Sibutramin (S) war bis jetzt in Deutschland unter dem
Handelsnamen Reductil® zur medikamentösen Behandlung der Adipositas
bei einem Body mass index > 30 kg/m² zugelassen. In Italien wurde es aber
schon 2002 aus dem Handel genommen, weil unter der Einnahme auffällig häufig
Herzfrequenz- und Blutdruckanstiege, Herzinfarkte, Schlaganfälle und/oder kardiale
Todesfälle vorgekommen waren. Wir haben darüber unter dem Titel „Den Teufel mit
Beelzebub austreiben?” berichtet (1). Der kausale Zusammenhang schien aber
nicht klar. Daher blieb S in anderen europäischen Ländern auf dem Markt. Im
Rahmen eines Verfahrens zur Risikobewertung wurde die Herstellerfirma aber
verpflichtet, eine Studie durchzuführen, die zeigen sollte, dass unter der
Therapie mit S kardiovaskuläre Erkrankungen nicht häufiger, sondern seltener
auftreten (Sibutramine Cardiovascular OUTcomes trial =
SCOUT). Während der Laufzeit von SCOUT wurde S in vielen Ländern unter
verschiedenen Warenzeichen weiterhin verkauft. Die Studie ist bis heute nicht
komplett veröffentlicht. Im Rahmen eines Risikobewertungsverfahrens wurden aber
der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) die Befunde übermittelt (2, 3) und auch
an die FDA weitergeleitet (4). Nach intensiver Analyse der Daten wurde daraufhin
empfohlen, die Marktzulassung in der EU ruhen zu lassen. Das teilte die Herstellerfirma
Abbott in einem Rote-Hand-Brief vom 22.1.2010 mit (5).
In SCOUT waren etwa 9800 adipöse Patienten mit hohen
kardiovaskulären Risiken im Mittel etwa sechs Jahre zusätzlich zur
Standardtherapie entweder mit S oder mit Plazebo behandelt worden. In der
S-Gruppe erlitten 561 von 4906 Patienten (11,4%) den primären Endpunkt
(nicht-tödlicher Herzinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall, Wiederbelebung nach
Herzstillstand oder Tod durch kardiovaskuläre Ursachen) und 490 von 4898 (10,0%)
in der Plazebo-Gruppe (p = 0,016). Das entspricht einem 16% höheren Risiko bei
den mit S behandelten Patienten. Die Daten bestätigten die frühen Erfahrungen
aus Italien (s.o.): S führt zu einem Anstieg bedrohlicher kardiovaskulärer Ereignisse,
speziell bei adipösen Patienten mit solchen Vorerkrankungen.
Zwar waren nach der Fachinformation zu S
kardiovaskuläre Erkrankungen eine Kontraindikation für die Behandlung (6).
Viele Patienten hätten also eigentlich weder in SCOUT noch in der täglichen
Praxis S erhalten dürfen. Dann wären vielleicht auch weniger Ereignisse eingetreten.
Darüber hinaus ist die Pharmakotherapie der Adipositas generell nicht sehr
erfolgreich und schon deshalb selten indiziert. Seit 2002 sind sicher viele
Patienten unter der unverständlich weit verbreiteten Therapie zu Schaden
gekommen. Angesichts der italienischen Erfahrungen hätte schon vor acht Jahren
die Marktzulassung europaweit bis zum Nachweis der Unbedenklichkeit durch die
Herstellerfirma ruhen müssen. Beelzebub hatte viel zu lange Gelegenheit, aktiv
zu sein.
Literatur
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AMB 2002, 36,
86.

-
http://www.ema.europa.eu/
…
-
http://www.bfarm.de/ …

-
http://www.fda.gov/...
-
Rote-Hand-Brief Fa. Abbott
22.1.2010. Ruhen der Marktzulassung für Reductil®.

-
Fachinformation Reductil®
(Abbott).
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