Vor zwei Jahren haben wir über unlautere „Antiaging”-Werbung
berichtet (1). In den USA, aber auch in Europa, ist eines der meistbeworbenen
und am häufigsten eingenommenen Mittel, das den Alterungsprozess aufhalten
soll, Dehydroepiandrosteron (DHEA), ein Hormon, das als solches und als
sulfatiertes Konjugat (DHEA-S) in großen Mengen von der menschlichen
Nebennierenrinde (NNR) sezerniert wird. In der Körperperipherie wird es in
geringen Mengen in Testosteron und in Östrogene umgewandelt. Möglicherweise hat
DHEA auch eigene psychotrope Effekte im Gehirn. Bei Patienten mit hochgradiger
NNR-Insuffizienz sind die DHEA-Blutspiegel extrem niedrig, und die Substitution
mit DHEA-Tabletten hat einen mäßig positiven Effekt auf den Kräftezustand und
das sexuelle Interesse der Patienten, obwohl die Substitution von Hydrokortison
und Aldosteron viel wichtiger ist (2, 3, 4). Bei gesunden alten Menschen ist
die DHEA- und DHEA-S-Konzentration im Blut niedriger als bei jungen Menschen, aber
deutlich höher als bei NNR-Insuffizienz. Diese Beobachtung führte zu der
Hypothese, dass die „Substitution” von DHEA Alterungsprozesse verlangsamen
könne. Wie problematisch solche Hypothesen sind, haben wir kürzlich im Hinblick
auf die „Hormonersatz-Therapie” bei postmenopausalen Frauen besprochen (5).
Während bei Frauen nach der Menopause die Östradiolkonzentration
im Blut sehr viel niedriger ist als in den letzten drei Vierteln des
Menstruationszyklus, fällt bei Männern die Testosteronkonzentration im Blut mit
dem Alter nur allmählich ab, ist aber bei alten Männern im Mittel niedriger als
bei jungen. Auch hier wurde versucht, durch Testosteron-„Substitution” bei
älteren Männern ohne nachgewiesenen Hypogonadismus Antiaging zu betreiben.
Sowohl die DHEA- als auch die Testosteronbehandlung älterer Menschen ohne endokrine
Insuffizienzen ist nicht evidenz-basiert. Bei DHEA kommt als Problem hinzu,
dass es in den USA nicht als Medikament, sondern als Nahrungsergänzungsmittel
rezeptfrei verkauft werden darf und keiner Qualitätskontrolle durch die
Gesundheitsbehörden unterliegt. Man kann es auch in Deutschland auf Privatrezept
verordnen und importieren lassen.
Um zu überprüfen, ob die Gabe von DHEA bei älteren
Männern und Frauen und die niedrig dosierte Applikation von Testosteron bei
Männern einen positiven Effekt auf Körper und Psyche hat, führten
Wissenschaftler der Mayo-Clinic in Rochester, USA, zusammen mit italienischen
Statistikern eine plazebokontrollierte Studie an 87 älteren Männern und 57
älteren Frauen durch (6). Die Studie wurde vom US National Institute of Health
und von der Mayo Clinic Foundation finanziert. Die Probanden durften keine
schwereren Krankheiten haben, keine Hormone anwenden und mussten älter als 60
Jahre sein. Bei den Männern durften der PSA-Wert nicht erhöht und die Prostata
nicht wesentlich vergrößert sein. Das mediane Alter der verglichenen Gruppen
lag bei 68-70 Jahren. Die DHEA-S-Konzentration im Blut musste unter der 15.
Percentile eines jungen Probandenkollektivs (18-31 Jahre alt) liegen, und die
bioverfügbare (freie) Testosteronkonzentration der Männer durfte ein bestimmtes
relativ niedriges Limit nicht überschreiten, ohne dass die Diagnose eines
Hypogonadismus gestellt werden musste.
