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ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker sind als Antihypertensiva und Nephroprotektiva gleich wirksam

Zu diesem Schluss kommen ein systematischer Review zum Thema Essentielle Hypertonie von D.B. Matchar et al. aus den USA (1) und eine Metaanalyse zur antiproteinurischen Wirkung von ACE-Hemmern (ACEH) und Angiotensin-II-Rezeptor-Blockern (AT-II-RB) bei Patienten mit Nierenerkrankungen von R. Kunz et al. aus Basel (2). Die Botschaft ist nicht neu, wird aber durch die Auswertung sehr vieler Studien mit akzeptabler Qualität bestätigt.

ACEH und AT-II-RB senken in entsprechender Dosierung den Blutdruck gleich gut und reduzieren die Proteinurie bei Nierenkranken im gleichen Ausmaß. Auch führt eine Monotherapie mit ACEH oder AT-II-RB bei Essentieller Hypertonie annähernd gleich häufig zu einer Normalisierung des Blutdrucks. Die wenigen Vergleichsstudien zwischen ACEH und AT-II-RB mit mehrjähriger Dauer lassen keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf klinisch bedeutsame kardiovaskuläre Komplikationen oder Tod erkennen.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Übersicht zur Hypertonie-Therapie ist ein signifikant häufigerer Behandlungsabbruch unter ACEH als unter AT-II-RB aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW). Dieser Trend in Beobachtungsstudien wurde auch in Vergleichsstudien (Head to head ACEH versus AT-II-RB) und in anderen randomisierten Vergleichsstudien bestätigt. Husten ist die wichtigste UAW der ACEH, die für diesen Unterschied verantwortlich ist. Er ist bei etwa 10% der Patienten unter ACEH zu erwarten, jedoch nur bei 3% unter AT-II-RB, letzteres kaum verschieden von Plazebo. Die gravierendste UAW, das angioneurotische Ödem, wurde nur in drei von 61 eingeschlossenen Studien erwähnt und nur unter ACEH beobachtet. Es wurde allerdings gelegentlich auch bei der Anwendung von AT-II-RB beschrieben (3). In Österreich betrug z.B. das Verordnungs-Verhältnis ACEH zu AT-II-RB im Jahre 2006 72% zu 27% (pers. Mitteilung der Salzburger Gebietskrankenkasse) mit einem stetigen Zuwachs. Dieser relativ hohe Marktanteil der teureren AT-II-RB ist nicht durch die Rate der UAW der ACEH erklärt, sondern dürfte Resultat der intensiven Bewerbung dieser Substanzklasse sein.

Bei Nierenkranken verringert eine Monotherapie mit ACEH oder AT-II-RB die Proteinurie sowohl in Kurzzeitstudien (1 bis 4 Monate) als auch in Studien von längerer Dauer (5 bis 12 Monate) in gleichem Ausmaß. Beide Medikamentengruppen sind in dieser Hinsicht signifikant wirksamer als Kalziumantagonisten. Wie in den Hypertoniestudien ergab sich auch in den Proteinurie-Studien eine Tendenz zur längeren Therapie-Adhärenz der Patienten mit AT-II-RB- als bei der ACEH-Medikation, vermutlich wegen seltenerer UAW.

Ob eine Kombination von ACEH mit einem AT-II-RB die Proteinurie günstiger beeinflusst als ein AT-II-RB allein ist unklar. Die Studiendaten hierzu sind widersprüchlich. In den wenigen Studien mit einer Kombinationstherapie wurde jedoch wesentlich häufiger über einen Therapieabbruch wegen UAW berichtet als bei Monotherapie mit einem AT-II-RB oder einem ACEH.

In beiden Metaanalysen wird ein Wissensdefizit bezüglich der Langzeiteffekte auf die Proteinurie beklagt, sowohl bei einer Monotherapie als auch bei der Kombinationsbehandlung. Obwohl in einer Therapiestudie mit Trandolapril (Udrik®) plus Losartan (Lorzaar®) bei Patienten mit nicht-diabetischer Niereninsuffizienz angeblich in der Kombinationsgruppe nicht vermehrt Hyperkaliämien aufgetreten waren (4), ist dieses Risiko bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz stets zu beachten.

Der Kommentator der beiden Übersichtsarbeiten, P.S. Parfrey aus Kanada (5), vermisst in den meisten Studien brauchbare Angaben über UAW der Therapien, bei der Kombinationstherapie besonders zum Hyperkaliämie-Risiko. Zu wenig sei auch bekannt über die Bedeutung des Surrogat-Markers Proteinurie in Beziehung zum Fortschreiten der Niereninsuffizienz. Eine andere umfangreiche Metaanalyse, über die wir auch berichtet haben, ergab, dass ACEH bzw. AT-II-RB bei gleich starker Blutdrucksenkung das Fortschreiten einer Niereninsuffizienz bei Diabetikern nicht oder kaum und bei Nicht-Diabetikern fraglich etwas besser beeinflussen als andere Antihypertensiva (6, 7). Oder anders ausgedrückt: erhöhte Blutdruckwerte zu senken, ist die effektivste Nephroprotektion.

Fazit: Zwei umfangreiche Übersichtsarbeiten belegen die annähernd gleiche blutdrucksenkende und antiproteinurische Wirkung von ACEH und AT-II-RB bei Patienten mit Essentieller Hypertonie bzw. bei Nierenkranken mit Proteinurie. AT-II-RB haben weniger UAW als ACEH (besonders Husten) und sind vermutlich die am besten verträglichen Antihypertensiva. Trotzdem sind die meisten Patienten (ca. 90%) auch ebenso gut mit den günstigeren ACEH behandelt. Der hohe Marktanteil der AT-II-RB ist unbegründet und unökonomisch. Die referierten Arbeiten lassen darüber hinaus auch ein Defizit an klinisch relevanten Langzeitstudien erkennen.

Literatur

  1. Matchar, D.B., et al.: Ann. Intern. Med. 2008, 148, 16. Link zur Quelle
  2. Kunz, R., et al.: Ann. Intern. Med. 2008, 148, 30. Link zur Quelle
  3. AMB 1998, 32, 96b. Link zur Quelle
  4. AMB 2003, 37, 13a. Link zur Quelle
  5. Parfrey, P.S.: Ann. Intern. Med. 2008, 148, 76. Link zur Quelle
  6. Casas, J.P., et al.: Lancet 2005, 366, 2026. Link zur Quelle
  7. AMB 2006, 40, 06. Link zur Quelle