Über die Probleme bei Langzeit-Kombinationstherapie
mit Azetylsalizylsäure (ASS) plus Clopidogrel (Blutungsrisiko, perioperatives
Management bei nicht-kardialen Eingriffen, zusätzliche Indikation für orale
Antikoagulation) und über die Schwierigkeiten bei einer rationalen
Risiko-Nutzen-Abwägung haben wir 2007 ausführlich berichtet (1).
Eine doppelte antithrombozytäre Therapie (DAT) ist
prinzipiell nach jeder Koronarstent-Implantation zur Prophylaxe von Stent-Thrombosen
erforderlich. Bei medikamentenbeschichteten Stents (DES), für die einerseits ein
geringeres Restenose-Risiko belegt ist, aber andererseits Hinweise auf ein
höheres Thrombose-Risiko vorliegen, ist bereits seit Jahren eine Langzeit-DAT (12
Monate) üblich. Die aktuellen Leitlinien der großen amerikanischen
Fachgesellschaften (ACC/AHA) bestätigen nun diese gängige Praxis und empfehlen
nach elektiver Implantation eines DES die DAT für „mindestens 12 Monate” sowie
die explizite Aufklärung der Patienten über die Gefahren eines vorzeitigen
Therapieabbruchs (2, 3). Insbesondere das (vorzeitige) Absetzen der
Clopidogrel-Therapie bei DES scheint mit einem hohen Stent-Thrombose-Risiko
assoziiert zu sein. Prospektive kontrollierte Studien zu diesem Problem gibt es
jedoch nicht. Die vorliegende, limitierte Evidenz ergibt sich im wesentlichen
aus Registerdaten (z.B. 4, 5), Fallstudien und pathophysiologischen
Überlegungen (Evidenzgrad B).
In Anbetracht geschätzter 10 Millionen Patienten mit
implantierten DES weltweit und der lückenhaften Datenlage gab die FDA Anfang
2007 eine große, prospektive, randomisierte Studie zu diesem Thema in Auftrag.
Diese sollte im Rahmen einer bereits bestehenden, 2006 von der FDA und der Duke
University gegründeten Partnerschaft zur Evaluierung der Arzneimittelsicherheit
im kardiovaskulären Bereich (Cardiovascular Safety and Research Consortium)
durchgeführt werden. Vom Duke Clinical Research Institute wurde daraufhin der
Entwurf für die CODA genannte Studie (Clopidogrel: Optimal Duration
of Antiplatelet Therapy) mit einem klinischen Endpunkt aus Tod,
Myokardinfarkt und Schlaganfall vs. Blutung vorgelegt. Zusätzlich sollte die
Studie der FDA auch helfen, die noch völlig offene Frage zu klären, auf welche
Weise Kombinationstherapien aus Medikamenten plus Implantaten („drug-device-combinations”)
und deren Interaktionen („drug-device-interactions”) seitens der Kontrollbehörden
überhaupt am wirksamsten getestet werden können. Auf Vorschlag der FDA waren in
die Studienplanung wichtige DES-Hersteller, die Pharmafirmen
Sanofi-Aventis/Bristol-Myers Squibb (Clopidogrel) und Eli Lilly (Prasugrel),
die National Institutes of Health sowie die FDA selbst eingebunden. Alle diese
Beteiligten hätten sich auch an der Finanzierung der Studie beteiligen sollen.
Stattdessen ist nun wegen schwerwiegender und fundamentaler Unterschiede in der
Auffassung der Beteiligten die Umsetzung der Studie bis auf weiteres völlig zum
Stillstand gekommen, wie das Kardiologie-Internet-Portal Heartwire am 11. April
2008 meldete (6). Die Stent-Hersteller verlangten eine Änderung des
vorgesehenen Patienten-orientierten Studiendesigns, um auch Daten zur
Sicherheit spezifischer Stents und deren Häufigkeit von Spätthrombosen erheben
zu können. Außerdem wurde seitens der Stent-Hersteller ein zusätzlicher
Studienarm mit unbeschichteten Stents (BMS = Bare-Metal-Stents) gefordert, für
die bisher keine klaren Daten zum Risiko später Stent-Thrombosen vorliegen.
Dazu müsste die Studie, die ursprünglich als logistisch möglichst einfach und
kostengünstig geplant war, aber größer und über einen längeren Zeitraum
angelegt werden. Zwar wären diese Erweiterungen mit zusätzlichen finanziellen
Mitteln möglich, setzen aber eine sachliche und konsequente Kooperation der
Industriesponsoren voraus. Diese war aber offensichtlich nicht gegeben. Zudem
gab es Meinungsunterschiede darüber, wer die Studienleitung übernehmen soll.
Mit Daten aus randomisierten Studien ist somit in den kommenden Jahren nicht zu
rechnen. Register müssen an deren Stelle treten. Die Kostenträger haben die
Daten.
Fazit:
Aktuelle Leitlinien der großen amerikanischen Fachgesellschaften (ACC/AHA)
empfehlen die kombinierte Therapie von ASS plus Clopidogrel nach elektiver
Koronarintervention mit Implantation medikamentenbeschichteter Stents über
„mindestens 12 Monate”. Sie bestätigen damit die seit Jahren gängige Praxis. Allerdings
liegen dazu keine prospektiven, randomisierten Studien vor. Eine von der FDA
geforderte und bereits in Planung befindliche Studie wurde nun wegen
Uneinigkeit mit und unter den (Industrie-)Sponsoren auf unbestimmte Zeit
verschoben. Der Vorgang zeigt die großen Probleme bei der Evaluierung von
Arzneimitteln nach der Zulassung – insbesondere bei konkurrierenden
Firmeninteressen.
Literatur
-
AMB 2007, 41, 25.

-
King, S.B., et al.:
Circulation 2008, 117, 261.

-
Casterella, P.J., und Tcheng,
J.E.: Am. Heart J. 2008, 155,
781.

-
Lagerqvist, B., et al.
(SCAAR = Swedish Coronary Angiography and Angioplasty
Registry): N. Engl. J. Med. 2007, 356, 1009.

-
Eisenstein, E.L., et
al.: JAMA 2007, 297, 159.

-
http://www.theheart.org/article/857009.do

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