Zusammenfassung: Invasive Pilzinfektionen sind eine
häufige Komplikation bei Patienten mit Tumorerkrankungen, insbesondere mit
hämatologischen Neoplasien und nach allogener Stammzell-Transplantation und
wesentlich verantwortlich für die Morbidität und Letalität unter lang
anhaltender, schwerer Neutropenie (1-4). Bei den Patienten, die nach allogener
Stammzell-Transplantation eine „Graft-versus-Host Disease” (GVHD) entwickeln,
kann das Risiko einer invasiven Pilzinfektion noch für längere Zeit erhöht
bleiben (3). Es wurden deshalb in den letzten 25 Jahren zahlreiche klinische
Studien durchgeführt mit dem Ziel, invasive Pilzinfektionen durch eine
medikamentöse antimykotische Prophylaxe zu reduzieren. Da invasive
Pilzinfektionen nicht leicht zu diagnostizieren sind, waren auch die klinisch
relevanten Endpunkte für die Beurteilung der Wirksamkeit dieser
Therapiestrategie nicht einfach zu definieren. Bisher gibt es nur sehr wenige
Indikationen, bei denen nach intensiver Chemotherapie bzw. allogener
Stammzell-Transplantation die Wirksamkeit einer antimykotischen Chemoprophylaxe
erwiesen ist. Hierzu zählt die Gabe von Fluconazol nach allogener
Stammzell-Transplantation (5-7). Inzwischen stehen neuere Azol-Antimykotika zur
Verfügung, die ein breiteres antimykotisches Spektrum haben (z.B. Itraconazol,
Voriconazol, Posaconazol), und deren Nutzen als antimykotische Chemoprophylaxe
bzw. bei der Behandlung invasiver Pilzinfektionen in randomisierten
kontrollierten Studien (RCT) untersucht wurde. Anfang des Jahres sind zwei RCT
im N. Engl. J. Med. erschienen, in denen die Wirksamkeit von Posaconazol
(Noxafil®) als antimykotische Prophylaxe mit Fluconazol oder
Itraconazol bei Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML),
myelodysplastischem Syndrom (MDS) oder schwerer GVHD nach allogener
Stammzell-Transplantation verglichen wurde (8, 9). Beide Studien wurden von
Schering-Plough finanziell unterstützt. Für Design und Auswertung dieser
Studien waren auch Mitarbeiter des pharmazeutischen Herstellers verantwortlich.
Aufgrund der Ergebnisse dieser Studien hinsichtlich des primären Endpunkts
(Überlegenheit in der Verhinderung bewiesener/wahrscheinlicher invasiver
Pilzinfektionen) wird Posaconazol bereits als Meilenstein in der Prophylaxe
invasiver Mykosen und vom Hersteller, aber auch von beteiligten deutschen
Autoren als bahnbrechender Fortschritt bezeichnet. Deshalb werden die
wesentlichen Ergebnisse beider Studien und offene Fragen zur Prophylaxe
invasiver Mykosen im Folgenden kritisch diskutiert.
Einleitung: Die Inzidenz invasiver Pilzinfektionen ist in den
letzten 20 Jahren stark gestiegen, weil insbesondere immunsupprimierte
Patienten infolge intensiver Chemotherapie oder myeloablativer allogener
Stammzell-Transplantation zugenommen haben. Im Unterschied zu den häufigen invasiven
Pilzinfektionen nach intensiver Chemotherapie bei akuten Leukämien oder
malignen Lymphomen, sind diese bei Patienten mit soliden Tumoren selten. Die Chemotherapie
bei diesen Erkrankungen ist nämlich weniger myelosuppressiv und führt in der
Regel nicht zu lang anhaltenden Neutropenien (> 10 Tage), einem
entscheidenden Risikofaktor für invasive Pilzinfektionen (10-12). Weitere
wichtige Risikofaktoren für invasive, häufig lebensbedrohlich verlaufende
Pilzinfektionen sind heute: die allogene oder autologe Stammzell-Transplantation,
eine längere Therapie mit Glukokortikosteroiden, anhaltende Immunsuppression,
GVHD und begleitende Virusinfektionen (13).