Die Intervention bestand in der oralen Einnahme von
70 mg DHEA/d bei Männern und von 50 mg/d bei Frauen. Eine andere Gruppe von Männern
klebte täglich ein Testosteron-Pflaster mit 5 mg auf die Haut. Annähernd gleich
große Parallelgruppen wurden doppeltblind mit Plazebo-Tabletten bzw. -Pflastern
behandelt. Die Interventionsdauer war zwei Jahre. Untersucht wurde der Effekt
der Interventionen auf körperliche Leistungsfähigkeit, Körperzusammensetzung,
Knochendichte, Glukosetoleranz und „Lebensqualität”. Bei den Männern wurden
auch das PSA und das Prostatavolumen vor und nach Behandlung gemessen.
Bei beiden Geschlechtern stiegen in den DHEA-Gruppen
die DHEA-S-Werte in den hohen Normalbereich junger Probanden an. Das
bioverfügbare Östradiol stieg ebenfalls bei beiden Geschlechtern und das
bioverfügbare Testosteron bei Frauen signifikant an. Die Testosteronpflaster
führten bei den Männern nach einem Jahr und nach zwei Jahren zu einer knappen
Verdopplung der bioverfügbaren Testosteronkonzentrationen im Blut, ohne im
Mittel den Normbereich junger Männer zu erreichen. In den Plazebo-Gruppen
änderten sich die Hormonkonzentrationen nicht signifikant.
Bei den Männern der Testosterongruppe, aber in keiner
anderen Gruppe, nahm die fettfreie Körpermasse leicht aber signifikant zu. In
keiner der Verum-Gruppen nahm der maximale Sauerstoffverbrauch während eines
Laufband-Belastungstests im Vergleich mit Plazebo zu, ebenso wenig die Kraft
des Quadriceps-Muskels und anderer Muskelgruppen. Die Knochendichte nahm bei Frauen
unter DHEA nur an der distalen Ulna und bei Männern unter DHEA und Testosteron nur
am Schenkelhals signifikant zu, aber viel weniger als es z.B. nach Behandlung mit
Bisphosphonaten (oder bei Frauen mit Östrogenen) beobachtet wird. Der
Nüchtern-Blutzucker und die Insulin-Sensitivität änderten sich nicht. Unter
DHEA fiel bei Männern und Frauen das Serum-HDL-Cholesterin etwas ab. Die
mittels standardisierter Tests erfragten Aspekte der körperlichen und
psychischen Lebensqualität waren nach zwei Jahren Behandlung mit Hormonen nicht
von denen der Plazebo-Gruppen verschieden. UAW traten selten und in den Verum-
und Plazebo-Gruppen gleich häufig auf. Bei den Männern änderten sich PSA und
Prostatavolumen unter Verum nicht stärker als unter Plazebo.
Die Autoren halten die als positiv zu wertenden
Effekte der Behandlung für nicht bedeutungsvoll, einschließlich der leichten
Zunahme der Knochendichte an der Ulna bei Frauen und am Schenkelhals bei
Männern. Dieser Meinung ist auch der Autor eines im gleichen Heft erschienenen
Kommentars zu der Studie, P.M. Stewart aus Birmingham (7).
Fazit: Die
orale Applikation von DHEA in Dosen, die den Blutspiegel von DHEA-Sulfat in den
hoch-normalen Bereich junger Erwachsener anheben, hat keinen klinisch
bedeutsamen positiven somatischen oder psychotropen Effekt bei gesunden älteren
Menschen. Das gleiche trifft zu für niedrig dosiertes transkutanes Testosteron
bei gesunden älteren Männern.
Literatur
-
AMB 2004, 38,
47b.
-
AMB 1999, 33,
87.
-
AMB 2001, 35,
61a.
-
AMB 2002, 36,
16b.
-
AMB 2006, 40,
57.
-
Nair, K.S., et al.: N.
Engl. J. Med. 2006, 355, 1647.
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Stewart, P.M.: N.
Engl. J. Med. 2006, 355, 1724.
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