In der primären Therapie der Chronischen
lymphatischen Leukämie (CLL) wurde in den letzten Jahren die jahrzehntelang als
Standardtherapie geltende Behandlung mit Chlorambucil (Leukeran®) zunehmend
durch Purin-Analoga wie Fludarabin (Fludara®) oder Cladribin
(2-Chlor-2-desoxyadenosin = Leustatin®, Litak®) allein
oder in Kombination abgelöst. Dies basiert auf den Ergebnissen weniger
kontrollierter Studien, in denen Purin-Analoga mit Alkylanzien (z.B.
Chlorambucil) verglichen wurden. Unter Purin-Analoga fanden sich zwar höhere Remissionsraten
(auch für komplette Remissionen) und längere Remissionszeiten, aber kein längeres
Gesamtüberleben. Darüber hinaus kommt es unter Purin-Analoga auch häufiger zu
schweren Infektionen (1-3). Die Arzneimittelkosten betragen für eine 70 kg
schwere, 175 cm große Person für sechs Zyklen Fludarabin ca. 3.382 €, für
Chlorambucil über ein Jahr - abhängig von der Dosierung - dagegen nur zwischen
ca. 295 € und 561 €.
In den Studien wurden überwiegend jüngere Patienten
behandelt, obwohl ungefähr 70% aller Patienten mit CLL bei der Diagnose älter
als 65 Jahre sind (4). Bisher war unklar, ob diese älteren Patienten von einer
Fludarabin enthaltenden Erstlinientherapie stärker profitieren.
Die deutsche CLL-Studiengruppe verglich daher in
einer randomisierten, kontrollierten Studie Chlorambucil und Fludarabin bei Patienten
über 65 Jahre mit unbehandelter CLL (5). Die Studie wurde von der Deutschen
Krebshilfe, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und einem
pharmazeutischen Unternehmen (Hersteller eines Fludarabin enthaltenden Präparats)
finanziell unterstützt.
Primäre Endpunkte der Studie waren das
Gesamtüberleben und die progressionsfreie Überlebenszeit. Von 1999 bis 2004 wurden
193 behandlungsbedürftige CLL-Patienten in gutem Allgemeinzustand (Eastern
Cooperative Oncology Group performance status: 0-2) eingeschlossen. Der Altersmedian
lag bei 70 Jahren. Die Patienten erhielten sechs Zyklen Fludarabin (25 mg/m2
fünf Tage lang i.v. alle 28 Tage) oder 12 Monate lang oral Chlorambucil
zweiwöchentlich (beginnend mit 0,4 mg/kg KG; bei guter Verträglichkeit ansteigend
bis auf 0,8 mg/kg KG). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42 Monaten
schien Fludarabin überlegen zu sein, denn unter dem Purin-Analogon kam es signifikant
häufiger zu Remissionen (72% vs. 51%; p = 0,003), darunter auch signifikant
häufiger zu kompletten Remissionen (7% vs. 0%; p = 0,011). Auch war die Zeit
bis zum Therapieversagen signifikant länger (18 vs. 11 Monate; p = 0,004). Bei
der progressionsfreien Überlebenszeit zeigte sich jedoch kein Vorteil unter
Fludarabin (im Median 19 Monate vs. 18 Monate unter Chlorambucil). Außerdem überlebten
die Patienten unter Chlorambucil sogar länger: im Median 64 Monate, unter
Fludarabin dagegen nur 46 Monate (p = 0,15).
Schwere Myelotoxizität war unter Fludarabin
signifikant häufiger als unter Chlorambucil (42% vs. 23%; p = 0,005), jedoch
fand sich kein Unterschied bei Infektionen (Chlorambucil 32% vs. Fludarabin
26%; p = 0,4), einschließlich schwerer Infektionen (Chlorambucil 4% vs.
Fludarabin 8%).
Die Autoren erklären das für sie unerwartet schlechte
Ergebnis unter Fludarabin damit, dass die Dosis häufig reduziert werden musste.
Außerdem erhielten Patienten der Fludarabin-Gruppe signifikant seltener eine
Second-line-Therapie, wahrscheinlich, weil zum Zeitpunkt der Studie keine
therapeutischen Alternativen zur Verfügung standen.
Fazit: In
der Erstlinientherapie älterer Patienten mit CLL zeigt diese Studie klinisch
keinen Vorteil von Fludarabin verglichen mit Chlorambucil. Chlorambucil ist also
weiterhin für ältere Patienten mit behandlungsbedürftiger CLL eine geeignete,
wenig toxische und preiswerte Therapie.
Literatur
-
AMB 2001, 35, 06b
und 2001, 35, 14. 
-
Steurer, M., et al.:
Cochrane Database Syst Rev. 2006, 3:CD004270.

-
Catovsky, D., et al.:
Lancet 2007, 370, 230.

-
Gribben, J.G.: Blood
2010, 115, 187.

-
Eichhorst, B.F., et al. (GCLLSG = German CLL Study
Group): Blood 2009, 114,
3382.

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