Trotz Auswertung
zahlreicher Studien mit etwa 10.000 Patienten wurde in den Empfehlungen und
Übersichtsarbeiten zur primären antimykotischen Prophylaxe bei neutropenischen
Patienten mit hämatologischen Neoplasien oder soliden Tumoren bis vor kurzem
nur Fluconazol als wirksame medikamentöse Prophylaxe mit hohem Evidenzgrad
identifiziert (10-12). Fluconazol reduzierte bei Hochrisikopatienten nach
allogener Stammzell-Transplantation die Inzidenz systemischer Candida-Infektionen
und verlängerte das Gesamtüberleben bis Tag 110 nach Transplantation. Es wurde
deshalb als Standardtherapie für diese Patientengruppe empfohlen. Demgegenüber
ergaben die klinischen Studien zu anderen antimykotischen Prophylaxen (z.B.
inhalative oder intravenöse Prophylaxe mit Amphotericin B, Prophylaxe mit
anderen Azol-Derivaten, z.B. Itraconazol) widersprüchliche oder häufig negative
Ergebnisse, so dass für diese Wirkstoffe keine generelle Empfehlung im Rahmen
der primären antimykotischen Prophylaxe ausgesprochen werden kann.
Inzwischen
ist die Zahl antimykotisch wirksamer Arzneimittel deutlich gestiegen. Es gibt
jetzt mehrere Wirkstoffe mit guter Wirksamkeit gegen unterschiedliche Pilzarten
und mit deutlich verbessertem Profil hinsichtlich der UAW (s. Tab. 1). Manche
dieser Wirkstoffe, wie z.B. Voriconazol (VFEND®), Posaconazol (Noxafil®)
und Itraconazol (z.B. Sempera®), sind auch oral als Kapseln,
Tabletten oder Lösung verfügbar. Im Unterschied zu Fluconazol sind die neueren
Azol-Derivate gegen Aspergillus-Spezies gut wirksam. Die Rate der
Aspergillus-Infektionen liegt bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien und
bei den oben genannten Risikofaktoren bei 2-14% (3, 14, 15). Am häufigsten
waren diese über die Lunge erworbenen Pilzinfektionen bei Patienten, die wegen
einer GVHD zusätzlich immunosuppressiv behandelt werden mussten (8, 9). Auch
andere, mit Fluconazol nicht ausreichend behandelbare Schimmelpilzarten, wie z.B.
Zygomyceten oder Fusarium-Spezies, können bei diesen Patienten zu lebensbedrohlichen
invasiven Infektionen führen (16, 17). Insofern ist die Verfügbarkeit des neuen
oralen Azol-Derivats Posaconazol zu begrüßen, denn es wirkt sowohl gegen kritische
Candida-Spezies (z.B. C. glabrata, C. tropica) als auch gegen
Aspergillus-Spezies und gegen seltenere, aber gefährliche Pilze, wie
Zygomyceten oder Fusarium-Spezies. Wegen der breiteren antimykotischen
Aktivität war es nahe liegend, Posaconazol in der primären Prophylaxe bei
Patienten mit hämatologischen Neoplasien oder nach allogener Stammzell-Transplantation
zu untersuchen. Die Ergebnisse zweier RCT, die in der Januar-Ausgabe des N.
Engl. J. Med. publiziert wurden, sind auf große Aufmerksamkeit gestoßen, auch
da sie vom pharmazeutischen Hersteller (in Deutschland Essex Pharma) und von
Onkologen bereits als bahnbrechender Fortschritt sowie künftiger Standard in
der antimykotischen Chemoprophylaxe bezeichnet wurden. Wir bewerten im
Folgenden die Ergebnisse dieser RCT und den Stellenwert von Posaconazol im
Rahmen der primären antimykotischen Prophylaxe.
