Zu diesem Thema erschien kürzlich ein ausführlicher
und informativer Review-Artikel in den Ann. Intern. Med. (1). Statine haben die
Behandlung atherosklerotisch verursachter Herz-Kreislauf-Erkrankungen sehr
verbessert und deren Morbidität und Letalität gesenkt. Über die gesicherten
Indikationen für Statine, gemessen an der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse
bei Patienten mit und ohne Hyperlipidämie, bei Diabetikern und
Nicht-Diabetikern, haben wir mehrfach berichtet. Statine sind umso wirksamer in
der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse, je höher das absolute Risiko für
solche Ereignisse bei definierten Patientengruppen und beim individuellen
Patienten ist.
Ein kleiner Teil der Patienten erleidet unter Statin-Behandlung
Myopathien. Wenn ein solcher Patient das Statin absetzen muss, sein
individuelles kardiovaskuläres Risiko aber sehr hoch ist, dann stellt sich die
Frage nach alternativen Therapien. Die Statin-Myopathie ist leider nicht eindeutig
definiert. Die Statin-assoziierte Myopathie (Statin-Related Myopathy
= SRM) bezeichnet eine Muskelerkrankung mit Muskelschmerzen (meist Oberschenkel
und/oder Waden oder generalisiert), Schwäche oder Krämpfen mit einer Erhöhung
der Kreatinkinase (CK)-Konzentration im Blut um mehr als das 10-fache der
oberen Referenzgrenze. Unter einer Statin-Myalgie versteht man
Muskelschmerzen und/oder Schwäche ohne CK-Erhöhung. Auch asymptomatische
Patienten können eine deutliche CK-Erhöhung haben, die nach Absetzen des
Statins zurückgeht. Die gefährlichste Statin-Komplikation ist die Rhabdomyolyse
mit Muskelsymptomen, exzessiver CK-Erhöhung (> 50facher Wert der oberen
Referenzgrenze), oft mit Myoglobinurie (brauner Urin) und Anstieg des Serum-Kreatinins
durch myoglobinurische Nephropathie. Diese schwere unerwünschte
Arzneimittelwirkung (UAW) ist selten und tritt besonders bei sehr hoher
Statin-Dosierung und bei Patienten mit meist identifizierbaren weiteren
Risikofaktoren auf (weibliches Geschlecht, geringes Körpergewicht, hohes Alter,
Multimorbidität, exzessive Muskelarbeit, Hypothyreose, Multimedikation, besonders
Kombinationen mit Fibraten, Ciclosporin, Makrolid-Antibiotika, Amiodaron,
Verapamil). Auch Myopathien oder Muskelschmerzen vor Beginn der Statin-Therapie
sind ein Risikofaktor ebenso wie der häufige Genuss von Grapefruitsaft.
Die Pathophysiologie der Statin-Myopathie ist nicht
geklärt. Diskutiert werden ein verminderter Cholesteringehalt der Myozytenmembranen,
Depletion der Zellen an Isoprenoiden (Farnesylphosphat) oder Coenzym Q10 und eine
Dysfunktion der Mitochondrien. Da Myopathien aber auch nach Einnahme von
Fibraten mit ganz anderem Wirkungsmechanismus als die Hemmung der
Cholesterinsynthese auftreten können, ist keine der Hypothesen überzeugend.
In randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) liegt
die Inzidenz der Statin-Myopathie zwischen 1% und 5%, in Beobachtungsstudien um
5%. Der Unterschied dürfte durch Ausschluss von Patienten mit erheblichem
Myopathie-Risiko in den RCT bedingt sein. In 30 RCT mit insgesamt 83 858
Patienten wurde über sieben Fälle von Rhabdomyolyse unter Statinen und fünf Fälle
unter Plazebo (!) berichtet (2). Außerhalb von Studien ist die Inzidenz
wahrscheinlich höher.
Ein wichtiger Aspekt sind Arzneimittel-Interaktionen.
So sollten Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin (Sortis®), die
durch das hepatische CYP3A4 metabolisiert werden, nicht zusammen mit
HIV-Protease-Inhibitoren eingenommen werden, da letztere das Zytochrom
inhibieren. Weitere bedeutsame CYP3A4-Hemmer sind: Clarithromycin, Erythromycin,
Cipro- und Norfloxacin, Itra-, Flu- und Ketoconazol, Fluvoxamin, Imatinib,
Verapamil, Diltiazem, Cimetidin und Amiodaron (vgl. 3). Auch Ciclosporin und Gemfibrozil
erhöhen das Risiko für eine Statin-Myopathie (4), während Fenofibrat mit einer
nicht sehr hohen Dosis eines Statins kombiniert werden kann.
Wenn unter einem Statin Myalgien ohne Erhöhung der CK
auftreten, muss der Patient entscheiden, ob er dieses Medikament weiter nimmt. Zunächst
sollte die Dosis, wenn möglich, reduziert werden. Wird bei asymptomatischen
Patienten eine leichte CK-Erhöhung feststellt (die Messung wird nicht
routinemäßig empfohlen), dann sollte der CK-Wert öfter kontrolliert werden. Bei
Myopathie mit CK-Erhöhung über das 10-fache der oberen Norm und selbstverständlich
bei Rhabdomyolyse muss das Statin abgesetzt werden.
Was aber ist zu tun, wenn das Statin abgesetzt werden
muss bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko? Es gibt verschiedene
Möglichkeiten, die aber nicht alle hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert
