Die British Society for Rheumatology hat zusammen mit
den British Health Professionals in Rheumatology kürzlich auf Expertenmeinungen
basierende Richtlinien für die Behandlung der Polymyalgia rheumatica (PMR), der
häufigsten rheumatologischen Erkrankung älterer Menschen, veröffentlicht (1).
Wir referieren diese Richtlinien, weil wir den Eindruck haben, dass viele Ärzte
in Deutschland, gemessen an diesen Richtlinien, höhere Kortikosteroid-Dosen für
die Initialtherapie verwenden. Die beiden klinischen Syndrome PMR und Riesenzell-Arteriitis
(RZA), auch unter dem Namen Arteriitis temporalis bekannt, werden oft nicht genügend
unterschieden. Die eigentliche Ursache beider Syndrome ist unbekannt. Eine
autoimmun-entzündliche, nicht-infektiöse Pathogenese scheint gesichert, und
Kortikosteroide sind die Therapeutika der Wahl. Beide Syndrome sind bei Frauen
häufiger als bei Männern. Die PMR ist häufiger als die RZA.
Die PMR betrifft meist Menschen > 50 Jahre.
Hauptsymptome sind Schmerzen im Bereich des Schultergürtels, des Beckens oder der
Oberschenkel (länger als zwei Wochen dauernd), Morgensteifigkeit der Gelenke (meist
länger als eine Stunde), eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und ein
deutlich erhöhtes C-reaktives Protein (CRP). Bei Patienten mit bekannten
Infektionen oder Malignomen, bei solchen, die Statine einnehmen
(Statin-Myopathie!), oder mit zusätzlichen peripheren Arthropathien sollten
zunächst andere Ursachen der Beschwerden in Erwägung gezogen werden.
Patienten mit RZA sind meist noch älter als
PMR-Patienten, leiden typischerweise unter Schläfen-Kopfschmerzen mit
verhärteten, manchmal schmerzhaft tastbaren Temporalarterien (Äste der A.
carotis externa). Die Symptome können insgesamt sehr vielfältig sein. Daher ist
die RZA klinisch schwierig zu diagnostizieren und wird erst durch
Arterienbiopsie bewiesen. Gravierende Komplikationen sind Sehstörungen bis zum
Visusverlust bei Beteiligung der A. ophthalmica (2) oder ischämische Insulte
bei Beteiligung der A. carotis communis/interna. Es können auch gleichzeitig oder
nacheinander Symptome der PMR und RZA beim gleichen Patienten auftreten. In einer
Studie von Bahlas et al. (3) über den Krankheitsverlauf von 149 Patient(inn)en
hatten 133 eine PMR allein, sieben eine RZA und neun beide Syndrome. Zwischen
der RZA und der Takayasu-Arteriitis (Arteriitis großer Arterien, wie Aorta,
Nierenarterien etc.) gibt es ebenfalls Überlappungen der Symptome (4).
Allerdings tritt die Takayasu-Arteriitis oft bei jüngeren Menschen und sogar
bei Kindern auf.
Da die Symptome der PMR allmählich auftreten und
wenig dramatisch sind, sollte nach gründlicher gezielter Untersuchung bei
Fehlen von Zeichen der RZA mit einer relativ niedrig dosierten Prednisolon-Therapie
begonnen werden. In den Richtlinien (1) wird der Beginn mit 15 mg/d Prednisolon
für drei Wochen empfohlen, dann 12,5 mg/d für drei Wochen, 10 mg/d für drei
Wochen und später Reduktion um jeweils 1 mg/d im Abstand von 4-6 Wochen. Dabei
sollten der Rückgang der Symptome und des CRP bzw. der BSG und etwaige Zeichen
einer RZA beachtet werden. Bei Beschwerdefreiheit kann die Therapie nach 1-2
Jahren beendet werden. Jedoch ist Wachsamkeit hinsichtlich möglicher Rezidive
nötig. Die PMR-Beschwerden sind meist innerhalb weniger Tage nach
Therapiebeginn deutlich gebessert. Ist das nicht der Fall oder treten nach zwei
Jahren Therapie Rezidive auf oder ist sich der behandelnde Arzt hinsichtlich der
Diagnose nicht ganz sicher (es bleibt immer eine klinische Diagnose), sollte
der Patient an einen Rheumatologen überwiesen werden.
Bei RZA hingegen oder bei Patienten mit PMR und
Verdacht auf zusätzliche RZA-Symptome sollte wegen der möglichen gravierenden
Komplikationen ohne Zögern sofort mit einer Anfangsdosis von 40-60 mg/d
Prednisolon begonnen werden. Hinsichtlich dieser Dosierung stimmen die Autoren
der PMR-Leitlinie (1) mit Autoren einer RZA-Leitlinie der Mayo-Clinic in den USA
und anderen Autoren überein (5, 6). Auf eine ebenso hohe Dosis sollte bei
PMR-Patienten übergegangen werden, die unter einer niedrig dosierten
Prednisolon-Therapie neue Symptome einer RZA entwickeln. Auch diese Therapie
wird Symptom-orientiert langsam reduziert innerhalb von mindestens zwei Jahren.
Wie auch bei anderen Indikationen für eine Langzeittherapie
mit Kortikosteroiden empfehlen die Autoren der PMR-Guidelines (1) eine
Osteoporose-Prävention. Patienten mit hohem Frakturrisiko (z.B. älter als 65
Jahre und frühere Frakturen) sollten ohne vorherige Knochendichte-Messung ein
Bisphosphonat, Kalzium und Vitamin D erhalten. Bei geringerem Risiko sollten Kalzium
und Vitamin D verordnet werden, evtl. nach Risikoabschätzung mittels
Knochendichte-Messung. Bei zu erwartender längerer hoch dosierter Prednisolon-Therapie
sollte von einem erhöhten Frakturrisiko ausgegangen werden.
Fazit: Die
Therapierichtlinien der British Society for Rheumatology empfehlen zur Behandlung
der Polymyalgia rheumatica (PMR) anfangs 15 mg/d Prednisolon für drei Wochen.
Unter dieser niedrigen Dosis bessern sich die Symptome meist schnell, und
unerwünschte Wirkungen des Kortikosteroids können minimiert werden. Bei
Verdacht auf Riesenzell-Arteriitis (allein oder in Kombination mit PMR) ist dagegen
sofort eine höhere Prednisolon-Dosis (40-60 mg/d) indiziert.
Literatur
-
Dasgupta, B., et al.:
Rheumatology 2010, 49,186.

-
AMB 2000, 34,
53.

-
Bahlas, S., et al.: J.
Rheumatol. 1998, 25, 99.

-
Maksimowicz-McKinnon, K.,
et al.: Medicine (Baltimore) 2009, 88, 221.

-
Warrington, K.J., und Matteson,
E.L.: Clin. Exp. Rheumatol.
2007, 25, 137.

-
Gonzalez-Gay, M.A., et
al.: Drugs Aging 2006, 23, 627.

-
Arzneiverordnungen. 22. Aufl.,
mmi-Verlag, 2009, S. 292.
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