Zusammenfassung:
Die akute Meningitis ist ein medizinischer Notfall, der rasches und
evidenzbasiertes Handeln erfordert. Sie hat trotz der Fortschritte in
Diagnostik und Therapie immer noch eine hohe Letalität. In Europa und
Nordamerika ist Streptococcus pneumoniae der häufigste Erreger der
bakteriellen Meningitis. Daneben gibt es eine Reihe anderer Erreger,
insbesondere bei der zunehmenden Zahl immungeschwächter Patienten, die
teilweise eine spezielle Therapie erfordern. Bei jedem Verdacht auf infektiöse
Meningitis sollte vor der antibiotischen Therapie die Abnahme von Blutkulturen
und die Gewinnung von Liquor für die Erregerdiagnostik angestrebt werden. Von
diesem Vorgehen sollte nur in Ausnahmesituationen abgewichen werden. Eine
europäische, multizentrische, verblindete, plazebokontrollierte, randomisierte
Studie, in die über neun Jahre 301 Patienten eingeschlossen wurden, ergab, dass
Dexamethason (20 Minuten vor bzw. gleichzeitig mit dem Antibiotikum vier Tage
lang gegeben) bei Patienten mit Pneumokokkenmeningitis die Letalität von 34%
auf 14% und bleibende neurologische Defizite von 52% auf 14% senkt (1).
Einleitung: Trotz neuerer Entwicklungen der Antibiotikatherapie
bleibt die bakterielle Meningitis mit einer hohen Letalität und einer hohen Rate
an neurologischen Spätfolgen behaftet (2, 3). Die jährliche Inzidenz in
Industrieländern liegt bei 2,6-6 Fällen pro 100000 Einwohnern, in
Entwicklungsländern wird die Inzidenz zehnmal höher eingeschätzt (4). Die
schnelle Entwicklung meningealer Symptome innerhalb von Stunden bis wenigen
Tagen grenzt das Bild der akuten Meningitis vom Krankheitsbild der chronischen
Meningitis und der Enzephalitis (Bewusstseinsstörungen ohne Meningismus) ab.
Die Ätiologie der akuten Meningitis ist vielfältig. Die virale ist wesentlich
häufiger als die bakterielle Genese. Enteroviren sind die häufigste virale
Ursache einer akuten Meningitis. Neben den infektiologischen Ursachen müssen
auch maligne, immunologische und neurologische Erkrankungen
differenzialdiagnostisch bedacht werden.
Meist sind es aber die
bakteriellen Meningitiden, die am schwersten verlaufen. In den letzten Jahren
kam es durch Einführung der Impfung gegen Haemophilus influenzae bei
Kindern zu einem deutlichen Rückgang der durch diesen Erreger bedingten Meningitiden.
Hierdurch bedingt, erhöhte sich das mediane Erkrankungsalter von 15 Monate auf
25 Jahre im Zeitraum von 1986-1995 in den USA, und als häufigster ambulant
erworbener Erreger einer bakteriellen Meningitis wurde H. influenzae von
S. pneumoniae abgelöst (3, 4). Die durch S. pneumoniae
verursachte Meningitis ist ein ernsthaftes klinisches Problem mit einer noch
heute hohen Letalität von 16-37% und bleibenden neurologischen Schäden bei
30-52% (5). Eine Zunahme Beta-Lactam-resistenter Pneumokokken (in Deutschland
wurde im Jahr 2000 von 5,8% berichtet; 6) kann die Therapie erschweren.
Im Vergleich zur
ambulant erworbenen akuten bakteriellen Meningitis haben nosokomial erworbene
Meningitiden häufig eine andere Genese. So sind hier bei den bakteriellen Ursachen
Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa mit bis zu 40% und
Staphylokokken mit bis zu 20% am häufigsten. Bei Patienten mit ausgeprägter
Immunsuppression muss auch vermehrt mit Listeria monocytogenes und Cryptococcus
neoformans gerechnet werden (7). Durch die geschilderten Entwicklungen hat
sich das Management von Patienten mit akuter bakterieller Meningitis deutlich
geändert.
Klinische
Symptome: Bei nicht
immunsupprimierten Erwachsenen steht die bekannte Trias von Fieber,
Nackensteifigkeit und Vigilanzstörung im Vordergrund. Bei einer retrospektiven
Auswertung von Erwachsenen mit akuter bakterieller Meningitis kam heraus, dass
zu Beginn der Erkrankung nur zwei Drittel alle drei Symptome hatten, jedoch alle
eines dieser drei Symptome (7). Aus dieser wie auch aus der europäischen Studie
(3) kann man schließen, dass eine akute bakterielle Meningitis bei Patienten
ohne mindestens eines dieser Symptome sehr selten ist. Anders ist es bei
Kindern, besonders bei Früh- und Neugeborenen, sowie bei geriatrischen oder
immunsupprimierten Patienten. Bei ihnen können die klassischen
Meningitiszeichen häufiger fehlen, so dass man die Indikation zur
