Zusammenfassung: Das neue Antiarrhythmikum Dronedaron (Multaq®) steht in den USA und Europa kurz vor seiner
Zulassung für paroxysmales und intermittierendes Vorhofflimmern (VHF). Die
wenigen Daten zeigen eine dem Amiodaron klar unterlegene antiarrhythmische
Wirkung bei VHF, aber ein günstigeres UAW-Profil. Dennoch sind
Sicherheitsbedenken - insbesondere bei manifester Herzinsuffizienz - nicht
ausgeräumt. Deshalb raten wir von einer Anwendung bei diesen Patienten ab. Bei
speziellen Patienten mit VHF (ältere mit mäßigem kardiovaskulärem Risiko ohne
schwere Herzinsuffizienz) könnte Dronedaron einen gewissen Wert als Alternative
zu Amiodaron erlangen.
Auf der Suche nach Substanzen mit gleicher
antiarrhythmischer Wirkung wie Amiodaron, aber weniger UAW wurde Dronedaron von
Sanofi-Aventis (damals Sanofi-Synthelabo) bereits Mitte der 1990er Jahre
entwickelt. Nach einer bewegten Forschungs- und Entwicklungsphase steht nun die
Zulassung durch die FDA unmittelbar bevor; die EMEA wird voraussichtlich in den
nächsten Monaten folgen. Sowohl in den USA als auch in Europa ist die
Vermarktung unter dem Namen Multaq® geplant.
Dronedaron ist ein dem Amiodaron chemisch nahe
verwandtes Klasse-III-Antiarrhythmikum ohne Jodgehalt und weniger lipophil. Die
für Amiodaron typischen und die Anwendung häufig limitierenden
organspezifischen UAW (Schilddrüse, Leber, Lunge, Haut, Augen, Nervensystem;
vgl. 1) sollen unter Dronedaron nicht bzw. deutlich seltener auftreten und die
Halbwertszeit kürzer sein (ca. 24 h). Dronedaron wird durch Zytochrom P-450 (CYP) 3A4 metabolisiert und ist
selbst ein Inhibitor von CYP3A4 sowie ein schwacher Inhibitor von CYP2D6.
Die Wirksamkeit von Dronedaron zur Erhaltung des
Sinusrhythmus bei paroxysmalem oder intermittierendem Vorhofflimmern (VHF) oder
-flattern sowie zur Frequenzkontrolle bei einem Rezidiv wurde im Vergleich zu
Plazebo in der Doppelstudie EURIDIS-ADONIS an 1 237 Patienten belegt (2).
Das Risiko eines Rezidivs im ersten Jahr wurde von 75,2% auf 64,1% gesenkt, die
rezidivfreie Zeit verdoppelt und die Ventrikelfrequenz bei einem Rezidiv
signifikant gesenkt.
Die erste, als Letalitätsstudie angelegte Studie war
ANDROMEDA. Sie war plazebokontrolliert und schloss hospitalisierte
Hochrisiko-Patienten ein (dekompensierte Herzinsuffizienz, linksventrikuläre
Ejektionsfraktion < 35%; VHF war kein Einschlusskriterium und lag nur bei
einer Minderzahl der Patienten vor). Sie musste 2003 wegen erhöhter Letalität
in der Verum-Gruppe (25 vs. 12; im wesentlichen bedingt durch Progredienz der
Herzinsuffizienz) nach Einschluss von 627 statt geplanten 1 000 Patienten
abgebrochen werden (3). Betroffen waren vor allem Patienten mit ohnehin
ungünstiger Prognose (schwere Herzinsuffizienzsymptome, hochgradig reduzierte
linksventrikuläre Funktion, Niereninsuffizienz). Nach einer Hypothese des
Herstellers könnte ein Grund sein, dass die behandelnden Ärzte wegen eines
geringfügigen Kreatininanstiegs in der Verum-Gruppe zum (ungerechtfertigten)
Absetzen von ACE-Hemmern bzw. Angiotensin-II-Antagonisten veranlasst wurden.
Der Grund für die höhere Sterblichkeit ist also nicht klar. Bemerkenswert ist,
dass in Subgruppenanalysen anderer Studien (VALIANT, SCD-HeFT) unter Amiodaron
auch eine erhöhte Letalität bei Hochrisiko-Patienten beschrieben wurde (4). Die
FDA lehnte aufgrund der ANDROMEDA-Ergebnisse im August 2006 den Antrag auf
Zulassung von Dronedaron ab.
Als zweite Letalitätsstudie wurde daraufhin ATHENA
gestartet (5). Zwei Autoren waren Angestellte der Herstellerfirma. In diese
Studie wurden 4 628 Patienten mit VHF und zusätzlichen Risikofaktoren
(Alter > 75 Jahre oder einer der folgenden: Hypertonie, Diabetes, Vorhofvergrößerung,
vorausgegangenes zerebrovaskuläres Ereignis, Ejektionsfraktion < 40%)
eingeschlossen, die randomisiert mit Dronedaron zweimal täglich 400 mg p.o.
(2 301 Patienten) oder Plazebo (2 327 Patienten) behandelt wurden.
Primärer kombinierter Endpunkt war die erste Aufnahme ins Krankenhaus aus
kardiovaskulärer Ursache oder Tod. Sekundäre Endpunkte waren Tod, Tod aus kardiovaskulärer
Ursache und Krankenhausaufnahme aus kardiovaskulärer Ursache. Die mittlere
Nachbeobachtungszeit betrug 21 ± 5 Monate. 30,2% der Patienten in der Verum-
und 30,8% in der Plazebo-Gruppe setzten die Studienmedikation vorzeitig ab,
hauptsächlich wegen Unverträglichkeit. Der Primäre Endpunkt wurde in der
Verum-Gruppe bei 734 Patienten (31,9%) und unter Plazebo bei 917 Patienten
(39,4%) erreicht (Hazard Ratio: 0,76; CI: 0,69-0,84; p < 0,001). Die
selteneren Krankenhausaufnahmen waren multifaktoriell bedingt, u.a. durch
weniger VHF, Myokardinfarkte, instabile AP und Schlaganfälle. Es fand sich eine
signifikant niedrigere kardiovaskuläre Letalität (2,7% vs. 3,9%) unter
Dronedaron, die vor allem auf eine Reduktion von arrhythmogener Letalität
(Plötzlicher Herztod) und Schlaganfall zurückzuführen ist. Dagegen traten
häufiger Bradykardie, QT-Zeit-Verlängerung, gastrointestinale Symptome
