Die
verschiedenen Methoden der Preisfestlegung von Arzneimitteln innerhalb der
Europäischen Union waren Inhalt des Teils 1 dieser Übersicht (1). Nun wird
anhand von konkreten Beispielen die Zusammensetzung des Endpreises eines
Arzneimittels (= Publikumspreis) dargestellt. Die teilweise sehr
unterschiedlichen Gewinnspannen von Einzel- und Großhandel, gewährte Rabatte
sowie die uneinheitliche Besteuerung von Arzneimitteln in den
EU-Mitgliedsländern können zu enormen Unterschieden beim Publikumspreis führen.
Ein fairer Preisvergleich von Arzneimitteln ist durch diese unterschiedlichen
nationalen Rahmenbedingungen sehr schwierig und eigentlich nur auf der Ebene
der Hersteller, z.B. beim Fabrikabgabepreis, möglich.
In Abb.
1 wird schematisch dargestellt, welche Auswirkungen die unterschiedlichen in
Europa angewendeten Modelle der Distributionsvergütung auf den Preis eines
Arzneimittels haben. Die angeführten, vereinfachten Beispiele illustrieren, wie
die Abgeltung der Apotheken und Großhändler über Aufschläge den Endpreis eines
Arzneimittels beeinflussen. Die letzte Position – die Mehrwert-/Umsatzsteuer –
ist der Anteil des Staats am Preis eines Arzneimittels. Nur in Zypern, Malta,
Schweden und Großbritannien verzichtet der Staat auf die Umsatzsteuer, vor
allem für erstattete Arzneimittel.
In der
Europäischen Union gibt es 27 verschiedene Abgeltungssysteme. Daher ist für
einen wissenschaftlich fundierten Preisvergleich, insbesondere wenn dieser
nicht nur auf der Herstellerebene erfolgt, sondern auch andere Preisstufen
(Apotheken-Einkaufspreis, Publikumspreis) umfasst, die Kenntnis dieser
Rahmenbedingungen erforderlich. Die unterschiedlichen Preisbildungsmodelle
werden dennoch in der öffentlichen Diskussion von Arzneimittelpreisen gerne
vernachlässigt. Darüber hinaus bilden publizierte bzw. für Gesundheitsberufe
zugängliche Preisquellen, z.B. die Rote Liste (2) in Deutschland, nur die
offiziellen Apotheken-Verkaufspreise ab, während Rabatte, wie sie z.B. den
Krankenkassen von den pharmazeutischen Unternehmen gewährt werden, nicht
berücksichtigt sind.
Beim
österreichischen EU-Durchschnittspreissystem gemäß § 351c Abs. 6 des
Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (3) werden daher
der Fabrik- bzw. der Depot-Abgabepreis (FAP bzw. DAP) und auch der
Apotheken-Einstandspreis (AEP; auch als Großhandelspreis bezeichnet) der
Arzneispezialität berücksichtigt. Wie das nachfolgende Preisbeispiel (vgl. Abb.
2) für das Präparat Hepsera® 10 mg Tablette (Adefovir) zur
Behandlung der Hepatitis B zeigt, bestehen in europäischen Ländern teils
beträchtliche Preisunterschiede. Dies betrifft nicht nur die FAP/DAP-Ebene,
sondern alle Preisstufen. Es ist erkennbar, dass in Schweden keine Umsatzsteuer
für das Produkt anfällt, während dieser Anteil des Fiskus in Österreich nur von
Dänemark übertroffen wird. Das Produkt ist in allen sechs dargestellten Ländern
„kassenfähig”, wird aber beispielsweise in Dänemark überwiegend in
Krankenhäusern verordnet.
In
Österreich ist diese Arzneispezialität in der „Gelben Box (RE 2)” des
Erstattungskodex enthalten und wird beim Vorliegen bestimmter Indikationen bzw.
Rahmenbedingungen (ähnlich wie in Belgien) erstattet. Der österreichische