Lumbalpunktion bei dieser Patientengruppe schon stellen sollte, wenn ein unklares
fieberhaftes Krankheitsbild nicht mit einem Zeichen der klassischen Trias,
sondern nur mit heftigen Kopfschmerzen oder Hirnnerven-Lähmungen,
Krampfanfällen oder petechialen Effloreszenzen verbunden ist. Wichtig ist, dass
immer an die Diagnose gedacht wird, auch bei der im Zweifelsfall unbedingt
notwendigen Nachuntersuchung solcher Patienten.
Lumbalpunktion: Die Lumbalpunktion ist bei Verdacht auf akute
Meningitis die wichtigste diagnostische Maßnahme. Sie führt mit großer
Treffsicherheit mikroskopisch und/oder bakteriologisch zur Identifizierung des
Erregers. Therapieentscheidungen können sich durch die Ergebnisse komplett
ändern, wenn z.B. seltene Erreger, wie Mykobakterien oder Kryptokokken,
identifiziert werden. Blutkulturen sind selbst bei den häufigsten bakteriellen
Erregern nur bei ca. 50% der Patienten ergiebig (8, 9). Die Komplikationsrate
der Lumbalpunktion ist gering. Bei computertomographisch nachgewiesenen
Hirndruckzeichen wird zurzeit von einer neurologischen Verschlechterung durch
eine Lumbalpunktion von maximal 12% ausgegangen (10). Eine kraniale
Computertomographie sollte daher bei Patienten mit einem erhöhten Risiko (Tab.
1) vor der Lumbalpunktion durchgeführt werden (11). Bei Ausschluss dieser
Risikokonstellationen kann die Lumbalpunktion im Einklang mit den aktuellen
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sofort ohne vorherige
Computertomographie des Schädels durchgeführt werden. Die Basisdiagnostik des
Liquors erlaubt in den meisten Fällen schon eine erste Einschätzung hinsichtlich
der Genese der Meningitis (Tab. 2). Mit der Gram-Färbung des Liquorpräparats
können häufig Bakterien mikroskopisch sichtbar gemacht werden. Spezialfärbungen
für den Nachweis säurefester Stäbchen (Ziehl-Neelsen) und Cryptococcus neoformans (Tusche) können bei entsprechender Risikokonstellation direkt
angeschlossen werden. Mit der mikroskopischen Untersuchung des Liquors bekommt
man schnell erste Hinweise auf die Genese der Meningitis, die die Therapie
entscheidend beeinflussen können.
Mittels
immunologischem Antigennachweis im Liquor können folgende Erreger erkannt
werden: Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae (Typ B) und Cryptococcus
neoformans. Virale Erreger
können mittels PCR-Technik nachgewiesen werden (z.B. Herpesviren, JC, HIV). Bei
Verdacht auf tuberkulöse Meningitis sollte neben der üblichen bakteriellen
Kultur auch eine spezielle für Mykobakterien angelegt werden.
Allgemeine
Gesichtspunkte zur Therapie: Die
akute bakterielle Meningitis ist ein medizinischer Notfall, der schnelles und
evidenzbasiertes Handeln erfordert. Obwohl es bisher keine prospektiven Daten
zur Verschlechterung der Prognose durch einen verzögerten Beginn der Therapie
gibt, sind sich doch alle Experten darin einig, dass möglichst rasch mit der
Therapie begonnen werden sollte. In Deutschland dürfte es bei der Dichte der
medizinischen Versorgung möglich sein, einen Patienten mit Verdacht auf
bakterielle Meningitis innerhalb von 1-2 h in eine Einrichtung zu bringen, in
der eine Lumbalpunktion durchgeführt werden kann. Insbesondere bei dem
häufigsten ambulant erworbenen bakteriellen Erreger der akuten Meningitis, S. pneumoniae, ist die Gabe von Dexamethason 20 Minuten vor oder spätestens
zusammen mit der ersten Gabe des Antibiotikums für die Prognose des Patienten
von entscheidender Bedeutung. Wenn der Patient rasch in ein Krankenhaus
gebracht werden kann, ist die Gabe von Antibiotika vor der Lumbalpunktion (z.B.
bereits durch den Hausarzt) übereilt und bedenklich, da eine spätere Zugabe von
Dexamethason den klinischen Verlauf nicht mehr positiv beeinflusst. Auch können
bei 81%-93% der Patienten mit Pneumokokken-Meningitis die Erreger im
mikroskopischen Liquorpräparat (Gramfärbung) sofort gesehen werden (5). Mit dem
Ergebnis der Blutkultur ist wesentlich später zu rechnen. Es kommt also für die
erforderlich frühe Gabe von Dexamethason zu spät.
Bei
hochgradigem Verdacht auf eine durch Neisseria meningitidis verursachte
Meningitis (Meningismus, Vigilanzstörung, typisches petechiales Exanthem) kann
