Die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen gegen
Tumoren ist eine große medizinische Herausforderung. Als wissenschaftlicher
Meilenstein können daher die bis zur Marktreife gebrachten Impfstoffe gegen
Karzinom-induzierende Papillom-Viren gelten. Wir haben darüber berichtet (1).
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat die Impfung für Mädchen im Alter von
12-17 Jahren empfohlen, und die meisten Krankenkassen übernehmen mittlerweile
die Kosten. Es gibt aber auch kritische Beurteilungen, weil zunächst noch viele
Fragen unbeantwortet sind (z.B. 2).
Das Zervixkarzinom ist eine lebensbedrohliche
Erkrankung. Trotz der bereits lange eingeführten und wirksamen
Vorsorgeuntersuchungen, die leider nicht von allen Frauen regelmäßig
wahrgenommen werden, sterben in Deutschland jährlich ca. 1800 Frauen an diesem
Tumor. Weltweit gesehen ist die Situation noch ungünstiger, denn das
Zervixkarzinom ist, auf Grund des häufigen Vorkommens in armen Ländern, global
gesehen die zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen (3).
Es ist dringend erforderlich, dass jetzt - nach der
Einführung der Impfung - die anderen präventiven Maßnahmen, wie regelmäßige
Vorsorgeuntersuchungen und Benutzung von Kondomen, nicht vernachlässigt werden.
Die Impfung darf nicht das Gefühl eines absoluten Schutzes vor dem
Zervixkarzinom entstehen lassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob es in
Anbetracht der nunmehr verfügbaren Impfung gelingt, die Frequenz der
Vorsorgeuntersuchungen zu steigern.
Die Effektivität der Impfung hinsichtlich des
Schutzes vor der Infektion mit den entsprechenden Papillom-Viren und der
Verhinderung von Zervixdysplasien ist überzeugend nachgewiesen. In der vom
Hersteller unterstützten, plazebokontrollierten, randomisierten FUTURE-II-Studie
(4) wurden bei jungen Frauen (n = 10 565), die 1. bei der Impfung noch
nicht infiziert waren, die 2. sich auch während der dreimonatigen Impfperiode
nicht infizierten und die 3. alle drei Injektionen erhielten, 98% der
HPV-assoziierten Epithelatypien (primärer Endpunkt) während der dreijährigen
Nachbeobachtungszeit verhindert (Verum: eine Frau mit Dysplasie; Plazebo: 45
Frauen; Auswertung per Protokoll). In der Praxis können diese idealen
Bedingungen aber meist nicht erreicht werden. Bezieht man in der FUTURE-II-Studie
alle Patientinnen, die randomisiert wurden, in die Auswertung ein (Intention to
treat: n = 13 167) und zählt auch die nicht HPV-assoziierten
Epithelatypien, aus denen sich ebenfalls Krebs entwickeln kann, hinzu, so waren
es in der Verum-Gruppe nur 17% weniger Frauen mit Epithelatypien (Verum: 219
Frauen; Plazebo 266 Frauen). Die Impfung ist also weit effektiver, wenn nur die
nicht-infizierten Mädchen bzw. jungen Frauen geimpft werden. Da sich das
Zervixkarzinom erst Jahrzehnte nach der Infektion mit Papillom-Viren
entwickelt, ist trotz der intensiven Nachbeobachtung und Behandlung in dieser
Studie noch nicht zu sagen, bei wie vielen Frauen sich aus den in beiden
Gruppen gefundenen Epithelatypien schließlich Krebs entwickeln wird.
Darüber hinaus wird der Wert jeder Impfung durch Art
und Schwere von Impfkomplikationen eingeschränkt. Die Fachinformation von
Gardasil® berichtet von einem sehr günstigen Nebenwirkungsprofil.
Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der FDA liegen allerdings - wie bei anderen
Impfungen auch (s. PEI-Datenbank unter 5) - eine ganze Reihe von UAW-Meldungen
vor, die hinsichtlich der Kausalität noch geprüft werden (5, 6).
Die Kosten für den Impfstoff in Deutschland sind, wie
wir schon früher gesagt haben, unangemessen hoch. In Deutschland kostet die
Grundimmunisierung 477 EUR, in Österreich 624 EUR, in den USA 360 US-$. Hätten
die Kosten nicht durch härtere Preisverhandlungen mindestens auf das
US-amerikanische Niveau reduziert werden können? Solche Verhandlungen gibt es
in Deutschland nicht. Der Gesetzgeber ist dringend aufgefordert, der
rücksichtslos gewinnorientierten Preisgestaltung einen Riegel vorzuschieben,
bei der Zulassung die Preise zu berücksichtigen und den Zusatznutzen neuer
Arzneimittel zu hinterfragen.
Mittlerweile ist unter dem
Namen Cervarix® (GlaxoSmithKline) ein zweiter HPV-Impfstoff
zugelassen worden. Die bivalente Vakzine enthält Antigene der HPV-Virusgruppen
16 und 18. Grundlage für die Zulassung war die Zwischenauswertung einer
randomisierten, plazebokontrollierten Untersuchung an 18 644 Frauen
zwischen 15 und 25 Jahren (7). Ähnlich wie bei der FUTURE-II-Studie war die
Effektivität bei primär HPV-negativen, vollständig immunisierten Frauen bezogen
auf HPV-assoziierte Atypien nach 14,8 Monaten über 90% (Verum/Plazebo: 2/22).
Die Gesamtzahl aller Atypien in beiden Gruppen (Intention-to-treat-Auswertung)
wird nicht genannt. Die Effektivität der Impfung hinsichtlich der Verhinderung
von Zervixkarzinomen ist also auch nach dieser Studie (noch) nicht abzuschätzen.
Cervarix® kostet - genau dasselbe wie Gardasil®: 477 EUR!
In Anlehnung an eine kritische kanadische
Übersichtsarbeit (2) regen wir im Zusammenhang mit der flächendeckenden
Einführung der Impfstoffe folgende begleitende Maßnahmen an:
·
Einrichtung eines Registers für
geimpfte und ungeimpfte Mädchen im Zielalter, um in ca. 15-40 Jahren die
Inzidenz des Zervixkarzinoms in beiden Gruppen vergleichen zu können.
·
Die Gesundheitsbehörden sollten
ein Programm starten zur Information der Öffentlichkeit über Faktoren, die die
Entstehung des Zervixkarzinoms reduzieren können (Sexualhygiene,
Vorsorgeverhalten, Kondome, Zirkumzision bei Männern).
·
Es sollten nur Mädchen und junge
Frauen geimpft werden, die für die Vakzine-entsprechenden Typen der
Papillom-Viren zum Zeitpunkt der Impfung seronegativ sind.
Fazit: Nur
mit begleitenden epidemiologischen Untersuchungen, z.B. Registern, die
Antworten auf noch offene Fragen geben, kann die Impfung gegen die humanen
Papillom-Viren eine Erfolgsgeschichte für die Frauen werden. Eins ist klar, der
Preis für die Impfung ist viel zu hoch.
Literatur
-
AMB 2007, 41, 03.

-
Lippman, A., et al.:
CMAJ 2007, 177, 484.

-
http://www.cancer.gov/aboutnci/cancer-advances-in-focus/cervical

-
FUTURE II (Females
United To Unilaterally Reduce Endo/Ectocervical
Disease II): N. Engl. J. Med. 2007, 356, 1915.

-
http://52625146fm.pei.de/fmi/iwp/cgi?-db=ADRDB&-loadframes

-
http://judicialwatch.org/judicial-watch-uncovers-new-fda-records-detailing-deaths-1-824-adverse-reaction-reports-related-hpv-

-
Paavonen, J., et al. (HPV PATRICIA study group):
Lancet
2007, 369, 2161.
Erratum
Lancet 2007, 370, 1414.
|