Viele Dialysepatienten sind zwischen den Dialysetagen
hypertensiv, manche auch während der Dialyse und bedürfen einer
antihypertensiven Therapie. Fällt infolge des Volumenentzugs bei Dialyse der
Blutdruck deutlich ab, kann die antihypertensive Therapie, die die
vasokonstriktive Gegenregulation nach Volumenreduktion beeinträchtigen kann,
problematisch werden. Die Auswahl der Antihypertensiva und der Zeitpunkt der
Einnahme muss individuell erfolgen. Da die Letalität von Dialysepatienten weiterhin
relativ hoch ist und kardiovaskuläre Todesursachen überwiegen, werden in
manchen Zentren auch Patienten mit prädialytischen Blutdruckwerten < 140/90
mm Hg antihypertensiv behandelt. Aus den genannten Gründen ist es verständlich,
warum es nicht viele qualitativ befriedigende randomisierte kontrollierte
Studien zur antihypertensiven Therapie von Dialysepatienten gibt.
Heerspink et al. aus Holland und Australien
veröffentlichten im Lancet eine Metaanalyse zu diesem Thema (1). Unter 28
Volltext-Veröffentlichungen konnten sie nur acht Studien finden, die die Kriterien
randomisiert und kontrolliert erfüllten. Die Gesamtzahl der eingeschlossenen
Patienten betrug 1 679, und der Haupt-Endpunkt kardiovaskulär verursachter
Tod war bei 495 Patienten eingetreten. Die Patientenzahlen in den einzelnen
Studien bewegten sich zwischen 60 und 366. Nur ein Teil der Studien war
doppeltblind. In vier Studien erhielt die Kontroll-Gruppe Plazebo, in den
anderen bestand sie aus „konventionell” behandelten Patienten. In sieben
Studien wurde jeweils nur ein Medikament untersucht (je einmal Ramipril, Fosinopril,
Telmisartan, Candesartan, Amlodipin, zweimal Carvedilol). In einer Studie
wurden Candesartan allein oder zusammen mit Losartan oder Valsartan eingesetzt.
In einigen Studien wurden nur vor Dialyse hypertensive Patienten, in anderen hypertensive
und noch normotensive Patienten eingeschlossen.
Ergebnisse:
Im Mittel war der Blutdruck unter Verum um 4,5/2,3 mm Hg niedriger als in der
Kontroll-Gruppe. Kardiovaskuläre Ereignisse waren unter Verum signifikant
seltener als bei den Kontrollen: Relatives Risiko = RR: 0,71, 95%-Konfidenzintervall
= CI: 0,55-0,92; p = 0,009. Auch die kardiovaskuläre Letalität (RR: 0,71; CI:
0,5-0,99; p = 0,044) und die Gesamt-Letalität (RR: 0,80, CI: 0,66-0,96; p = 0,014)
waren bei den spezifisch behandelten Patienten niedriger. Die Autoren konnten
aufgrund der Ergebnisse keine Empfehlungen bezüglich einer besonderen
Arzneimittelgruppe (ACE-Hemmer, AT-II-RB, Kalziumantagonisten etc.) formulieren.
Nach ihrer Meinung sollte eine antihypertensive Therapie „routinemäßig bei
Dialysepatienten in Erwägung gezogen werden”.
Dieser Empfehlung schließt sich der Kommentator
dieser Arbeit, C.R.V. Tomson aus Bristol, prinzipiell an (2). Nach Erörterung
der komplizierten Blutdruckregulation bei diesen Patienten vor und während der
Dialyse kommt er jedoch zu dem Schluss, dass diese Metaanalyse die Kontroverse
über das beste Mittel zur Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Letalität
dieser Patienten nicht beenden wird. Insgesamt ist die Entscheidung über das Ob
und Wie einer antihypertensiven Therapie bei Dialysepatienten schwieriger als
bei Hypertonikern ohne Niereninsuffizienz oder bei nierenkranken Hypertonikern
ohne Dialysebehandlung.
Fazit: Diese nicht sehr umfangreiche Metaanalyse zur
antihypertensiven Therapie bei Dialysepatienten scheint zu belegen, dass eine
vorsichtige Blutdrucksenkung auch bei diesen Patienten die kardiovaskuläre Letalität
senken kann. Wegen der intermittierenden deutlichen Reduktion des
Plasmavolumens während der Dialysebehandlung mit dem Risiko für Hypotensionen
ist die Indikationsstellung zur medikamentösen antihypertensiven Behandlung
aber schwieriger als bei nicht dialysierten Hypertonikern. Bei vielen
Dialysepatienten ist die arterielle Hypertonie allein durch vorsichtiges Senken
des „Sollgewichts” (Gewicht nach der Dialyse) zu kontrollieren.
Literatur
-
Heerspink, H.J., et al.:
Lancet 2009, 373, 1009.

-
Tomson, C.R.: Lancet
2009, 373, 981.

|