Kürzlich wurde eine neue Empfehlung zur Endokarditisprophylaxe bei
medizinischen Eingriffen veröffentlicht (1). Die neuen Richtlinien basieren auf
publizierten Daten und den Erfahrungen mehrerer Experten aus allen Teilen der
Welt. Neu ist die deutliche Beschränkung der Endokarditisprophylaxe auf wenige
Hochrisikogruppen und dass die Notwendigkeit einer solchen Prophylaxe bei
gastroenterologischen Eingriffen in Frage gestellt wird.
In der oben erwähnten Arbeit werden Empfehlungen zur Antibiotikagabe
bei verschiedenen medizinischen Eingriffen kritisch evaluiert und diskutiert.
Als Beispiel sollen hier die neuen Richtlinien bei zahnmedizinischen und
gastroenterologischen Untersuchungen und Eingriffen besprochen werden. 1976
schrieb einer der Editoren der Zeitschrift „Gastrointestinal Endoscopy”: Jeder
Patient mit einer Herzklappenerkrankung sollte bei jeder endoskopischen
Untersuchung eine antibiotische Endokarditisprophylaxe erhalten (zit. nach 2).
Von diesem Standpunkt hat sich die neue Empfehlung aus folgenden Gründen
erheblich entfernt:
·
Eine infektiöse Endokarditis ist
viel häufiger die Folge alltäglicher Bakteriämien, als die Folge medizinischer
oder zahnmedizinischer Eingriffe.
·
Eine antibiotische Prophylaxe
verhindert eine infektiöse Endokarditis - wenn überhaupt - nur bei sehr wenigen
Patienten, die medizinisch (z.B. endoskopische Untersuchungen des Gastrointestinal-
oder Urogenitaltrakts) oder zahnmedizinisch behandelt werden.
·
Das Risiko von UAW durch eine
antibiotische Prophylaxe übersteigt bei weitem ihren Nutzen.
·
Die regelmäßige Pflege und
Sanierung der Zähne ist wesentlich wichtiger als eine antibiotische Prophylaxe
vor zahnärztlichen Eingriffen.
Die Definition „Hochrisikopatienten”, für die eine antibiotische
Endokarditisprophylaxe bei zahnmedizinischen Eingriffen noch sinnvoll sein
könnte, wurde wie folgt deutlich eingeschränkt:
1.
Herzklappenprothese,
2.
Durchgemachte Endokarditis,
3.
Bestimmte angeborene Herzfehler:
a) Nicht behobene zyanotische angeborene Herzfehler
(einschließlich derer mit palliativen Shunts);
b) Komplett korrigierte angeborene Herzfehler, wenn
Prothesenmaterial verwendet wurde und die Operation kürzer als sechs Monate
zurückliegt;
c) Nicht komplett korrigierte Herzfehler, wenn
Prothesenmaterial nicht komplett endothelisiert ist.
Bei keinem anderen angeborenen Herzfehler, außer den
hier aufgeführten, ist eine antibiotische Endokarditisprophylaxe indiziert.
Soll ein zahnärztlicher Eingriff (hierzu zählen: Verletzung der Mukosa
einschließlich Ziehen von Zähnen, Manipulationen an der Gingiva einschließlich
Entfernung von Zahnstein, Manipulationen an der periapikalen Region der Zähne)
bei einem Hochrisikopatienten nach obiger Definition erfolgen, wird empfohlen,
30-60 Minuten zuvor eine Einzeldosis von 2 g Amoxicillin oral zu geben (Details
s. Tab. 1).
Bei gastroenterologischen Eingriffen gingen die Experten noch weiter:
Sie empfehlen grundsätzlich - selbst bei Hochrisikopatienten - keine
antibiotische Prophylaxe. Sie überlassen es aber dem Gastroenterologen, sich im
Einzelfall doch für eine Prophylaxe bei Hochrisikopatienten zu entscheiden. In
diesem Fall sollten sie sich bei Eingriffen im unteren Gastrointestinaltrakt,
im Bereich des Pankreas oder der Gallengänge für ein Antibiotikum entscheiden,
das auch Enterokokken miterfasst und bei Eingriffen im oberen
Gastrointestinaltrakt vor allem vor Streptococcus viridans schützt. Es
gibt aber keine Studien, die zeigen, dass eine solche Prophylaxe die
Endokarditis tatsächlich verhindern kann.
Fazit: Eine antibiotische
Endokarditisprophylaxe wird nur noch für eine kleine Gruppe von
Hochrisikopatienten bei zahnärztlichen Eingriffen empfohlen. Bei
gastroenterologisch-endoskopischen Eingriffen gibt es keine generelle
Empfehlung mehr für eine solche Prophylaxe.
Literatur
-
Wilson, W., et al.: Circulation
2007, vorveröffentlicht: http://circ.ahajournals.org/cgi/reprint/CIRCULATIONAHA.106.183095v1

-
Meyer, G.W.: Gastrointest.
Endosc. 2007, 66, 123.

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