In
den letzten Jahren wurden in der interventionellen und pharmakologischen
Behandlung der koronaren Herzkrankheit (KHK) erhebliche Fortschritte erzielt.
Auf die Kontrolle der Risikofaktoren fällt dagegen weit weniger Licht. Dies
zeigt die jüngst im Lancet veröffentlichte EUROASPIRE-III-Erhebung (1).
EUROASPIRE (EA) ist ein Projekt der europäischen kardiologischen Gesellschaft,
das durch verschiedene pharmazeutische Großunternehmen finanziert wird (2). In
mittlerweile 22 europäischen Ländern werden in einer definierten Region mit
mindestens 500 000 Einwohnern und mindestens einem kardiologischen Zentrum
alle konsekutiven Patienten ≤ 70 Jahre mit einem kardialen ischämischen
Ereignis (aortokoronare Bypass-OP = CABG, Myokardinfarkt, perkutane koronare
Intervention = PCI, Koronarischämie) erfasst und frühestens nach sechs Monaten
(im Median 1,3 Jahre) nachuntersucht. Bei diesen Nachuntersuchungen findet ein
Patienteninterview statt, bei dem Größe/Gewicht (BMI), Ruhe-Blutdruck,
Gesamt-Cholesterin, Blutzucker und Raucherstatus abgefragt werden.
Bislang wurden drei solche Erhebungen
durchgeführt (EA I-III): 1995-1996 in neun Ländern, 1999-2000 in 15 Ländern und
2006-20007 in 22 Ländern der EU. Nur acht Länder (CZ, FIN, F, D, H, I, NL, SLO)
haben an allen drei Erhebungen teilgenommen und stehen für longitudinale
Betrachtungen über zehn Jahre zur Verfügung. Das beteiligte deutsche Zentrum
ist Münster. Österreich nimmt an dieser Erhebung nicht teil.
Die
Ergebnisse in den Ländern, die an allen drei Erhebungen teilgenommen haben, sind
in Tab. 1 dargestellt. Es zeigt sich, dass die leitliniengerechte medikamentöse
Versorgung mit Thrombozytenaggregationshemmern, Betablockern, Lipidsenkern und
Antihypertensiva über die Jahre kontinuierlich zugenommen hat. Trotzdem ist - bis
auf die Hypercholesterinämie - die Prävalenz der Risikofaktoren nahezu
unverändert geblieben (Rauchen, Hypertonie) oder hat sich teilweise sogar sehr
ungünstig entwickelt (Übergewicht, Adipositas, Diabetes). In der Subgruppe der
Männer unter 50 Jahren stagniert die Raucherquote bei 40%, und bei Frauen hat
der Anteil der Raucherinnen sogar deutlich zugenommen (von 30% auf 50%).
Das begleitende Editorial (3) kritisiert
in erster Linie die Kardiologen. Die High-tech-Methoden zur Behandlung der KHK
hätten sie zu sehr fasziniert und ihre Aufmerksamkeit viel zu weit weg von der
Sekundärprävention gelenkt (vgl. 2). Da allein das Nichtrauchen als
Einzelmaßnahme so effektiv ist wie alle anderen Maßnahmen zusammen, wird ermahnt:
„Cardiologists should be less passive about smoking cessation”.
Aber auch der Wert kardialer Rehabilitationsmaßnahmen
in der gegenwärtigen Form gehört auf den Prüfstand. Die Praxis ist in Europa sehr
unterschiedlich. Während in manchen Ländern, z.B. Litauen, kardiale
Rehabilitationen bei nahezu allen Patienten durchgeführt werden, findet sie in
anderen europäischen Ländern, z.B. Griechenland oder Spanien, quasi überhaupt
nicht statt (4). Eine Beziehung zwischen der Intensität von
Rehabilitationsmaßnahmen und der erzielten Kontrolle von Risikofaktoren ist nur
schwer zu erkennen.
Fazit: Die medikamentöse Versorgung von Patienten nach
einem kardialen Ereignis ist in Europa mittlerweile nahezu vollständig und
leitlinienkonform. Die Ergebnisse hinsichtlich der kardiovaskulären
Risikofaktoren sind dagegen schlechter denn je und scheinen bis auf die
Hypercholesterinämie keine Beziehung zur Arzneimitteltherapie oder zum Aufwand
der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen zu haben. Die Prävention ist nach wie
vor das schwächste Glied in der kardiologischen Versorgungskette. Die größte
Herausforderung in der Herz-Kreislauf-Medizin wird in den kommenden Jahren sein,
KHK-Patienten zum Nichtrauchen, zur gesunden Ernährung, zu einer besseren
Gewichtskontrolle und zur regelmäßigen körperlichen Bewegung zu motivieren.
Literatur
-
Kotseva, K., et al. (EUROASPIRE
= EUROpean Action on Secondary and Primary
Prevention by Intervention to Reduce Events): Lancet 2009,
373, 929.

-
AMB 2002, 36,
54b.

-
Anonymus: Lancet 2009,
373, 867.

-
Wood, D.A.: www.bcs.com/documents/D_Wood_-_EUROASPIRE_III.ppt

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