sind:
·
Versuch mit einem anderen Statin
oder Einnahme nur jeden zweiten bis dritten Tag. Bisher sind keine
Rhabdomyolysen unter Fluvastatin berichtet worden. In einer Studie erhielten
199 Patienten mit symptomatischer Myopathie unter anderen Statinen entweder 80
mg/d retardiertes Fluvastatin oder 10 mg/d Ezetimib (Ezetrol®) oder
beides 12 Wochen lang. Zwischen 14% und 24% der Patienten in den drei Gruppen
entwickelten wieder Muskelsymptome, aber bei nur 3%-8% musste das Präparat oder
die Kombination wieder abgesetzt werden (5). Niedrig dosiertes Rosuvastatin
(5-10 mg/d), das durch CYP2C9 metabolisiert wird, scheint bei Patienten mit
Myopathie und notwendiger Multi-Komedikation günstiger zu sein. In einer
offenen Studie war nur bei einem von 61 Patienten nach Umsetzen auch Rosuvastatin
(Crestor®) unverträglich (6). Für Rosuvastatin gibt es eine Studie
an 51 Patienten, die unter diesem Statin eine Myopathie hatten. Unter 5-10 mg
des gleichen Statins nur jeden zweiten Tag trat innerhalb von 4-5 Monaten
angeblich kein Rezidiv der Myopathie auf (7).
·
Ezetimib. 10 mg/d Ezetimib senken
das LDL-Cholesterin (LDL-C) um ca. 18% und verstärken den Effekt niedriger
Dosen von Statinen. Bei Patienten mit Statin-Myopathie tritt nach Ersatz durch
Ezetimib die Myopathie fast nie wieder auf, aber es ist weiterhin unbewiesen,
ob durch Ezetimib, das die Cholesterinresorption im Darm hemmt, das
kardiovaskuläre Risiko überhaupt reduziert wird (8). Wir halten deshalb einen
Therapieversuch mit Ezetimib nur bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulären
Risiko und unzureichender Wirkung von Statinen oder bei Statin-Intoleranz für
indiziert.
·
Gallensäurebinder: Colestipol,
Colestyramin und Colesevelam unterbrechen den enterohepatischen Kreislauf der
Gallensäure im Dünndarm und senken indirekt das LDL-C. Colestyramin war der
erste Cholesterinsenker, mit dem schon vor 25 Jahren ein Rückgang der Koronaren
Herzkrankheit bei Männern mit Hypercholesterinämie nachgewiesen wurde. Es muss
dreimal täglich eingenommen werden, verursacht keine Myopathien, aber andere
UAW, wie Magen-Darm-Beschwerden, hyperchlorämische Azidose und Hypovitaminosen (D,
K). Diese Arzneimittel können als Statinersatz eingenommen werden, jedoch
liegen keine kontrollierten Studien bei Patienten mit Statin-Myopathie vor.
Außerdem wird die Resorption vieler anderer Arzneimittel durch
Gallensäurebinder gehemmt.
·
Coenzym-Q10-Supplementierung. Coenzym
Q10 ist am Elektronentransport in den Mitochondrien beteiligt. Die Ergebnisse
verschiedener Studien zu der Frage, ob Statine zu einer Verarmung der Zellen an
Coenzym Q10 führen, sind widersprüchlich. Ebenso widersprüchlich sind die
Ergebnisse kleinerer Studien mit Coenzym-Q10-Supplementierung (100 oder 200
mg/d im Vergleich mit Vitamin A) bei Patienten mit Statin-Myopathie hinsichtlich
der Besserung der Symptome. In einem 2007 erschienenen systematischen Review
wird von der routinemäßigen Anwendung von Coenzym Q10 bei Statin-Myopathie abgeraten
(9).
Fazit: Das
Wichtigste, um eine Statin-Myopathie zu vermeiden, ist die vorsichtige
Dosierung des Statins, vor allem bei alten Menschen und bei Frauen mit
niedrigem Körpergewicht. Jede Ko-Medikation sollte hinsichtlich möglicher
Interaktionen überprüft und gegebenenfalls umgestellt werden. Bei einer milden Statin-Myopathie
sollte zunächst die Dosis gesenkt und die Begleitmedikation überprüft werden. Wenn
die Myopathie zum Absetzen des Statins zwingt, kann bei weiterhin dringlicher
Behandlungsindikation durch Umsetzen auf ein anderes Statin in niedriger Dosis,
durch die Einnahme bestimmter Statine nur jeden zweiten oder dritten Tag oder
durch Rückgriff auf einen Gallensäurebinder eine erneute Myopathie-Symptomatik
oft vermieden werden.
Literatur
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Intern. Med. 2009, 150, 858.

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Thompson,P.D., et al.:
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AMB 2008, 42, 92a.

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Jones, P.H., und Davidson, M.H.,
Am. J. Cardiol. 2005, 95, 120.

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Stein, E.A., et al.: Am. J.
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Glueck, C.J., et al.:
Clin. Ther. 2006, 28,
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Backes, J.M., et al.:
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AMB 2008, 42,
31.

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Marcoff, L., und
Thompson, P.D.: J. Am. Coll. Cardiol. 2007, 49, 2231.

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