Zusammenfassung: Bei 25-30% der Patienten, die nach
kardiovaskulären Erkrankungen zur Hemmung der Thrombozytenaggregation
Clopidogrel (Iscover®, Plavix®) erhalten, wirkt diese
Substanz - genetisch bedingt - geringer („Clopidogrel-Resistenz”). Diese
Patienten erleiden 2-3 mal häufiger kardiovaskuläre Folgeereignisse. Eine
generelle genetische Testung aller Patienten, die Clopidogrel erhalten sollen,
kann jedoch zurzeit nicht empfohlen werden, da unklar ist, wie mit den
Testbefunden umzugehen ist. Ob eine erhöhte Clopidogrel-Dosis die Resistenz
durchbrechen kann und mit welchen unerwünschten Arzneimittelwirkungen dabei zu
rechnen ist oder ob eine Therapie mit Prasugrel (das im Zulassungsverfahren ist)
sinnvoll ist, muss in größeren Studien erst noch untersucht werden.
Ein vermindertes Ansprechen auf die medikamentöse Hemmung
der Thrombozytenaggregation mit ASS oder Clopidogrel (Iscover®,
Plavix®) wird für eine Reihe schwerer Komplikationen in der
Sekundärprävention nach kardiovaskulären Ereignissen und nach Stent-Implantationen
verantwortlich gemacht (1). Je nach Definition und verwendetem Labortest wird eine
solche „Resistenz” bei 5-45% der Patienten beschrieben. Die Gründe für die ASS-
bzw. Clopidogrel-Resistenz können vielfältig sein. Mangelnde Einnahmetreue,
vermehrte Aktivierung der Thrombozyten durch Rauchen, Entzündungen, Insulinresistenz
und Arzneimittelinteraktionen werden angeführt. Immer häufiger werden aber nun pharmakogenetische
Ursachen diskutiert. Zwei aktuelle und wegweisende Studien im N. Engl. J. Med.
beschäftigen sich mit der genetisch bedingten verminderten Wirkung von
Clopidogrel (2, 3).
Clopidogrel ist ein pharmakodynamisch unwirksames
Prodrug. Nach oraler Aufnahme werden 85% der Dosis im Darm zu inaktiven
Metaboliten umgewandelt und ausgeschieden. Nur ca. 15% werden aktiv über ein
intestinales Transportprotein (P-Glykoprotein = PGP) resorbiert. Dieser Anteil
wird in der Leber durch Zytochrom-P450-Enzyme (Isoformen 3A4, 3A5 und 2C19)
verstoffwechselt und in aktive Metabolite überführt. Diese besetzen irreversibel
die ADP-Rezeptoren der Thrombozyten, was zur Hemmung des Fibrinogenrezeptors
(GP IIb/IIIa) und damit zur Hemmung der Plättchenaggregation führt. Die
Aktivität aller beteiligten Enzyme und Rezeptorstrukturen kann somit die Wirkung
von Clopidogrel beeinflussen. Neben Interaktionen mit anderen Arzneimitteln und
Lebensmitteln wird sie aber im Wesentlichen von genetischen Eigenschaften des
Individuums bestimmt.
J.L. Mega et al. von der TIMI-Studiengruppe am
Brigham and Women’s Hospital in Boston haben die genetische Varianz von
Zytochrom-P450-Enzymen und deren Auswirkungen auf die Hemmung der
Thrombozytenaggregation bei 162 Gesunden untersucht (2). Die Studie wurde von
den Firmen Daiichi Sankyo und Eli Lilly unterstützt. Es zeigte sich, dass 34%
der Untersuchten ein bestimmtes Allel von CYP2C19 hatten (*2), das mit einer
langsameren Metabolisierung von Clopidogrel, geringeren Serumkonzentrationen an
aktiven Clopidogrel-Metaboliten sowie einer um 9% geringeren Hemmung der Thrombozytenaggregation
assoziiert ist. Die übrigen untersuchten Zytochrome scheinen in dieser Hinsicht
weniger bedeutsam zu sein. Nun wurde die asservierte DNA von 1 477
Patienten aus der TRITON-TIMI-38-Studie (4) auf dieses (*2) CYP2C19-Allel
untersucht. Dabei fand sich, dass 27,1% Träger dieser suspekten Variante waren.
TRITON-TIMI 38 war eine Studie, bei der ein neuer, Zytochrom-unabhängig
metabolisierter ADP-Blocker (Prasugrel, Eli Lilly/Daiichi Sankyo) gegen
Clopidogrel bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom und Katheterintervention
getestet wurde (4). Die langsamen Clopidogrel-Metabolisierer der
TRITON-TIMI-38-Studie hatten ein signifikant höheres Risiko für den primären
Studienendpunkt kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall (12,1%
vs. 8%). Auch war das Risiko einer Stent-Thrombose dreimal höher als bei den
übrigen Patienten (2,6% vs. 0,8%). Interessanterweise hatten die langsamen
Metabolisierer aber nicht weniger Blutungen.
