Tamoxifen ist ein selektiver Östrogen-Rezeptor-Modulator,
der kompetitiv die Bindung von Östrogenen an zytoplasmatische Hormonrezeptoren
hemmt. Dadurch kommt es zu einer Abnahme der Zellteilung in bestimmten
östrogenabhängigen Geweben. Tamoxifen wird bei Hormonrezeptor-positiven
Mammakarzinomen zur adjuvanten, aber auch zur palliativen antihormonellen
Therapie eingesetzt. Beim metastasierten Mammakarzinom tritt unter Tamoxifen bei
ca. 50-60% der Patientinnen eine vollständige oder teilweise Remission vor allem
der Weichteil- und Knochenmetastasen ein. In der adjuvanten Therapie wird durch
Tamoxifen das Risiko der Patientinnen, ein Rezidiv zu erleiden und an ihrer
Tumorkrankheit zu sterben, signifikant verringert (1-3).
Tamoxifen wird in beträchtlichem Ausmaß
metabolisiert, wobei aktive und inaktive Metaboliten entstehen. Der ebenfalls
antiöstrogen wirkende Hauptmetabolit im Serum, N-Desmethyltamoxifen (Endoxifen),
wird hauptsächlich über Zytochrom CYP2D6 gebildet (1). Bei Patientinnen mit
einer genetisch bedingten verminderten Aktivität von CYP2D6 finden sich
niedrigere Plasmakonzentrationen von Endoxifen, was möglicherweise mit einer
schlechteren Prognose assoziiert ist (4, 5).
Frauen, die Tamoxifen einnehmen, werden zur Therapie
von Hitzewallungen und Depressionen häufig auch mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren
(SSRI) wie Paroxetin und Fluoxetin behandelt, die als starke CYP2D6-Hemmer
gelten. Schon seit Jahren gibt es Hinweise darauf, dass solche CYP2D6-Hemmer
die Wirkung von Tamoxifen abschwächen könnten (4). Nun weist eine aktuell
publizierte retrospektive Kohortenstudie aus Kanada auf die klinische Relevanz
dieser Interaktionen hin (6). Ausgewertet wurden die Daten von 2430 Frauen, die
mindestens 66 Jahre alt waren, zwischen 1993 und 2005 wegen Brustkrebs mit
Tamoxifen behandelt wurden und zumindest zeitweise gleichzeitig einen SSRI (einschließlich
Venlafaxin) eingenommen hatten. Primärer Endpunkt der Studie war Tod durch
Brustkrebs. Am häufigsten war Paroxetin verordnet worden (n = 630), gefolgt von
Sertralin (n = 541), Citalopram (n = 467), Venlafaxin (n = 365), Fluoxetin (n =
253) und Fluvoxamin (n = 174). Bei den Patientinnen, die Paroxetin eingenommen
hatten, zeigte sich eine erhöhte Letalität an Brustkrebs, die mit der Dauer der
Paroxetin-Behandlung zunahm. Dieser Zusammenhang war für die anderen SSRI nicht
nachweisbar.
Die Autoren berechneten, dass die Einnahme von
Paroxetin während > 41% der Behandlungsdauer mit Tamoxifen innerhalb von
fünf Jahren zu einem zusätzlichen Todesfall unter 19,7 Frauen
(95%-Konfidenzintervall = CI: 12,5-46,3) führt. Für eine Paroxetin-Einnahme
während der gesamten Dauer der Tamoxifen-Behandlung wurde sogar eine Number
needed to harm von nur 6,9 (CI: 4,3-18,6) berechnet.
Die gleichzeitige Einnahme von Tamoxifen mit dem
starken CYP2D6-Hemmer Fluoxetin war in der Studie nicht mit einer erhöhten Sterblichkeit
an Brustkrebs assoziiert. Als Grund dafür vermuten die Autoren, dass nur wenige
Frauen in der untersuchten Kohorte Fluoxetin eingenommen haben. In einem
begleitenden Editorial wird empfohlen, auch die Gabe von Fluoxetin bei
Tamoxifen-Therapie zu vermeiden, bis zusätzliche Daten vorliegen (7). Dies
entspricht der Empfehlung einer Leitlinie des National Institute for Health and
Clinical Excellence (NICE) (8). Auch in einigen Fachinformationen zu Paroxetin-haltigen
Arzneimitteln wird geraten, bei Tamoxifen-Therapie die Verwendung eines anderen
Antidepressivums mit minimaler CYP 2D6-Aktivität in Betracht zu ziehen (7, 9).
Fazit: Ergebnisse
einer retrospektiven Kohortenstudie zeigen, dass sich die Letalität beim Mammakarzinom
erhöht, wenn während einer Tamoxifen-Therapie der SSRI Paroxetin eingenommen
wird. Dies ist biologisch plausibel, da Paroxetin als starker Inhibitor von CYP2D6
die Umwandlung von Tamoxifen in einen aktiven Metaboliten hemmt (10). Vorsichtshalber
sollte Tamoxifen nicht zusammen mit starken CYP2D6-Hemmern wie Paroxetin, aber
auch Fluoxetin verschrieben werden. Wenn bei Tamoxifen-Therapie die Gabe eines
SSRI notwendig ist, sollte auf Wirkstoffe mit schwacher CYP2D6-Hemmung, wie z.B.
Citalopram oder Venlafaxin, ausgewichen werden.
Literatur
-
Ratiopharm GmbH,
Tamoxifen-ratiopharm® Tabletten, Stand März 2008.
-
AMB 2009, 43, 76
und 2005, 39, 81. 
-
AMB 2006, 40, 46
und 2004, 38, 14. 
-
Jin, Y., et al.: J. Natl.
Cancer Inst. 2005, 97,
30.

-
Schroth, W., et al.:
JAMA 2009, 302, 1429.

-
Kelly, C.M., et al.:
BMJ 2010, 340, c693.

-
Andersohn, F., und Willich, S.N.:
BMJ 2010, 340, c783.

-
http://www.nice.org.uk/nicemedia/pdf/CG80NICEguideline.pdf
(Zuletzt geprüft am 27.03.2010).

-
Ratiopharm GmbH,
Paroxetin-ratiopharm® 20 mg Filmtabletten, Stand Februar 2010.
-
Hoskins, J.M., et al.:
Nat. Rev. Cancer 2009, 9, 576.

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