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Ist Dexamethason unwirksam bei Bronchiolitis im Kleinkindesalter?

Die akute Bronchiolitis ist eine akute obstruktive Bronchitis im frühen Kindesalter, die selten auch bei Erwachsenen – dann meist im Senium – vorkommt. Ursache ist meist eine Virusinfektion (Respiratory syncytial virus). Die Wirksamkeit von Kortikosteroiden in dieser Situation ist umstritten. Kortikosteroide bei einer akuten Infektionskrankheit? Die Leitlinie (1998) der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie empfiehlt sie als therapeutische Option für den Fall, dass Inhalationen, Beta-Sympathikomimetika und Anticholinergika nicht ausreichend wirken. Virustatika werden nicht erwähnt. Andererseits gibt es eine Übersicht der Cochrane Library, die zu dem Ergebnis kommt, dass Kortikosteroide unwirksam sind (1). Auch die American Academy of Pediatrics empfiehlt, nicht routinemäßig Kortikosteroide bei Bronchiolitis anzuwenden (2). In der pädiatrischen Praxis sind Kortikosteroide trotzdem ein fester Bestandteil der Behandlung. Man wartete deshalb auf eine überzeugende klinische Untersuchung.

Diese Lücke hat eine Arbeitsgruppe aus Salt Lake City schließen wollen (3). In einer verblindeten, randomisierten, multizentrischen Studie wurde bei 600 Kindern mit Bronchiolitis im Alter von 2-12 Monaten, die wegen Luftnot von ihren Eltern in der Notaufnahme eines Krankenhauses vorgestellt wurden, die Wirksamkeit von 1 mg/kg Dexamethason mit Plazebo verglichen. In die Studie wurden Kinder eingeschlossen mit einer ersten Episode von erheblicher Atemnot verbunden mit Giemen, d.h. auf Obstruktion hinweisende Atemgeräusche. Der Schweregrad wurde mit einem Score-System abgeschätzt, in das die Intensität des Giemens (inspiratorisch, exspiratorisch, Anzahl der betroffenen Lungenfelder) und das Vorhandensein atemabhängiger supraklavikulärer, interkostaler und/oder infrakostaler Retraktionen sowie die Atemfrequenz eingingen. Primärer Endpunkt war die Notwendigkeit zur stationären Aufnahme vier Stunden nach Beginn der Therapie, sekundärer Endpunkt die Entwicklung des Schweregrads vier Stunden nach Beginn der Therapie.

Von 8686 Patienten entsprachen 600 den Einschlusskriterien. Verum- und Plazebo-Gruppe unterschieden sich nicht wesentlich bezüglich Alter (5,1 Monate), Schweregrad-Score (~9), Atemfrequenz (~53/min), Herzfrequenz (~158/min), Sauerstoffsättigung (~96%), Familienanamnese mit Asthma oder Ekzem (~65%). Der Virusnachweis war allerdings in der Dexamethason-Gruppe häufiger positiv (67% vs. 57%).

Ergebnis: 40% der mit Dexamethason behandelten Kinder mussten vier Stunden nach Beginn der Therapie stationär aufgenommen werden und 41% der Kinder aus der Plazebo-Gruppe. Auch die Besserung des Schweregrad-Scores war in beiden Gruppen gleich, selbst bei multivariater Analyse. Dexamethason war bei den untersuchten Kindern also unwirksam.

Die Autorin eines Editorials in derselben Nummer des N. Engl. J. Med. (4) fragt sich allerdings, ob sich die Ergebnisse verallgemeinern und in die Praxis umsetzen lassen. Es seien nur weniger als 10% der Kinder in die Studie aufgenommen worden, die wegen Luftnot in der Notaufnahme vorgestellt wurden, und auch nicht diejenigen, die jünger als zwei Monate oder älter als 12 Monate waren, und nicht diejenigen mit weniger bedrohlicher Symptomatik. Andererseits wurden Kinder randomisiert, deren Krankheitsbild möglicherweise doch eine asthmatische Komponente hatte. Eine Information über den weiteren Verlauf sei daher interessant. Trotz des unbestrittenen Werts der Studie würde sie wahrscheinlich die Therapie der Ärzte in der Praxis nur wenig ändern, angesichts eines kleinen Kindes, das sich quält, und seiner besorgten Eltern. Eine Therapie vorzuenthalten sei schwerer als sie zu geben.

Fazit: Bei Kindern im Alter von zwei bis zwölf Monaten, bei denen die strengen Kriterien für die Diagnose einer mittelschweren bis schweren Bronchiolitis zutreffen, ist Dexamethason oral 1 mg/kg unwirksam. Diese Erkenntnis hat in der Praxis der Notfallversorgung nur Bedeutung, wenn es gelingt, die Bronchiolitis eindeutig von anderen Zuständen mit obstruktiver Ventilationsstörung abzugrenzen, bei denen Kortikosteroide indiziert sind. Das wird jedoch selten der Fall sein.

Literatur

  1. Patel, H., et al.: Cochrane Database Syst. Review 2004, 3, CD004878
  2. American Academy of Pediatrics: Pediatrics 2006, 118, 1774. Link zur Quelle
  3. Corneli, H.M., et al. (PECARN = Pediatric Emergency Care Applied Research Network): N. Engl. J. Med. 2007, 357, 331. Link zur Quelle
  4. Hall, C.B.: N. Engl. J. Med. 2007, 357, 402. Link zur Quelle