Der Monoaminoxidase-B-Hemmer (MAO-B-Hemmer) Selegilin
ist seit 1986 für die Behandlung des M. Parkinson verfügbar und wird seit
einiger Zeit als preiswertes Generikum angeboten. Seit etwas über einem Jahr
wird nun ein Nachfolgepräparat Rasagilin (Azilect®), für das als
neues Präparat Patentschutz besteht, vermarktet und in letzter Zeit verstärkt
beworben. Es wird behauptet, dass dieser neue MAO-B-Hemmer deutliche Vorteile
gegenüber Selegilin hat.
Selegilin wird in einem Cochrane Review als wirksam zur
Behandlung von so genannten End-of-dose-Fluktuationen beim M. Parkinson
bewertet (Evidenzgrad A; 1). Allerdings zeigte sich auch in einer
Langzeitstudie eine höhere Sterblichkeit der Patienten, die eine Kombination
aus L-Dopa und Selegilin erhielten gegenüber Patienten, die nur mit L-Dopa
behandelt wurden, so dass Selegilin nicht ohne Einschränkungen empfohlen werden
kann (2). Auch wird über nicht seltene, aber meist nicht schwerwiegende UAW,
wie hypotone Kreislaufdysregulation, Appetitverlust, Schwindel oder Schlafstörungen
berichtet. Die Autoren des Cochrane Reviews kommen daher trotz der nachgewiesenen
Wirkung zu dem Schluss, dass Selegilin nicht zur Routinetherapie der
Parkinsonkrankheit empfohlen werden kann.
Rasagilin soll nun ein deutlich besseres
Wirkungs-Nebenwirkungsprofil als Selegilin haben und daher dem alten
MAO-B-Hemmer überlegen sein. Diese Behauptung stützt sich in erster Linie auf
drei randomisierte, kontrollierte Studien, nämlich die TEMPO-, PRESTO- und
LARGO-Studie (3, 4, 5). Allerdings wird in keiner dieser Studien Rasagilin direkt
mit Selegilin verglichen.
In der TEMPO-Studie (3) wurde Rasagilin als
Monotherapie gegen Plazebo getestet. Der Beobachtungszeitraum beschränkte sich
auf 26 Wochen. Der nachgewiesene Effekt besteht in einer gegenüber Plazebo um
4,2 Einheiten geringeren Verschlechterung auf der Unified Parkinson’s Disease
Rating Scale (UPDRS) im natürlichen – progredienten – Krankheitsverlauf. Ob
dieser Unterschied – wenn auch signifikant – bei einer Skalengröße von 147 Einheiten
klinisch relevant ist, kann bezweifelt werden. Zudem wurde durch eine
Intention-to-treat-Analyse nach der Methode „last available observation carried
forward” die Verum-Gruppe mit einer etwas höheren Drop-out-Rate in Anbetracht
der sich kontinuierlich verschlechternden Erkrankung statistisch bevorzugt.
Schließlich zeigte sich kein signifikanter Unterschied bezüglich des
Zeitpunkts, an dem eine zusätzliche L-Dopa-Therapie erforderlich wurde.
In der LARGO-Studie (5) war der Beobachtungszeitraum
mit 18 Wochen noch kürzer. Im Vergleich mit Entacapon (Comtess®) zeigte
sich kein Vorteil für Rasagilin. Beide Substanzen schneiden wenig, aber
signifikant besser als Plazebo ab, was die Reduktion der täglichen „Off-Zeiten”
anbetrifft.
In der PRESTO-Studie (4) wurde Rasagilin wiederum
über 26 Wochen mit Plazebo verglichen. Primäres Zielkriterium ist auch hier die
Reduktion der täglichen Off-Zeit. Es konnte eine Verminderung der Off-Zeit von
0,94 Stunden/d für Rasagilin gegenüber Plazebo nachgewiesen werden. Als
Begleittherapie waren auch andere Parkinsonmittel erlaubt, so dass nicht ganz
klar wird, ob die Reduktion der Off-Zeit tatsächlich Rasagilin alleine
zuzuschreiben ist. Auch bei dieser Studie stellt sich wieder die Frage nach der
klinischen Relevanz eines wenn auch signifikanten Ergebnisses.
Während in den drei randomisierten, kontrollierten
Studien keine wesentlichen UAW über Plazeboniveau dokumentiert wurden – bei
allerdings kurzem Beobachtungszeitraum und begrenzten Fallzahlen – wurde
während der Entwicklung der Substanz eine Häufung von malignen Melanomen (6)
beobachtet, eine UAW, die von Selegilin bisher nicht bekannt wurde. Die FDA
hält hier eine weitere Abklärung für erforderlich, bevor Rasagilin uneingeschränkt
empfohlen werden kann.
Trotz der geringen Nebenwirkungsrate in den oben
aufgeführten randomisierten, kontrollierten Studien ist also im indirekten
Vergleich ein Vorteil von Rasagilin gegenüber Selegilin nicht erkennbar.
Direkte Vergleichsstudien sowie Langzeitstudien fehlen bisher vollständig.
Fazit:
Rasagilin bietet gegenüber der als Generikum verfügbaren Substanz Selegilin
keinen in randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesenen Vorteil
in der Therapie des M. Parkinson. Wegen möglicher schwerwiegender UAW
(Induktion von Tumoren) sollte Rasagilin nicht routinemäßig eingesetzt werden
bis entsprechende Langzeitdaten vorliegen. Der um ein Vielfaches höhere Preis
von Rasagilin gegenüber Selegilin ist angesichts der bisher vorliegenden Daten
nicht zu rechtfertigen.
Literatur
-
Macleod, A.D., et al.:
Cochrane Database Sys. Rev. 2007,
3.

-
Lees, A.J.: BMJ 1995, 311,
1602.

-
Parkinson Study Group
TEMPO: Arch. Neurol. 2002, 59, 1937.

-
Parkinson Study Group
PRESTO: Arch. Neurol. 2005, 62, 241.

-
Rascol, O., et al.
(LARGO = Lasting effect in Adjunct therapy with Rasagiline
Given Once daily): Lancet 2005, 365, 947
; s.a. AMB 2005, 39, 62a. 
-
FDA Consum 2006, 40,
7.

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