Die zweite Studie (3) bestätigt diese Ergebnisse. T. Simon
et al. untersuchten den statistischen Zusammenhang zwischen dem Auftreten
kardiovaskulärer Sekundärereignisse unter Clopidogrel und verschiedenen
Genvarianten aller an der Wirkung von Clopidogrel beteiligten Proteine. Sie
verwendeten hierfür die DNA von 2 208 Patienten aus einem großen
französischen Myokardinfarkt-Register. Dieses erfasste im Jahre 2005 die
Behandlungsdaten von Patienten mit akutem Myokardinfarkt aus 223 Zentren,
inklusive einer einjährigen Nachbeobachtungszeit. Während eines Jahres nach dem
Infarkt starben 225 Patienten und 94 erlitten einen Reinfarkt oder
Schlaganfall. Als klinische Risikofaktoren für ein solches „adverse event (AE)”
fanden sich viele klinische Faktoren, wie höheres Lebensalter, Hypertonie,
Diabetes, pAVK, COPD, Herzinsuffizienz und die Nichtanwendung einer
revaskularisierenden Therapie. Die genetische Analyse erstreckte sich auf Varianten
folgender Proteine: PGP (intestinaler Transport), CYP3A5 und CYP2C19 (metabolisierende
Enzyme), ADP- und GPIIb/IIIA-Rezeptor. Dabei fand sich nur bei einer Variante
des PGP-Gens und bei bestimmten Allelen von CYP2C19 eine signifikante
Assoziation mit einem AE. Das gleichzeitige Bestehen der CYP2C19-Allele *2 mit
*3, *4 oder *5 war mit einem doppelten Risiko für AE assoziiert (21,5% vs.
13,3%; Hazard ratio = HR: 1,98). Besonders stark war diese Assoziation bei
Patienten, die eine perkutane koronare Intervention erhalten hatten (HR: 3,58).
Nach diesen Studienergebnissen sind Stent-Thrombosen,
Reinfarkte und Reinsulte unter Therapie mit Clopidogrel deutlich häufiger bei
Patienten mit genetisch bedingter verminderter CYP2C19-Aktivität. Da es sich um
eine sehr große Patientengruppe handelt (Sekundärprophylaxe von Schlaganfall,
Myokardinfarkt, Stent-Patienten), sind diese Ergebnisse für die Praxis äußerst
wichtig.
Doch ist noch völlig unklar, wie mit diesen Befunden
umzugehen ist. Denkbar wäre, diesen langsamen Metabolisierern kein Clopidogrel
zu geben, weil es möglicherweise nicht besser als Plazebo wirkt (nicht
untersucht). Eine andere Variante wäre, ihnen z.B. die doppelte Dosis zu geben,
um die Resistenz zu durchbrechen. Kleinere Studien haben gezeigt, dass dieses
Vorgehen - zumindest in vitro - durchaus funktionieren kann. Allerdings ist unbekannt,
ob diese Behandlung auch sicher ist. Als weitere Alternative wird auch der ADP-Blocker
Prasugrel diskutiert, der kein Prodrug ist und daher, um wirksam zu werden, nicht
auf die Aktivität metabolisierender Enzyme angewiesen ist. Prasugrel könnte
hier seine therapeutische Nische finden, ist jedoch mit vermehrten Blutungen
belastet (4).
Bestünde eine sichere Alternativtherapie zu
Clopidogrel, läge die „Number needed to treat”, um ein Ereignis bei den
langsamen Metabolisierern zu verhindern, zwischen 12,5 und 55. Die Gentestung
bei allen Patienten mit Indikation zur dualen Plättchenhemmung sowie die Anwendung
des Alternativpräparats bei den langsamen CYP2C19-Metabolisierern müssten dann
wohl empfohlen werden. Solange diese Fragen nicht geklärt sind, ist eine
Routinetestung der CYP2C19-Genvarianten aus unserer Sicht nicht zu empfehlen.
Literatur
-
AMB 2002, 36, 62a
und 2006, 40,
16. 
-
Mega, J.L., et al.
(TRITON-TIMI 38 = TRial to assess Improvement in Therapeutic
Outcomes by optimizing platelet InhibitioN with prasugrel - Thrombolysis
In Myocardial Infarction 38): N. Engl. J. Med. 2009, 360,
354.

-
Simon, T., et al.
(FAST-MI = French registry of Acute ST-Elevation and
non-ST-elevation - Myocardial Infarction): N. Engl. J. Med. 2009,
360, 363.

-
Wiviott, S.D., et al. (TRITON-TIMI 38 = TRial to assess Improvement
in Therapeutic Outcomes by optimizing platelet InhibitioN
with prasugrel - Thrombolysis In Myocardial Infarction
38): N. Engl. J. Med. 2007, 357, 2001.
Vgl. AMB
2008, 42, 05. 
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