Dies ist das Thema eines Perspektiv-Artikels im N.
Engl. J. Med. vom 29.10.2009 (1). Darin wird dargestellt, dass die
US-amerikanische Zulassungsbehörde für Arzneimittel (Food and Drug
Administration = FDA) die Studienergebnisse, die von den pharmazeutischen
Herstellern mit ihrem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels eingereicht werden,
nach intensiver wissenschaftlicher Prüfung in einer sehr detaillierten
Übersicht zusammenfasst. Auf dem Boden dieser Analyse wird eine Zulassung oder
Ablehnung begründet. Diese Übersichten sind, ebenso wie der European Public
Assessment Report (EPAR) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMEA), sehr
umfangreich und werden von Arzneimittel-verordnenden Ärzten selten gelesen.
Anhand dieser Berichte werden in den USA und Europa die Gebrauchsinformationen
für Ärzte (Fachinformation) und Patienten (Packungsbeilage) formuliert. In
Wirklichkeit jedoch werden die Texte von den pharmazeutischen Herstellern
verfasst und mit der FDA bzw. EMEA nur abgestimmt und dann veröffentlicht. Auf
diesem Weg gehen offenbar Informationen verloren, sowohl zum Ausmaß der
Wirksamkeit als auch zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW).
So wird z.B. im wissenschaftlichen Review des
Schlafmittels Eszopiclon (in den USA zugelassen unter Lunesta®),
erwähnt, dass die Anwender 15 Minuten schneller einschlafen und 37 Minuten
länger schlafen. In den Arzt- und Patienteninformationen finden sich diese
wenig eindrucksvollen Zahlen nicht, sondern nur der Hinweis, dass Lunesta®
besser wirkt als Plazebo. Für die Werbung direkt beim Verbraucher (direct-to-consumer
advertising = DTCA), wurden 2007 mehr als 750.000 US$ an einem Tag ausgegeben.
Der Umsatz erreichte 2008 etwa 800 Mio. US$. Die Wirksamkeit eines anderen
Schlafmittels (Ramelteon; in den USA unter Rozerem®, in Deutschland
nicht zugelassen) war im Vergleich mit Plazebo noch geringer, und es gab sogar
Bedenken im Risikoprofil. Beides wurde in den offiziellen Informationen nicht
vermittelt (1).
Aber auch gefährliche UAW werden unvollständig
berichtet oder gehen verloren. So war der FDA bei der Zulassung (2001) von
Zoledronsäure zur Behandlung der Hyperkalziämie bei Tumorerkrankungen bekannt,
dass die Nephrotoxizität bei der 8-mg-Dosis mehr als doppelt so hoch war wie
bei der 4-mg-Dosis (5,2% vs. 2,3%). Dies wurde zwar – ohne Angabe von Zahlen –
in den offiziellen Informationen erwähnt, die deutlich höhere Gesamtletalität
bei der höheren Dosis (33% vs. 19%) jedoch, auch in einer Neuauflage von 2008,
verschwiegen (1).
Die FDA hat inzwischen erkannt, dass es mit der
Zuverlässigkeit der offiziellen Informationen Schwierigkeiten gibt. Sie plant
deshalb, basierend auf Studien der Arbeitsgruppe um Lisa M. Schwartz und Steven
Woloshin aus Dartmouth (USA), einheitlich gestaltete „Prescription Drug Facts
Boxes”. Diese Kästchen mit Fakten zu Arzneimitteln enthalten zusammenfassende
schriftliche Informationen zum jeweiligen Medikament im Umfang von maximal
einer Seite. In randomisierten kontrollierten Studien wurde in den USA bereits
gezeigt, dass eine „Drug Facts Box” die Kenntnisse der Verbraucher hinsichtlich
Wirksamkeit und UAW von Arzneimitteln verbessert (2).
Auch in Europa ist im Rahmen der Änderung der
Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für
Humanarzneimittel hinsichtlich der Pharmakovigilanz geplant, Fachinformation
und Packungsbeilage zu verändern. Sie sollen einen kurzen Abschnitt mit den
wesentlichen Informationen über das Arzneimittel sowie Hinweise zur optimalen
Anwendung im Hinblick auf Risiken und Nutzen enthalten. Hoffentlich wird diese
Richtlinie in Europa bald umgesetzt, damit Angehörige der Gesundheitsberufe und
Patienten besser verständliche und korrekte Informationen zu Wirksamkeit und
UAW von Arzneimitteln erhalten.
Literatur
-
Schwartz, L.M., und Woloshin, S.:
N. Engl. J. Med. 2009, 361, 1717.

-
Schwartz, L.M., et al.: Ann.
Intern. Med. 2009, 150, 516.

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