Patienten mit Herzinsuffizienz und
Vorhofflimmern haben ein erhöhtes Risiko für kardioembolische und thrombotische
Ereignisse. Orale Antikoagulanzien (OAK) reduzieren dieses Risiko signifikant
(1). Sie sind daher bei permanentem oder intermittierendem Vorhofflimmern mit
hohem Evidenzgrad indiziert (2). Aber auch bei Herzinsuffizienz mit
Sinusrhythmus besteht wegen des verminderten Herzzeitvolumens eine
Hyperkoagulabilität. Bislang ist nicht geklärt, ob auch solche Patienten von OAK
bzw. ASS profitieren oder, wenn keine KHK als Grunderkrankung vorliegt,
überhaupt antithrombotisch behandelt werden sollten.
Eine weitere, häufig diskutierte Frage in
der Therapie der Herzinsuffizienz ist, ob ASS wegen seiner Prostaglandin-hemmenden
Effekte nicht die Wirkung von ACE-Hemmern abschwächt. In kleineren Studien
wurde gezeigt, dass Patienten unter ASS häufiger wegen kardialer Dekompensation
hospitalisiert werden müssen. Daher stellt sich die Frage, ob nicht ein anderer
Hemmer der Thrombozytenfunktion für herzinsuffiziente Patienten besser geeignet
ist.
Beiden Problemen sollte die WATCH-Studie (3)
nachgehen. Hierzu wurden in einer prospektiven, randomisierten kontrollierten
Studie zwischen 1999-2002 an 142 Zentren in den USA, Kanada und UK insgesamt 1 587
Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz eingeschlossen. Sie mussten eine
linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) ≤ 35% haben und im
Sinusrhythmus sein. Das mittlere Alter betrug 63 Jahre, 85% waren Männer, 73%
hatten ursächlich eine KHK. Die Randomisierung erfolgte in drei Arme: Open
label Warfarin (Ziel-INR: 2,5-3) bzw. doppeltblind 162 mg ASS oder 75 mg
Clopidogrel täglich.
Primärer Endpunkt in der WATCH-Studie war
die Kombination von Tod, nicht-tödlichem Myokardinfarkt und Schlaganfall.
Sekundäre Endpunkte waren die Häufigkeit jedes einzelnen der genannten
Ereignisse allein sowie Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.
Sicherheitsendpunkte waren größere und kleinere Blutungen. Ursprünglich war
geplant, in jede Gruppe 1 500 Patienten einzuschließen. Da der Einschluss
der Patienten aber sehr langsam erfolgte, wurde die Rekrutierungsphase
frühzeitig abgebrochen. So wurden anstelle der geplanten 4 500 Patienten
letztlich nur 1 587 randomisiert. Die berechneten statistischen Vorgaben
mussten daher nachträglich geändert werden.
Ergebnisse: Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 1,9 Jahre
(3 073 Patientenjahre). Insgesamt konnten 89 Patienten nicht weiterverfolgt
werden, und je etwa 100 Patienten in jeder Gruppe setzten die Studienmedikation
ab. Während der Nachbeobachtungsphase trat bei 10% der Patienten Vorhofflimmern
auf. Ein „Cross-over” zu OAK war im Studiendesign nicht vorgesehen. Die „Adherence”
zur Medikation wurde an Hand der zurückgebrachten Tablettenpackungen mit 80%
ermittelt. 70,4% der gemessenen INR-Werte waren im Zielbereich.
Die klinischen Ergebnisse sind in Tab. 1
wiedergegeben. Für den primären Endpunkt fanden sich keine signifikanten
Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Bei den sekundären Endpunkten fanden
sich drei geringe, aber signifikante Unterschiede:
1. Unter OAK kam es zu weniger Schlaganfällen
als unter ASS bzw. Clopidogrel. Dies ist wahrscheinlich auf die hohe Inzidenz
von Vorhofflimmern bei Herzinsuffizienz zurückzuführen (bei 10% der Patienten
wurde dies während der Studie dokumentiert; viele Episoden werden aber gar
nicht wahrgenommen).
2. Unter OAK mussten weniger Patienten wegen
Herzinsuffizienz stationär aufgenommen werden als unter ASS. Die befürchtete
Abschwächung der ACE-Hemmer-Wirkung durch ASS (162 mg/d) konnte also bestätigt
werden. Allerdings gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen ASS und
Clopidogrel.
3. Unter OAK traten vermehrt größere und
kleinere Blutungen auf als unter Clopidogrel.
Die Ergebnisse der WATCH-Studie sind
unseres Erachtens zur Entscheidung, ob und wie ein herzinsuffizienter Patient
mit Sinusrhythmus antithrombotisch behandelt werden muss, nur in wenigen
Punkten hilfreich. Liegt eine KHK vor, muss ein Patient zur Sekundärprophylaxe ohnehin
einen Thrombozytenfunktionshemmer erhalten. OAK sind in dieser Situation keine Alternative.
Clopidogrel scheint aber nicht sicherer zu sein als ASS hinsichtlich einer
ungünstigen Interaktion mit ACE-Hemmern. Ob eine geringere Dosis ASS (wie in
Europa üblich) sicherer ist, wurde nicht untersucht. Auch ist WATCH wegen der
kleineren als geplanten Gruppen, für die Beantwortung der Frage ob Clopidogrel
oder ASS günstiger ist, statistisch nicht geeignet. Dies müsste in einer neuen,
eigenen Studie beantwortet werden.
Liegt keine KHK vor (also z.B. eine
Kardiomyopathie), dann wissen wir nun, dass OAK einem
Thrombozytenfunktionshemmer nicht überlegen sind. Wir wissen jedoch nicht, ob
man überhaupt antithrombotisch behandeln sollte, da ein Plazebo-Arm fehlt.
Die Entscheidung des Studienprotokolls, Patienten,
die Vorhofflimmern entwickeln, nicht zu antikoagulieren, ist ethisch fragwürdig.
Auch ist zu kritisieren, dass die Studienergebnisse, die nach den angegebenen
Rekrutierungs- und Nachbeobachtungszeiten spätestens bereits 2005 vorgelegen
haben müssen, erst jetzt publiziert werden.
Fazit: Bei schwerer linksventrikulärer Herzinsuffizienz mit
Sinusrhythmus können orale Antikoagulanzien nicht generell empfohlen werden. Die
Indikation bleibt eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung anderer
thromboembolischer Risikofaktoren (z.B. bei vergrößertem linken Vorhof oder
Mitralinsuffizienz). Die Abschwächung der ACE-Hemmer-Wirkung durch ASS (162 mg/d)
führt, verglichen mit oralen Antikoagulanzien, zu häufigeren Dekompensationen
und Hospitalisierungen. Clopidogrel, das nicht in den Prostaglandin-Stoffwechsel
eingreift, scheint nach den vorliegenden Daten nicht sicherer zu sein.
Allerdings ist mit dem Design der WATCH-Studie keine therapeutische Gleichwertigkeit
nachzuweisen.
Literatur
-
AMB 2006, 40, 60.

-
Dickstein, K., et al.
(ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart
failure 2008): Eur. Heart J 2008, 29, 2388.

-
Massie, B.M., et al. (WATCH = Warfarin and Antiplatelet
Therapy in Chronic Heart failure): Circulation 2009, 119,
1616.

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