Die spontane bakterielle Peritonitis (SBP) entsteht durch
„Translokation” von Bakterien vom Darm in den Aszites. Sie ist bei
fortgeschrittener Leberzirrhose nicht selten und führt durch Sepsis bzw.
septischen Schock häufig zum Tod (1-3). Zwar ist die SBP bei den meisten
Patienten durch eine antibiotische Therapie zu heilen, doch sterben sie oft an
einem sich nach der SBP entwickelnden Hepatorenalen Syndrom (HRS; 4-6). Es
liegt nahe und wurde auch in mehreren Studien untersucht, ob eine
prophylaktische „Darmdekontamination” mit Antibiotika das Risiko für eine SBP
senkt. Die meisten Studien liegen zur Prophylaxe eines Rezidivs, also zur Sekundärprophylaxe
vor (7, 8). Diese Studien zeigten zwar eine Verringerung von SBP-Rezidiven,
aber keine Verlängerung der Überlebenszeit. Die Rolle von Antibiotika in der Primärprophylaxe
ist unklar. Ein Problem der bisherigen Studien ist die inadäquate
Patientenselektion. In einer neuen Studie zur Primärprophylaxe der SBP
wurde jetzt der mögliche Nutzen von Norfloxacin bei Patienten mit sehr hohem
Risiko für eine SBP untersucht (9).
In diese prospektive randomisierte Studie wurden Patienten mit einer
fortgeschrittenen Leberzirrhose (Child-Pugh-Punkte ≥ 9, Bilirubin ≥
3 mg/dl, Serumkreatinin ≥ 1,2 mg/dl, Harnstoff-N im Blut ≥ 35 mg/dl
oder Natrium im Serum ≤ 130 mmol/l) und niedrigem Proteingehalt im
Aszites (< 15 g/l) eingeschlossen. Es wurden 35 Patienten mit Norfloxacin
(400 mg/d oral während der gesamten Beobachtungszeit) und 33 mit Plazebo
behandelt. Die Hauptendpunkte waren das Überleben nach drei und zwölf Monaten.
Sekundäre Endpunkte waren die Entwicklung einer SBP oder eines HRS. Die
Primärprophylaxe mit Norfloxacin verbesserte bei diesen ausgewählten Patienten
zwar das Überleben nach drei Monaten deutlich (94% vs. 62%; p = 0,003), jedoch
nicht nach einem Jahr (60% vs. 48%; p = 0,05). Die Entwicklung einer SBP (7%
vs. 61%; p < 0,001) bzw. eines HRS (28% vs. 41%; p = 0,02) wurde ebenfalls
reduziert. In diesen kleinen Studiengruppen wurden keine UAW durch Norfloxacin
oder Plazebo beobachtet. Bei größeren Gruppen muss mit einer höheren Inzidenz
von Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhö unter Chinolonen
gerechnet werden.
An einem sehr ausgewählten Kollektiv mit schon weit fortgeschrittener
Leberzirrhose konnte also ein kurzzeitiger Überlebensvorteil unter der
antibiotischen Primärprophylaxe nachgewiesen werden. Der fehlende
Überlebensvorteil nach 12 Monaten begrenzt jedoch eine breite Anwendung dieser
Prophylaxe im klinischen Alltag. Nur zwei der 35 Patienten in der
Norfloxacin-Gruppe entwickelten eine SBP und in keinem Fall konnten
Chinolon-resistente Bakterien nachgewiesen werden. Die Reduktion des HRS in der
Norfloxacin-Gruppe schien nicht mit der Reduktion der SBP zusammenzuhängen, da
nur ein Patient in der Plazebo-Gruppe ein durch eine SBP ausgelöstes HRS
entwickelte. Auch waren andere Infektionen in beiden Gruppen nicht
unterschiedlich häufig. Man muss also einen anderen Mechanismus annehmen.
Einige neuere Studien haben gezeigt, dass die Darmdekontamination mit
Norfloxacin bei Patienten mit Leberzirrhose die bakterielle Lipopolysaccharid-Translokation
verringert, was zu einer Abschwächung der bei diesen Patienten aktivierten
systemischen Entzündungskaskade führt und zu einem Anstieg der
Plasma-Renin-Aktivität beiträgt. Dies könnte die hämodynamische Verbesserung
mit Anhebung des arteriellen Drucks bei diesen Patienten erklären (10, 11) und
ist eine Hypothese, wie Norfloxacin über eine Verbesserung der Hämodynamik das
Risiko für ein HRS verringern könnte. Insgesamt war das HRS die häufigste
Todesursache in dieser Studie. Von 16 Patienten, die ein HRS entwickelten,
starben 15. Das HRS trat in der Norfloxacin Gruppe deutlich später auf als in
der Plazebo-Gruppe.
Die Autoren meinen, dass eine solche Primärprophylaxe - auch wenn sie
nur in den ersten drei Monaten einen Überlebensvorteil bringt - speziell
Patienten zu Gute kommen könnte, die auf eine Lebertransplantation warten, da
sich ihre Chance erhöht, den Zeitpunkt der Transplantation noch zu erreichen.
Ein weiterer Vorteil für diese Patienten wäre die deutliche Reduktion des Risikos
für eine SBP bzw. ein HRS, was die Erfolgschancen einer Lebertransplantation
erhöht.
Fazit: Bei Patienten mit Leberzirrhose im
fortgeschrittenen Stadium und hohem Risiko für eine spontane bakterielle
Peritonitis bzw. ein Hepatorenales Syndrom könnte eine Primärprophylaxe mit
Norfloxacin sinnvoll sein, insbesondere bei Patienten, die auf eine
Lebertransplantation warten. Diese Ergebnisse sollten aber noch in einer
größeren Studie überprüft werden.
Literatur
-
Navasa, M.,
et al.: Semin. Liver Dis. 1997, 17, 323.

-
Wong, F., et al.: Gut
2005, 54, 718.

-
AMB 1998, 32,
36.

-
Follo, A., et al.:
Hepatology 1994, 20, 1495.

-
Ruiz-del-Arbol, L., et
al.: Hepatology 2003, 38, 1210.

-
Sort, P., et al.: N.
Engl. J. Med. 1999, 341, 403.

-
Singh, N., et al.: Ann. Intern.
Med. 1995, 122, 595.

-
Rolachon, A., et al.:
Hepatology 1995, 22, 1171.

-
Fernández, J., et al.:
Gastroenterology 2007, 133, 818.

-
Albillos, A., et al.:
Hepatology 2003, 37, 208.

- Rasaratnam, B., et al.: Ann. Intern. Med. 2003, 139, 186.

|