eventuell vom üblichen Vorgehen abgewichen werden und bereits vom Haus- oder
Notarzt eine intravenöse Therapie mit Penicillin G oder einem Cephalosporin
eingeleitet werden. Gesicherte Daten gibt es hierzu allerdings nicht.
Therapie
bei Erwachsenen: Es besteht
Einigkeit darüber, dass unmittelbar nach der Liquorpunktion mit einer
empirischen Therapie begonnen werden sollte. Gibt es Hinweise für eine
bakterielle Meningitis (s. Tab. 2) oder sogar den direkten mikroskopischen
Nachweis des Erregers, wird vor oder zusammen mit der antibiotischen Therapie
Dexamethason verabreicht (10 mg, gefolgt von täglich viermal 10 mg vier Tage
lang). Sollte sich im Verlauf der Verdacht auf eine Pneumokokken-Meningitis
entkräften, kann die Dexamethason-Therapie nach 48 h abgesetzt werden. Zur
empirischen antiinfektiösen Therapie werden Antibiotika empfohlen, die gegen
die häufigsten potenziell gefährlichen Meningitis-Erreger wirksam sind. Das
bedeutet bei nicht-immunsupprimierten Erwachsenen: Ceftriaxon (zweimal 2 g/d)
gegen S. pneumoniae und N. meningitidis und Ampicillin (sechsmal
2 g/d) gegen L. monocytogenes. Zusätzlich sollte unseres Erachtens bis
zum Ausschluss einer Herpes-Virus-Infektion (PCR negativ bzw. anderer Erreger
entdeckt) Aciclovir gegeben werden (dreimal 10-12,5 mg/kg). Wenn kein Erreger
gefunden wird, aber auf Grund des Liquorbefunds der Verdacht auf eine
bakterielle Meningitis besteht, sollte die antibiotische Therapie 14 Tage lang
durchgeführt werden. Bei Nachweis eines Erregers sollte das Schema gezielt umgesetzt
werden (Tab. 3). Bei Pneumokokken-Meningitiden können Probleme auftreten, wenn
die Resistenzlage des Erregers den Einsatz von Vancomycin erforderlich macht.
Die Durchlässigkeit der Blut-Hirnschranke wird nämlich durch die
antiinflammatorische Wirkung von Dexamethason vermindert, und Vancomycin kommt
in geringerer Menge am Zielort, den Meningen, an.
Isolierung,
Meldepflicht, Postexpositionsprophylaxe: Grundsätzlich sollten alle Patienten mit akuter Meningitis zunächst
isoliert werden. Das heißt, sie sollten in einem separaten Raum, der mit
Nasen/Mund-Maske, Handschuhen und Überkittel betreten wird, behandelt werden.
Die Isolierung kann meistens wenige Tage nach Beginn der Therapie wieder
aufgehoben werden. Der Verdacht auf Meningokokken-Meningitis (er wird
verstärkt, wenn die Meningitis mit petechialem Exanthem einhergeht) ist
meldepflichtig. Personen, die im selben Haushalt mit einem Patienten mit
Meningokokken-Meningitis leben, haben ein bis zu 4000-fach höheres relatives
Risiko für eine Infektion im Vergleich zur Normalbevölkerung; das absolute
Risiko ist jedoch weiterhin gering (12). Daher wird eine Chemoprophylaxe nur
für solche Personen empfohlen, die engen Kontakt zum erkrankten Patienten im
Zeitraum 10 Tage vor bis 24 h nach Therapiebeginn hatten (13). Als enger
Kontakt gilt das Leben im gleichen Haushalt, Schlafen im gleichen Zimmer, für
Kinder bis zu sechs Jahren die Teilnahme an Kindergruppen oder direkter Kontakt
mit Nasen- oder Rachensekret (z.B. Küssen, Reanimation, Intubation oder nasotracheales
Absaugen; 13, 14). Die Chemoprophylaxe kann bei Erwachsenen mit Ciprofloxacin
(500 mg per os einmalig) erfolgen oder mit Rifampicin (zweimal 600 mg/d zwei
Tage lang). Kinder sollten Rifampicin erhalten (zweimal 10 mg/kg/d zwei Tage
lang).
Impfungen: Auf die Wirksamkeit der Impfung gegen H.
influenzae wurde oben bereits hingewiesen. Eine Impfung gegen S.
pneumoniae steht zur Verfügung und wird bei bestimmten Risikopatienten
(z.B. nach Splenektomie, in höherem Lebensalter, neuerdings auch bei Kleinkindern;
15) empfohlen. Die zurzeit zugelassenen und empfohlenen Impfstoffe gegen N. meningitidis umfassen allerdings nur die Serogruppen A, C, Y und W-135,
nicht aber die Serogruppe B, die gerade in Europa und Nordamerika einen
Großteil der Meningokokken-Meningitiden ausmachen. An Impfstoffen, die auch die
Serogruppe B von N. meningitidis erfassen, wird zurzeit gearbeitet. Eine
gründliche Recherche zum Stand der Impfung gegen N. meningitidis findet
sich in einer aktuellen Publikation des N. Engl. J. Med. (14).
Literatur
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de Gans, J., et al.: N.
Engl. J. Med. 2002, 347, 1549 .