Patienten mit schwerer GVHD nach allogener
hämatopoetischer Stammzell-Transplantation (8): In dieser randomisierten, multizentrischen, doppeltblinden
Studie wurde orales Posaconazol mit Fluconazol als primäre Prophylaxe gegen
invasive Pilzinfektionen bei Patienten verglichen, die wegen einer schweren
GVHD zusätzlich immunsuppressiv behandelt werden mussten. Die in die Studie
eingeschlossenen Patienten waren älter als 13 Jahre und wogen mehr als 34 kg. Bei
allen Patienten war eine allogene hämatopoetische Stammzell-Transplantation
durchgeführt worden und eine akute GVHD im Stadium II bis IV oder eine schwere
chronische GVHD aufgetreten. Die Patienten wurden entweder mit
Glukokortikosteroiden (mindestens 1 mg/kg Körpergewicht in den akuten GVHD-Stadien
oder mindestens 0,8 mg/kg Körpergewicht bei chronischer GVHD) oder mit Antithymozytenglobulin
oder mit einer Kombination aus mindestens zwei anderen Immunsuppressiva
behandelt. Es wurden insgesamt 600 Patienten rekrutiert, von denen 301
Posaconazol und 299 Fluconazol erhielten. Posaconazol wurde als Suspension oral
in einer Dosierung von dreimal 200 mg täglich verabreicht, Fluconazol als
Kapsel in einer Dosis von 400 mg einmal täglich. 112 Behandlungstage nach
Randomisierung wurden als primärer Endpunkt die Inzidenz von
bewiesenen/wahrscheinlichen invasiven Pilzinfektionen und als sekundäre
Endpunkte unter anderem folgende Ereignisse ausgewertet: die Inzidenz
bewiesener/wahrscheinlicher Aspergillosen, die Zeit bis zum Auftreten invasiver
Pilzinfektionen, die Gesamtletalität und die durch Pilzinfektionen bedingte Letalität,
die durch die Studienmedikamente ausgelösten unerwünschten Ereignisse und die Progression
der GVHD. Hinsichtlich des primären Endpunkts zeigte sich kein Unterschied
zwischen Posaconazol und Fluconazol (Inzidenz invasiver Pilzinfektionen 5,3%
vs. 9,0%; p = 0,07). Auch die Gesamtletalität war in beiden Gruppen nicht
unterschiedlich, wobei die durch Pilzinfektionen bedingte Letalität in der
Posaconazol-Gruppe statistisch knapp signifikant (p = 0,046) geringer war (1,0%
vs. 4%). Die unter den Studienmedikamenten aufgetretenen unerwünschten
Ereignisse unterschieden sich nicht wesentlich. Mehr als ein Drittel der
Patienten unterbrachen in beiden Gruppen die antimykotische Chemoprophylaxe
infolge unerwünschter Ereignisse (häufig gastrointestinale Unverträglichkeit
bei GVHD). Nur 46% der Patienten in der Posaconazol- und 41% in der Fluconazol-Gruppe
beendeten die geplanten 16 Wochen der Prophylaxe.
