Vor dem Hintergrund der Personalknappheit
bei der amerikanischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde (FDA) wurde 1992 der sog.
„Prescription Drug User Fee Act” (PDUFA) in Kraft gesetzt. Dieser regelt, dass
die Arzneimittelhersteller bei der FDA für den formalen Antrag auf Zulassung eines
neuen Arzneimittels (NDA: New drug application) für den „Drug review” der
Behörde eine Gebühr (User fee) zahlen müssen. Als Gegenleistung garantiert die
FDA, dass das Review-Verfahren der bereits zuvor während der klinischen Entwicklung
eingereichten Unterlagen (Rolling submission) innerhalb einer bestimmten Zeit
erfolgt. Die Fristen und formalen Vorgaben werden in 5-Jahres-Plänen angepasst.
In der ersten Gesetzesversion (PDUFA I,
1992-97) wurde geregelt, dass 90% der Anträge innerhalb von zwölf Monaten
entschieden sein mussten (Standard reviews) und 10% innerhalb von sechs Monaten
(Priority reviews). In den späteren Fassungen wurden die Fristen für die
Standard-Zulassungen weiter verkürzt: ab 1997 (PDUFA II) sollten 30% und ab
2002 (PDUFA III) 90% innerhalb von zehn Monaten abgeschlossen sein. Für die FDA
bedeutete PDUFA im Jahre 1997 zusätzliche Einnahmen von 90 Mio. US$ und im
Jahre 2002 von 160 Mio. US$. Dieses Geld wurde nach eigenen Angaben für zusätzliches
Personal und den Kauf von Informationstechnologie verwendet (1). Für die
Arzneimittelhersteller bedeutete das Gesetz schnellere und besser planbare
Zulassungsverfahren und natürlich auch eine längere Phase der Erlöse. Was das
Gesetz für die Verbraucher bedeutet, wird heftig diskutiert.
Kritiker argumentieren, dass diese
Regelung eine zu starke Abhängigkeit der Behörde von der Industrie geschaffen
und die Aufmerksamkeit der FDA zu sehr auf die Interessen der Hersteller
gelenkt hat. Immerhin wird mittlerweile mehr als die Hälfte des Personals, das
die Drug reviews durchführt, von der Industrie finanziert. Es wurde wiederholt
spekuliert, ob die späte Wahrnehmung der Sicherheitsprobleme mit den
COX-2-Hemmern (Myokardinfarkte), den selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern
(Suizidalität) und den Glitazonen (Herzinsuffizienz, Myokardinfarkte) diesen
Verstrickungen geschuldet sind (2).
Drei Autoren aus Harvard sind nun
strukturiert der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen der PDUFA für die
Sicherheit der Patienten hatte (3). Hierzu führten sie eine Analyse der Review-Zeiten
aller bei der FDA angemeldeten neuen „molekularen Entitäten” zwischen 1950-2005
durch. In einem Cox-proportional-hazard-Rechenmodell wurden die Review-Zeiten
für die jeweils zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten der FDA und die
Besonderheiten bei der jeweiligen Produktindikation korrigiert. Die Zeiten
wurden mit den dokumentierten Sicherheitsrisiken nach der Marktzulassung
verglichen. Hierzu zählen alle Marktrücknahmen, Black-box-Warnungen und
nachträgliche Änderungen der ursprünglich empfohlenen Dosierung in der
Fachinformation.
Ergebnisse: Vor der Einführung des PDUFA dauerten Review-Verfahren
bei der FDA zwischen 1-24 Monate, im Median etwa 17 Monate. Jeden Monat ab
Antragstellung wurden etwa 2-7% der Anträge abgeschlossen. Ab 1993 änderte sich
dies erheblich. Insbesondere in den zwei Monaten vor Ablauf der Fristen (die Monate
11 und 12 nach Antragstellung) wurden nun plötzlich 20-25% der
Standardverfahren und über 50% der Priority-Verfahren (die Monate 5 und 6 nach
Antragstellung) abgeschlossen (RR: 3,4). Dieser rasche Verfahrensabschluss legt
den Verdacht nahe, dass die Beurteilung in einigen Fällen übereilt erfolgte.
Die Autoren vergleichen deshalb diese „Just before deadline approvals” (n = 97)
mit den übrigen Zulassungen (n = 216) hinsichtlich späterer Sicherheitsprobleme.
Dabei zeigte sich, dass es bei diesen Last-minute-Zulassungen signifikant mehr
Marktrücknahmen gab (7 vs. 1,9%; p = 0,04), mehr Black-box-Warnungen (10 vs.
1,9%; p = 0,002) und mehr nachträgliche Veränderungen bei der empfohlenen Dosis
(20 vs. 8,8%; p = 0,01).
Fazit: Trotz anderslautender Bewertung der FDA hat die
Verkürzung des Zulassungsverfahrens von neuen Arzneimitteln und die
Querfinanzierung der Behörde durch die Arzneimittelhersteller zu übereilten
Bewertungen und teilweise unverzeihlichen Fehleinschätzungen der
Arzneimittelsicherheit geführt. Bestrebungen, auch die Arzneimittelzulassung in
Europa entsprechend umzustrukturieren (2), müssen daher unbedingt verhindert
werden.
Literatur
-
http://www.fda.gov/oc/pdufa3/2003plan/default.htm

-
http://www.bukopharma.de/uploads/file/Pharma-Brief/Phbf2007_01_02.pdf

-
Carpenter, D., et al.: N.
Engl. J. Med. 2008, 358, 1354.

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