Ein Firmenmitarbeiter sollte derartige, wissenschaftlich nicht begründete Empfehlungen nicht geben, bevor die von ihm selbst genannte „Expertenkommission” ihre Arbeits- und Beratungsergebnisse vorgelegt hat, um nicht in den Verdacht unseriöser Informationen aus kommerziellem Interesse der eigenen Firma zu kommen. <<

Literatur

  1. DGPI-Handbuch – Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. 4. Auflage, Futuramed Verlag, München 2003.
  2. Heininger, U.: Impfratgeber – Impfempfehlungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. UNI-MED, Bremen, London, Boston 2001.
  3. Kollaritsch, H., und Wiedermann, G. (Hrsg.): Leitfaden für Schutzimpfungen. Springer, Wien, New York 2000.
  4. Schmitt, H.J., Hülße, C., Raue, W. (Hrsg.): Schutzimpfungen. INFOMED, Berlin 2003.
  5. Spiess, H. (Hrsg.): Impfkompendium. Thieme, Stuttgart, New York 1999.
  6. FSME-IMMUN – der Impfschutz vor FSME. Baxter – Der FSME-Spezialist.
  7. Hofmann, F.: Geimpft. Geschützt. Gesund. Informationen rund um’s Impfen. Ecomed 1995.