Patienten mit akuter myeloischer Leukämie
(AML) oder myelodysplastischem Syndrom (MDS) unter Chemotherapie (9): In dieser randomisierten,
multizentrischen, offenen Studie erhielten Patienten mit AML oder MDS mit jeder
zytostatischen Induktionstherapie eine primäre antimykotische Prophylaxe
entweder mit Posaconazol oder Fluconazol oder Itraconazol. Die Randomisierung
erfolgte im Verhältnis 1:1 (Posaconazol versus Fluconazol oder Itraconazol),
wobei sich die beteiligten Kliniken aufgrund lokaler Gepflogenheiten für
Fluconazol oder Itraconazol entscheiden konnten. Die antimykotische
Chemoprophylaxe wurde verabreicht bis die Neutropenie überwunden und eine
komplette Remission erreicht war, bis zum Auftreten einer invasiven
Pilzinfektion oder bis 12 Wochen nach Randomisierung. Die in die Studie
eingeschlossenen Patienten waren älter als 13 Jahre und hatten eine
tatsächliche oder erwartete Neutropenie (≤ 500/µl) mindestens sieben Tage
lang. Die Patienten mussten in der Lage sein, eine orale Therapie zu sich zu
nehmen, wobei aber initial eine kurze intravenöse antimykotische Therapie
erlaubt war (< 4 Tage). Es wurden 304 Patienten mit Posaconazol, 240 mit
Fluconazol und 58 mit Itraconazol behandelt. Posaconazol wurde als Suspension
oral in einer Dosierung von dreimal 200 mg täglich verabreicht. Fluconazol
wurde als Suspension in einer Dosis von 400 mg einmal täglich gegeben und Itraconazol
als Suspension in einer Dosierung von dreimal 200 mg täglich. Patienten, die
nicht schlucken konnten, erhielten bis zu 3 Tage lang pro Zyklus das jeweilige
Azol-Derivat intravenös bzw. in der Posaconazol-Gruppe (nur als orale
Suspension verfügbar) Amphotericin B 0,3-0,5 mg/kg Körpergewicht. Der primäre
Endpunkt dieser Studie war die Inzidenz bewiesener/wahrscheinlicher invasiver
Pilzinfektionen während der antimykotischen Prophylaxe. Als sekundäre Endpunkte
wurden unter anderem folgende Ereignisse ausgewertet: das Auftreten einer
invasiven Aspergillose und das Versagen der Prophylaxe, definiert z.B. als
Notwendigkeit einer intravenösen antimykotischen Therapie, Auftreten
unerwünschter Ereignisse und deshalb Absetzen der antimykotischen Prophylaxe. Das
Überleben der Patienten wurde 100 Tage nach Randomisierung ausgewertet.
Analysiert wurden auch das Gesamtüberleben, die Letalität unabhängig von der
Ursache sowie die Pilz-bedingte Letalität. Bewiesene oder wahrscheinliche
invasive Pilzinfektionen, vorwiegend invasive Aspergillosen, traten in der
Posaconazol-Gruppe (sieben Patienten = 2%) signifikant seltener (p < 0,001)
auf als in den anderen beiden Gruppen (25 Patienten = 8%). Nach Berechnungen
der Autoren müssten 16 Patienten mit Posaconazol im Vergleich zu Fluconazol
bzw. Itraconazol behandelt werden, um eine invasive Pilzinfektion zu
verhindern. Eine empirische intravenöse antimykotische Therapie benötigten 81
Patienten in der Posaconazol- (27%) und 112 Patienten (38%) in der Fluconazol-/Itraconazol-Gruppe
(38%; p = 0,004). Während der Beobachtungsdauer der Studie starben 49 Patienten
in der Posaconazol- (16%) und 67 Patienten (22%) in der Kontroll-Gruppe (p = 0,048).
Von den insgesamt 116 Todesfällen wurden 21 als ausgelöst durch eine
Pilzinfektion, 2% in der Posaconazol- versus 5% in der Kontroll-Gruppe,
interpretiert. Die weiteren Todesfälle resultierten aus anderen Komorbiditäten
bzw. Leukämie-assoziierten Komplikationen. Die Inzidenz der
Behandlungs-assoziierten unerwünschten Ereignisse war in beiden Gruppen gleich.
Eine Verlängerung der QT-Dauer trat bei 4% der mit Posaconazol behandelten
Patienten auf. Andere schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden bei 6% der
mit Posaconazol und bei 2% der mit Fluconazol oder Itraconazol behandelten
Patienten beobachtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Patienten, die
Arzneimittel mit möglichen Wechselwirkungen auf Azol-Derivate benötigten, in
dieser Studie ausgeschlossen wurden.
Interpretation der Studien: Zu diesen beiden RCT (6, 7) ist
im N. Engl. J. Med. ein sehr ausgewogenes und auch kritisches Editorial von
holländischen Hämatologen erschienen (14). Den meisten Aussagen dieses
Editorials können wir uns anschließen. Wir fassen deshalb die wesentlichen
Punkte im Folgenden kurz zusammen.