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van de Beek, D., et al.:
N. Engl. J. Med. 2004, 351, 1849 .

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Schuchat, A., et al.: N.
Engl. J. Med. 1997, 337, 970 .

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Weisfelt, M., et al.:
Lancet Neurol. 2006, 5, 332 .

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Reinert, R.R., et al.: J.
Antimicrob. Chemother. 2002, 49, 61 .

-
Durand, M.L., et al.: N.
Engl. J. Med. 1993, 328, 21 .

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Talan, D.A., et al.: Rev.
Infect. Dis. 1988, 10, 365 .

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Coant, P.N., et al.:
Pediatr. Emerg. Care 1992, 8, 200 .

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Korein, J., et al.:
Neurology 1959, 9, 290 .

- Hasbun, R., et al.: N.
Engl. J. Med. 2001, 345, 1727 .

- Riedo, F.X., et al.: Pediatr. Infect. Dis. J. 1995, 14, 643 .

- Empfehlungen der ständigen
Impfkommission am Robert Koch-Institut, Stand: Juli 2003. Epidemiol. Bull. 2003, 32, 245.
- Ehrenstein, B.P., et al.: Med. Klin.
2005, 100, 325 .
Erratum: Med. Klin. 2005, 100, 452.
- Gardner, P.: N. Engl. J. Med.
2006, 355, 1466 .

- Empfehlungen der ständigen
Impfkommission: Epidemiol. Bull.
2006, 31, 255.
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