Abgabepreis wirkt auf den ersten Blick als der höchste aller untersuchten
Länder, wobei dies allerdings nur auf den Privatverkaufspreis zutrifft (Abb. 2,
Balken A1). Bei einer Abgabe zu Lasten eines der österreichischen
Sozialversicherungsträger ist der Aufschlag deutlich niedriger und beträgt
anstelle von 5,41 EUR pro Tablette nur 0,72 EUR (Abb. 2, Balken A2).
Diese
Tatsache verdeutlicht, dass die Kenntnis der den Arzneimittelpreisen zugrunde
liegenden Preisbildungsverfahren und gesetzlichen Rahmenbedingungen in Bezug
auf z.B. die Erstattung große Bedeutung hat. So werden in
Frankreich, Dänemark und Schweden die Kosten des Arzneimittels nicht
notwendigerweise zu 100 Prozent von der Sozialversicherung getragen.
Am
Beispiel des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab
(Herceptin® 150 mg) zur Behandlung spezieller Formen
von Brustkrebs wird sichtbar, dass die Preise von patentgeschützten
Arzneispezialitäten, für die es keine oder nur wenige Behandlungsalternativen
gibt, vom pharmazeutischen Hersteller konstant hoch gehalten werden (s. Abb.
3).
Abb. 4
zeigt andererseits die Preisentwicklung von Simvastatin, bei dem der Patentschutz des Originalpräparats (Zocor®
bzw. Zocord®) bereits abgelaufen ist. Es ist offensichtlich, dass
beim Markteintritt von Generika auch der Preis des Originalprodukts um mehr als
die Hälfte sinkt. Dies geschieht auch in Frankreich und Dänemark, wo ein
Nachfolgeprodukt bei der Aufnahme in den Erstattungsmarkt nicht automatisch im
Preis gesenkt werden muss, wie das z.B. in Österreich der Fall ist (vgl. 1).
Bei der
Interpretation der Preise ist auch unbedingt zu beachten, dass sowohl die
nationalen Vorschriften für den Betrieb und die Infrastruktur von Apotheken
(Fläche, Ausbildungsstand des Personals etc.) als auch die abgegebenen
Arzneimittelpackungen in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sind. Daher
können die Packungspreise durchaus variieren. In Frankreich werden z.B. weitaus
mehr und kleinere Arzneimittelpackungen verbraucht als in den anderen Ländern.
In Dänemark und Schweden ist hingegen aufgrund des dort bestehenden
verbrauchsabhängigen Erstattungssystems (je mehr Arzneimittel der Patient
erhält bzw. konsumiert, desto geringer ist die prozentuelle Eigenbeteiligung)
die durchschnittliche Packung viel größer als in Mittel- und Südeuropa. Auch in
Deutschland sind Großpackungen viel üblicher als in Österreich, wo auf dem
Kassenmarkt in erster Linie die kleinste mögliche, therapeutisch sinnvolle
Packung abgegeben werden soll.
Literatur
-
AMB 2008, 42,
25.

-
http://www.rote-liste.de
(mit DocCheck-Passwort
zugänglich)
-
Aktualisiert
am 1. Januar 2008: www.bmgfj.gv.at/cms/site/standard.html?channel=CH0723&doc=CMS1078931881119

-
AMB 2008, 42,
20b.

-
http://www.oebig.at

- In Studien zum
Arzneimittelverbrauch ist es internationaler Standard, diesen nicht in
verordneten Packungen, sondern in DDD zu messen. Auch Preise werden – je nach
Verwendungszusammenhang – anhand von Kosten oder Umsatz je DDD verglichen. In
Deutschland sind Kostenvergleiche auf Basis der DDD explizit zur Information
der Vertragsärzte und zur Förderung einer wirtschaftlichen Verordnungsweise im
Sozialgesetzbuch aufgenommen.
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