Primäres Ziel beider
Studien war die Beantwortung der Frage, ob Posaconazol wirksamer als andere
Azol-Derivate (Fluconazol, Itraconazol) das Auftreten bewiesener oder
wahrscheinlicher invasiver Pilzinfektionen bei Hochrisikopatienten mit
hämatologischen Neoplasien während zytostatischer Induktionstherapie oder nach
allogener Stammzelltransplantation verhindert. Diese Frage kann, unabhängig
davon, ob diese primäre Prophylaxe tatsächlich benötigt wird, mit ja
beantwortet werden. Bei detaillierter Betrachtung beider Studien fallen jedoch verschiedene
Punkte auf, die deren Aussagekraft wesentlich einschränken. Sie betreffen das
Design beider Studien, die Sicherung der Diagnose invasiver Aspergillosen, die
Verabreichung der Studienmedikamente und die pharmakokinetischen Analysen.
Unklar bleibt z.B., warum die Studie bei Patienten mit schwerer GVHD nach
allogener Stammzell-Transplantation (8) doppeltblind und plazebokontrolliert
durchgeführt wurde und die Studie bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien
nicht (9). In der Studie zur antimykotischen Chemoprophylaxe bei
neutropenischen Patienten mit AML oder MDS basierte der Verdacht auf eine
invasive Aspergillose im wesentlichen auf dem Nachweis des
Galactomannan-Antigens (Zellwandbestandteil von Aspergillus) und wurde nicht
durch eine Anzucht von Aspergillen oder entsprechende histologische Befunde
bestätigt (9). Berücksichtigt man diese nicht bewiesenen Aspergillus-Fälle bei
der Auswertung des primären Endpunktes nicht, verschwindet der statistisch
signifikante Vorteil von Posaconazol hinsichtlich der Verhinderung invasiver
Pilzinfektionen gegenüber Fluconazol bzw. Itraconazol. In die Studie bei
Patienten mit schwerer GVHD nach allogener Stammzell-Transplantation wurden,
obwohl unter den Ein- und Ausschlusskriterien nicht explizit erwähnt,
vermutlich Patienten, die nicht in der Lage waren, eine orale Medikation wie
Posaconazol einzunehmen, ausgeschlossen (8). Daraus resultierte eine Selektion
von weniger kranken Patienten und dies erklärt auch die eher niedrige Inzidenz
invasiver Aspergillosen in der Fluconazol-Gruppe. Leider berichten auch beide
Studien nicht, ob so wichtige Faktoren, wie eine fettreiche Diät oder die
Compliance bei der antimykotischen Prophylaxe, welche die Resorption und andere
pharmakokinetische Eigenschaften der Azol-Derivate ganz wesentlich
beeinflussen, adäquat berücksichtigt bzw. kontrolliert wurden. Patienten, die
mit Posaconazol behandelt wurden, bekamen den Wirkstoff in drei über den Tag
verteilten Dosen, die Patienten, die Fluconazol erhielten, bekamen die Dosis
einmal täglich. Allein hierdurch könnten im Tagesverlauf unterschiedliche
Wirkstoffkonzentrationen erzielt werden. Obwohl in der Studie bei AML oder MDS pharmakokinetische
Analysen bei etwa zwei Dritteln der Patienten und auch bei einigen Patienten in
der Studie nach allogener Stammzell-Transplantation durchgeführt wurden, finden
sich in beiden Publikationen keine Angaben zur Korrelation zwischen
Plasmakonzentrationen der Azol-Derivate und Wirksamkeit der Antimykotika. Es
ist nicht auszuschließen, dass die beobachteten Unterschiede in der
antimykotischen Wirksamkeit ganz wesentlich auf unterschiedliche
Plasmakonzentrationen der verabreichten Wirkstoffe zurückzuführen sind.