(Übelkeit, Diarrhö), Exantheme und Serumkreatinin-Erhöhung auf. Endokrine und
pulmonale UAW waren in beiden Gruppen gleich häufig. In der Studie waren auch
200 Patienten eingeschlossen mit stabiler Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III
und 179 Patienten mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 35%. Die
Resultate in diesen beiden Subgruppen mit erhöhtem Risiko unterschieden sich in
einer Post-Hoc-Analyse nicht von denen der Gesamtstudienpopulation.
Zu dieser Studie gibt es eine Reihe kritischer
Leserbriefe (7). Die Leser fragen z.B.: Warum wurde Amiodaron nicht als
Vergleichssubstanz gewählt? Warum wurde bei guter Frequenzkontrolle überhaupt
antiarrhythmisch behandelt? Warum wurden die weniger günstigen Ergebnisse von
Untergruppen nicht veröffentlicht, aber beim Zulassungsantrag vorgelegt? Die
Fragen werden von den Autoren nicht befriedigend beantwortet. Man hat den Eindruck,
dass schon durch das Studienprotokoll und die Auswahl der veröffentlichten
Daten die Wirkungen von Dronedaron günstig dargestellt werden sollten. Das
schränkt die Aussagekraft der ATHENA-Studie erheblich ein.
Der bislang einzige direkte Vergleich
Dronedaron/Amiodaron wurde in der DIONYSOS-Studie (504 Patienten nach
Kardioversion bei > 72 Stunden persistierendem VHF) durchgeführt, ist aber
bisher nur in einer Pressemitteilung von Sanofi-Aventis und noch nicht in
Fachzeitschriften publiziert (6). Trotz der leidigen Erfahrung, dass die Zahlen
in Pressemitteilungen nicht selten von denen abweichen, die dann der
Zulassungsbehörde vorgelegt werden, seien sie hier ausnahmsweise wiedergegeben.
Dabei zeigte sich Dronedaron im primären kombinierten Endpunkt
(EKG-dokumentiertes VHF-Rezidiv oder vorzeitiger Abbruch der Studienmedikation;
mittlere Nachbeobachtungszeit sieben Monate) deutlich unterlegen (55,3% vs.
73,9%). In einem vordefinierten kombinierten Sicherheitsendpunkt schnitt
Dronedaron hingegen signifikant besser ab (42% vs. 33,3%). Dieser Unterschied
fand sich insbesondere bei den für Amiodaron typischen UAW, nicht jedoch bei
den für Dronedaron charakteristischen gastrointestinalen UAW. Unter Dronedaron
wurden weniger QT-Zeit-Verlängerungen und Bradykardien und keine
Torsade-de-Pointes-Tachykardien beobachtet.
Zur Beurteilung des Sicherheitsprofils von Dronedaron
stehen aus bisherigen Studien Daten von 6 285 Patienten zur Verfügung, von
denen 3 282 mit Verum und 2 875 mit Plazebo bei einer mittleren
Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten (in ATHENA: 21 Monate) behandelt wurden.
Die häufigsten unter Dronedaron beobachteten UAW waren: Diarrhö, Nausea,
Emesis, Erhöhung des Serumkreatinins, Exanthem, Bradykardie, QT-Zeit-Verlängerung.
Abgesehen von einer Torsade-de-Pointes-Tachykardie wurden keine
proarrhythmogenen Effekte beobachtet. Der Anstieg
des Serumkreatinins wird auf die hemmende Wirkung von Dronedaron auf einen
tubulären Kreatinin-Transporter zurückgeführt. Eine Auswirkung auf die
glomeruläre Filtrationsrate wurde nicht beobachtet. Häufigste Ursache
für ein vorzeitiges Absetzen von Dronedaron waren die gastrointestinalen UAW.
Die für Amiodaron spezifischen endokrinen, pulmonalen und neurologischen UAW
wurden unter Dronedaron nicht beobachtet.
Auf Grundlage dieser Daten kam die FDA im März 2009
in einem beschleunigten Verfahren schließlich zu einer positiven
Nutzen-Risiko-Bewertung von Dronedaron. Mit der Zulassung wird noch im
Juni/Juli 2009 gerechnet.
Mit der ATHENA-Studie ist Dronedaron zwar das erste
Antiarrhythmikum, für das eine niedrigere Letalität als unter Plazebo
nachgewiesen wurde. Dennoch ist die Substanz aus verschiedenen Gründen vorerst
kritisch zu beurteilen:
·
Die Resultate der
ANDROMEDA-Studie mit erhöhter Letalität bei dekompensierter Herzinsuffizienz
und linksventrikulärer Ejektionsfraktion < 35% geben nach wie vor Anlass zur
Besorgnis. Bei diesen Patienten sollte Dronedaron nicht angewendet werden. Die
Kriterien, nach denen Patienten mit nur mäßiger Herzinsuffizienz mit Dronedaron
behandelt werden könnten, werden in der Praxis aber nicht immer klar sein, so
z.B. Patienten, die im Verlauf ihrer Erkrankung intermittierend kardial
dekompensieren bzw. das NYHA-Stadium wechseln. In der ATHENA-Studie wurde bei
Patienten mit mäßig schwerer Herzinsuffizienz insgesamt zwar keine erhöhte
Letalität gefunden, jedoch in kleinen, deutlich unterrepräsentierten
Subgruppen.
·
Es gibt noch keine große Studie
zum direkten Vergleich mit Amiodaron und keine Evaluierung gegen andere
Antiarrhythmika, z.B. Betablocker, Propafenon.
·
Zur endgültigen Beurteilung des
Risikoprofils müssen Langzeitdaten (z.B. Spontanmeldungen von UAW nach der
Zulassung) abgewartet werden, zumal einige der für Amiodaron typischen UAW auch
erst unter länger dauernder Anwendung auftreten.
·
Es fehlen Daten zu permanentem
VHF und anderen Rhythmusstörungen, z.B. ventrikuläre Tachykardien.
Literatur
-
AMB 2007, 41, 45b.

