Aortokoronare Venen-Bypässe haben eine begrenzte
Funktionsdauer. Nach durchschnittlich zehn Jahren sind wegen degenerativer Veränderungen
vermehrt Re-Interventionen (Stents oder Re-Operationen) nötig.
Katheterinterventionen in derart veränderten Venengrafts sind
komplikationsreich. Sie werden, wenn möglich, unter Embolisationsschutz
durchgeführt, da sich in der Gefäßwand oft große Plaquemassen befinden, die
beim Dehnen losgelöst und ausgeschwemmt werden und zu peripheren Verschlüssen
und Infarkten führen können. Zudem ist die Funktionsfähigkeit von Stents in Venengrafts
zeitlich begrenzt. Mehr als doppelt so häufig kommt es zu Restenosen und
Verschlüssen als in nativen Koronargefäßen und darüber hinaus auch vermehrt zu
De-novo-Stenosen in benachbarten Regionen. Als Folge dieser Probleme ist die
Letalität bei Patienten mit Stents in Venengrafts deutlich höher als bei
Patienten mit Stents in nativen Koronargefäßen.
Unklar ist, ob konventionelle („Bare metal stents” = BMS)
oder medikamentenbeschichtete („Drug eluting stents” = DES) in Venengrafts
verwendet werden sollten. Bislang gibt es nur widersprüchliche Informationen
aus Registern und einer einzigen vergleichenden prospektiven Studie. In dieser DELAYED-RRISC-Studie
(1) wurde bei 75 Patienten entweder ein DES (Sirolimus-beschichtet, Cypher®,
n = 38) oder ein BMS (BX Velocity®, n =37) in den stenosierten
Bypass implantiert. Bei einer angiografischen Kontrolle nach sechs Monaten ergab
sich eine Reduktion der Rate segmentaler Restenosen im DES-Arm (13,6% vs.
32,6%), woraus vorschnell Empfehlungen abgeleitet wurden, in Venengrafts nur
noch DES einzulegen.
Nach einer Nachbeobachtung dieser kleinen Kohorte von
median 32 Monaten fanden sich dann jedoch signifikant mehr Todesfälle in der
DES-Gruppe (29% vs. 0%), die Mehrzahl wegen Stent-Thrombosen oder Plötzlichem
Herztod. Auch die Notwendigkeit erneuter Interventionen am Bypass unterschied
sich nicht mehr zwischen den Gruppen (34% vs. 38%). Obwohl die Studie nicht
über ausreichende statistische Aussagekraft verfügt, ergibt sich doch der
starke Verdacht, dass DES in Venengrafts kurzfristig bessere angiografische
Ergebnisse liefern, langfristig aber unkalkulierbare Sicherheitsrisiken bergen.
Diese Frage wurde in einer prospektiven, randomisierten
Studie nun erneut aufgenommen, diesmal mit einem anderen DES (2). Leider wurden
auch in dieser SOS genannten Studie zu wenige Patienten eingeschlossen. Obwohl
die Rekrutierung in fünf Katheterlabors in den USA zwei Jahre lang erfolgte,
sind gerade einmal 80 Patienten zusammengekommen. Da auch die mediane
Nachbeobachtung nur 1,5 Jahre dauerte, kommt der Verdacht auf, dass es sich bei
SOS nur um eine Marketing-Studie handelt, um den verwendeten DES als „me too”
bei dieser Indikation zu platzieren.
In SOS wurden bei 80 Patienten 88 Venengrafts mit 112
Stenosen katheterinterventionell behandelt, entweder mit einem Paclitaxel-DES
(TAXUS®) oder einem BMS (Express2®). Die Patienten mit
BMS wurden sechs Monate lang mit Clopidogrel behandelt, die mit DES zwölf Monate
lang; alle erhielten dauerhaft ASS. Die Nachbeobachtung bestand in einer
Re-Angiografie nach zwölf Monaten und Telefoninterviews während der zwei Jahre.
Primärer Endpunkt war eine Restenose > 50% nach zwölf Monaten, die ja
eigentlich nur ein Surrogatparameter ist. Sekundäre Endpunkte waren Tod,
Myokardinfarkt, Re-Interventionen und andere unerwünschte kardiovaskuläre
Ereignisse.
Ergebnisse:
Bei 66 Patienten fand nach zwölf Monaten die geplante Re-Angiografie statt. 90
von 112 Läsionen konnten beurteilt werden. Bei 51% der mit BMS und 9% der mit
DES behandelten Läsionen wurde eine Restenose > 50% gefunden (Relatives
Risiko = RR: 0,18; p < 0,0001). 20 von 33 BMS-Patienten und 4 von 33-DES-Patienten
hatten eine Restenose (RR: 0,2; p < 0,0001). Während der mittleren
Nachbeobachtungszeit von 1,5 Jahren war die Letalität in beiden Gruppen zwar nicht
signifikant unterschiedlich, allerdings kam es in der DES-Gruppe erneut tendenziell
zu mehr Todesfällen (12% vs. 5%).
Beide randomisierten Studien konnten zeigen, dass es nach
DES zu weniger Restenosen in Venengrafts kommt, beide konnten aber keinen
klinischen Vorteil der DES nachweisen. Im Gegenteil, die Bedenken gegen die
Sicherheit des DES-Konzepts wurden durch die SOS-Studie eher noch verstärkt. In
beide Studien wurden zu wenige Patienten eingeschlossen, um zuverlässig zur
Klärung dieser wichtigen klinischen Frage beizutragen. Es ist unverständlich,
warum interventionelle Kardiologen eine solch wichtige Frage nicht in
ausreichend großen Studien klären können. Es wäre auch Aufgabe der
Fachgesellschaften und nicht nur der Herstellerfirmen, entsprechende Studien zu
initiieren. Das begleitende Editorial hat dementsprechend auch den Untertitel „The
Limits of Evidence” (3). In ihm wird die interventionelle Behandlung von
Venengrafts mit BMS oder DES zu den 85% (!) kardiologischen Therapien gezählt,
für die es keine solide wissenschaftliche Evidenz gibt.
Fazit: In
stenosierten aortokoronaren Venengrafts kommt es nach Einlage
medikamentenbeschichteter Stents angiografisch zwar zu weniger Restenosen als
nach konventionellen Stents; sie sind aber im Langzeitverlauf für den Patienten
wahrscheinlich gefährlicher. Bis zur Klärung dieser wichtigen Frage sollten
beschichtete Stents nicht oder nur sehr zurückhaltend in Venengrafts
implantiert werden.
Literatur
-
Vermeersch, P., et al.
(DELAYED RRISC = Death and Events at Long-term follow-up AnalYsis:
Extended Duration of the Reduction of Restenosis In
Saphenous vein grafts with Cypher stent): J. Am. Coll. Cardiol.
2007, 50, 261.

-
Brilakis, E.S., et al. (SOS = Stenting Of Saphenous
vein grafts): J. Am. Coll.
Cardiol. 2009, 53, 19.

-
Bittl, J.A.: J. Am. Coll. Cardiol. 2009, 53, 929.

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