Stellenwert der antimykotischen
Chemoprophylaxe: Sollte
in Zukunft allen Patienten mit AML oder MDS, die eine zytostatische
Induktionstherapie erhalten, eine antimykotische Chemoprophylaxe mit
Posaconazol verabreicht werden? Zur Beantwortung dieser Frage ist es wichtig,
zunächst die Inzidenz invasiver Aspergillosen in hämatologischen bzw. onkologischen
Zentren zu betrachten. Sie liegt in Nijmegen, dem hämatologischen Zentrum der
Autoren des Editorials (14), bei nur 4,5%. Dies bedeutet, dass - anders als in
der Studie von O.A. Cornely et al. (9) - mindestens 22 Patienten mit
Posaconazol behandelt werden müssten, um eine Pilzinfektion zu vermeiden. Neben
der Prophylaxe mit Azol-Derivaten existieren heute aber auch wirksame
allgemeine Prophylaxemaßnahmen (z.B. Beseitigung von Pflanzen aus der Umgebung
immunsupprimierter Patienten, keimarme Nahrung, Unterbringung in Ein- oder
Zweibettzimmern mit eigenem Bad, Schutzvorkehrungen bei Baumaßnahmen im
Krankenhaus), die zur Reduktion invasiver Pilzinfektionen beitragen. Darüber
hinaus gibt es auch wirksame medizinische Strategien für Hochrisikopatienten
während zytostatischer Induktionstherapie oder nach allogener Stammzell-Transplantation,
die jedoch umfangreiche Erfahrungen in der Behandlung immunsupprimierter
Patienten und eine besondere klinische Aufmerksamkeit erfordern. So wurde
kürzlich empfohlen, bei Patienten mit hohem Risiko für invasive Pilzinfektionen
im Rahmen eines engmaschigen Nachsorgeplans während der Neutropenie zweimal
wöchentlich Aspergillus Galactomannan im Serum zu bestimmen und bei klinischem oder
laborchemischem (z.B. Anstieg des CRP ohne Hinweis für bakteriellen oder
viralen Infekt) Verdacht sofort eine Computertomographie der Lunge zu
veranlassen, um frühzeitig typische pilzverdächtige Läsionen zu erkennen und
eine empirische antimykotische Therapie zu beginnen (15). Wir empfehlen dieses
Vorgehen ergänzend zu den allgemeinen Prophylaxemaßnahmen weiterhin als
Standard, von dem nur in gut begründeten Situationen bzw. besonderen
Risikokonstellationen abgewichen werden sollte. Auch angesichts der jetzt schon
stark zunehmenden Resistenzen gegenüber Azol-Derivaten (16, 17), des bisher
nicht eindeutig bewiesenen Nutzens der antimykotischen Chemoprophylaxe und der hohen
Tagestherapiekosten (s. Tab. 1) halten wir derzeit eine generelle Prophylaxe
mit Posaconazol oder anderen Azol-Derivaten für nicht gerechtfertigt.
Bei der Verordnung von
Posaconazol muss wie bei allen Azol-Derivaten unbedingt auf die zahlreichen
Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und entsprechende Dosisanpassungen
geachtet werden. Aufgrund der erwünschten Hemmung von Zytochrom-P450-abhängigen
Monooxygenasen (CYP450) der Pilze besteht auch ein Potenzial für die Hemmung
der menschlichen Zytochrom-Isoenzyme mit Beeinflussung der Biotransformation
von Arzneimitteln in der Leber. Darüber hinaus kann Posaconazol wie andere
Azo-Derivate als Substrat für Transporter wie P-Glykoprotein fungieren und
dadurch zu Interaktionen mit anderen Arzneimitteln beitragen.
Bemerkenswerterweise
wurden die Studien zur antimykotischen Prophylaxe mit Posaconazol zu einem
Zeitpunkt geplant, als die Wirksamkeit dieses Azol-Derivats bei invasiven
Aspergillosen noch nicht untersucht war. Auch heute ist der Stellenwert von
Posaconazol zur Behandlung invasiver Aspergillosen noch unklar, da
vergleichende Studien mit den etablierten Antimykotika (z.B. Amphotericin B,
Caspofungin) nicht vorliegen. Diese Tatsache und die offensichtlichen Mängel
der beiden im N. Engl. J. Med. veröffentlichten Studien (8, 9) verdeutlichen
wieder einmal die Probleme, die bei Hersteller-finanzierten klinischen Studien
auftreten, da sie sich mehr an Marketingstrategien als an versorgungsrelevanten
Fragen orientieren.
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