-
Singh, B.N., et al. (EURIDIS = European trial in atrial
fibrillation or flutter patients receiving Dronedaron for the maintenance of
sinus rhythm and ADONIS = American-Australian-African trial with Dronedarone in
atrial fibrillation or flutter patients for the maintenance of sinus rhythm):
N. Engl. J. Med. 2007, 357, 987.

-
Køber, L., et al. (ANDROMEDA
- Antiarrhythmic trial with Dronedarone in moderate to severe CHF evaluating
morbidity decrease): N. Engl. J. Med. 2008, 358, 2678.

-
Thomas, K.L., et al.:
Am. Heart J. 2008, 155,
87.

-
Hohnloser, S.H., et al. (ATHENA = A placebo-controlled,
double-blind, parallel arm Trial to assess the efficacy of dronedarone 400 mg
bid for the prevention of cardiovascular Hospitalization or death from any
cause in patients with atrial fibrillation/atrial flutter): N. Engl. J. Med.
2009, 360, 668.

-
DIONYSOS = Efficacy & safety of Dronedarone versus
Amiodarone for the maintenance of sinus rhythm in patients with atrial
fibrillation:
(Zugriff am 16. Juni 2009).
-
Correspondence.
Dronedaron in Atrial Fibrillation. N. Engl. J. Med. 2009, 360, 2479.

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