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Depot-Exenatid zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2b

Mit besonderem Interesse verfolgen wir Studien zur Therapie der Volkskrankheiten Arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus. Auch wenn das hier zu besprechende Medikament noch nicht zugelassen ist, soll darüber berichtet werden. Im vorigen Jahr haben wir die beiden neuen Medikamentengruppen Inkretinmimetika und DPP-IV-Antagonisten für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2b (DM 2b) besprochen (1). Das erste in Deutschland zugelassene Inkretinmimetikum, Exenatid (Byetta®), hat eine ähnliche Struktur wie das intestinale Glucagon-like peptide-1 (GLP1), das nach einer Mahlzeit vom Darm ins Blut abgegeben wird und in den Betazellen der Pankreas-Inseln die durch den Blutzuckeranstieg verursachte Insulinsekretion verstärkt. Exanatid® muss zweimal täglich s.c. injiziert werden, verursacht selbst keine Hypoglykämien und führt zur Abnahme des Körpergewichts. Häufigste UAW sind Übelkeit und Erbrechen. In einigen Fällen wurde es verdächtigt, eine Pankreatitis auszulösen (2).

Die zweimal tägliche Injektion eines neuen Medikaments ist in Konkurrenz mit einer Insulintherapie nicht besonders attraktiv. Im Lancet wird jetzt über eine vom Hersteller (Amylin Pharmaceuticals Inc. und Eli Lilly) finanzierte Studie berichtet, in der ein nur einmal wöchentlich zu injizierendes Exenatid-Depot-Präparat (2 mg s.c., Gruppe A; n = 148) mit kurz wirkendem Exenatid (zweimal täglich 10 µg s.c., Gruppe B; n = 147) bei erheblich übergewichtigen Patienten mit DM 2 verglichen wurde (3). Die Patienten waren bisher entweder nur mit Diät therapiert worden oder hatten ein oder zwei orale Antidiabetika eingenommen. Der mittlere HbA1c-Wert bei Studienbeginn war 8,3%, der mittlere Nüchternblutzucker 9 mmol/l (162 mg/dl) und das mittlere Gewicht der Patienten 102 kg. Die Studiendauer betrug 30 Wochen. Die Basisdaten der beiden Gruppen hinsichtlich des mittleren Alters (55 Jahre), Diabetesdauer (6,7 Jahre) und Vormedikation, die während der Studie prinzipiell beibehalten wurde, waren gleich.

Ergebnisse: Am Studienende war das HbA1c in Gruppe A im Mittel um 1,9%, in Gruppe B um 1,5% gefallen. 77% versus 61% der evaluierbaren Patienten erreichten einen HbA1c-Wert von ≤ 7% (p = 0,0039). 20 bzw. 17 Patienten brachen die Studie aus verschiedenen Gründen ab, etwa jeweils die Hälfte wegen UAW. Ab der 6. Behandlungswoche war die mittlere Nüchternglukose in Gruppe A um ca. 2 mmol/l (36 mg/dl), in Gruppe B um ca. 1 mmol/l (18 mg/dl) gefallen. Die postprandialen Blutzuckerkurven waren in beiden Gruppen deutlich besser als vor Beginn der Intervention. Übelkeit (26,4% vs. 34,5%) und gelegentliches Erbrechen (10,8% vs. 18,6%) waren im Studienverlauf in Gruppe A seltener als in Gruppe B, während Juckreiz an den Injektionsstellen (17,6% vs. 1,4%) nur bei der Depot-Injektion ein ernstes Problem war. Leichte Hypoglykämien wurden nur bei den 37% der Patienten beobachtet, die gleichzeitig Sulfonylharnstoffe (SH) einnahmen, und zwar bei ca. 50% dieser Untergruppe, obwohl bei Studienbeginn per Protokoll in beiden Gruppen vorsichtshalber die SH-Dosis zeitweise reduziert worden war. GLP1 und Exenatid verzögern die Magenentleerung. In der Studie wurde dies bei Untergruppen der Patienten mit Hilfe eines Paracetamol-Resorptionstests überprüft. Die Verzögerung war in Gruppe A minimal, in Gruppe B deutlicher, was mit der geringeren Inzidenz von Übelkeit und Erbrechen in Gruppe A korreliert. Bei den bis zum Studienende behandelten Patienten nahm das Körpergewicht im Mittel um 4 kg bzw. 3,8 kg ab (A vs. B). Bei Patienten, die zeitweise über Nausea geklagt hatten, war die Gewichtsabnahme verständlicherweise stärker als bei solchen ohne. Nausea war angeblich in beiden Gruppen mild, ließ im Studienverlauf nach und war nur selten Ursache eines Studienabbruchs. In beiden Gruppen nahmen die Triglyzeride, das Gesamt-Cholesterin und der Blutdruck etwas ab.

Obwohl Nausea, Erbrechen und Juckreiz an der Injektionsstelle in Gruppe A bedenklich stimmen, ist das Behandlungsprinzip einer einzigen Injektion pro Woche attraktiv, da eine Insulintherapie bei DM2 wegen der Angst der Patienten vor häufigen Injektionen oft zu spät begonnen wird. Zudem erscheint das Wirkprinzip der Inkretinmimetika (Verstärkung der durch Glukose getriggerten Insulinantwort, Suppression der pankreatischen Glukagonsekretion, Gewichtsabnahme) sinnvoll. Die Galenik des Depotpräparats muss wegen der schlechten lokalen Verträglichkeit verbessert werden. Langzeitstudien müssen zeigen, ob Exenatid mehr als nur Surrogatparameter bessern kann. Eine Langzeit-Vergleichsstudie mit dem anderen nur einmal am Tag zu injizierenden Inkretinmimetikum (Liraglutid; 4) muss durchgeführt werden. A.J. Scheen aus Belgien (5) stellt in einem kritischen Kommentar zu der referierten Studie die Verlaufskurven der Beurteilung verschiedener Antidiabetika über Jahrzehnte dar. Welche Zukunft die Inkretinmimetika haben werden, ist offen, aber die Pharmakodynamik ist interessant. Tagestherapiekosten von > 4 EUR/d für das bisher zugelassene Präparat Byetta® sind zudem langfristig nicht akzeptabel.

Fazit: Das nur einmal in der Woche s.c. zu injizierende Inkretinmimetikum Exenatid depot senkt bei adipösen Typ-2-Diabetikern den Nüchtern-Blutzucker und den HbA1c-Wert über 30 Wochen etwas besser als kurz wirkendes Exenatid (Byetta®, zweimal tgl. s.c.) und reduziert das Körpergewicht im gleichen Maß. Haupt-UAW sind Nausea, Erbrechen und Juckreiz an der Injektionsstelle. Der Stellenwert des noch nicht zugelassenen Präparats in der Therapie des DM 2b muss in weiteren Vergleichsstudien ermittelt werden.

Literatur

  1. AMB 2007, 41, 50. Link zur Quelle
  2. AMB 2007, 41, 88. Link zur Quelle
  3. Drucker, D.J., et al. (DURATION-1): Lancet 2008, 372, 1240. Link zur Quelle
  4. Visbøll, T.: Expert. Opin. Investig. Drugs 2007, 16, 231. Link zur Quelle
  5. Scheen, A.J.: Lancet 2008, 372, 1097. Link zur Quelle