In einer der umfangreichsten plazebokontrollierten
Präventionsstudien mit einem Statin (Rosuvastatin = Crestor®) zeigte
sich, dass Patienten etwas häufiger eine Hyperglykämie bzw. einen Diabetes
mellitus entwickelten als die Plazebo-Gruppe (1). Diesen Befund nahmen Sattar
et al. zum Anlass, in einer Metaanalyse auch andere randomisierte plazebokontrollierte
Studien mit verschiedenen Statinen im Hinblick auf neu entdeckten Diabetes
mellitus zu untersuchen (2). Insgesamt wurden 13 Studien mit 91 140
Teilnehmern anhand der von den jeweiligen Autoren ermittelten Odds Ratios (OR) evaluiert.
Bei fast gleicher Zahl von Patienten in den Verum- und Plazebo-Gruppen wurde im
mittleren Studienverlauf von vier Jahren bei 2226 Verum- und bei 2052
Plazebo-Patienten ein Diabetes mellitus neu festgestellt. Das entspricht einer
Differenz von 9% zu Lasten der Statin-Gruppen oder einer OR von 1,09 mit einem
95%-Konfidenzintervall (CI) von 1,02-1,17.
Interessant ist die Aufschlüsselung nach den in den
Studien eingesetzten Statinen: Signifikant ist das Ergebnis (häufiger neu
aufgetretener Diabetes) nur in der JUPITER-Studie (1), möglicherweise aufgrund
der sehr großen statistischen „Power” bei 17 802 Studienteilnehmern (OR:
1,26; CI: 1,04-1,51). In zwei anderen Studien mit Rosuvastatin waren die OR
auch erhöht, aber nicht signifikant. Insgesamt waren die OR in neun von 13 Studien
etwas größer als 1, in vier Studien etwas kleiner als 1. Unter Gewichtung der
Größe der jeweiligen Probandenzahlen ist die OR für alle Studien, wie oben
angegeben, 1,09. Die Autoren halten, trotz der Unterschiede zwischen
verschiedenen Statinen, die leichte Zunahme von Diabetes mellitus für einen
Klasseneffekt der Statine. Eine spezielle Auswertung zeigte, dass das gering
erhöhte Risiko nur in der Altersgruppe > 60 Jahre gegeben ist. Leicht positive
Beziehungen fanden sich auch zwischen dem Diabetes-Risiko einerseits und dem
Body Mass Index bei Eintritt in die Studie und der erreichten LDL-Cholesterin-Differenz
zwischen Statin und Plazebo andererseits. Da eine große LDL-C-Differenz auf höhere
Statin-Dosierungen hindeuten kann, spielt die Dosierung der Statine
möglicherweise eine diabetogene Rolle.
Die Studie wird von C.P. Cannon aus Boston
kommentiert (3). Er kommt zu dem Schluss, dass das gering erhöhte Risiko für
Diabetes mellitus unter einer indizierten Statin-Therapie bei weitem aufgewogen
wird durch die Risikoreduktion für Herzinfarkt, Schlaganfall und
kardiovaskulären Tod. Sattar et al. (2) berechnen, dass einer von 255 vier Jahre
lang mit einem Statin behandelten Patienten durch diese Therapie ein neuer
Diabetiker wird, während in der gleichen Zeit ca. fünf Herzinfarkte oder
Todesfälle und fast genauso viele Schlaganfälle oder koronare Interventionen
verhindert werden. Wir verweisen auch auf unsere Besprechung zweier
Metaanalysen zur Verhinderung kardiovaskulärer Ereignisse bei Diabetikern, aus
denen hervorgeht, dass Statine bei Diabetikern bei korrekter, risikoadaptierter
Anwendung ähnlich protektiv wirksam sind wie bei Nicht-Diabetikern (4, 5). Die
Situation erinnert an die Diskussion über die leicht diabetogene Wirkung von
Thiazid-Diuretika (6). Thiazid-Diuretika verhindern in der Kombinationstherapie
der Hypertonie Schlaganfälle und tödliche Komplikationen. Ihre diabetogene
Wirkung ist überwiegend durch eine Hypokaliämie vermittelt, die sich bei
niedriger Dosierung und geschickter Kombination mit eher kaliumretinierenden Antihypertensiva
(ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker, Spironolacton) vermeiden lässt.
Fazit:
Statine (statistisch in einer Studie gesichert nur Rosuvastatin) haben einen
geringen diabetogenen Effekt bei Patienten > 60 Jahre. Die referierte
Metaanalyse ergab, dass bei Behandlung von 255 Patienten mit Statinen für vier
Jahre mit einem zusätzlichen Fall von Diabetes mellitus zu rechnen ist. Diese
seltene unerwünschte Wirkung kann wegen des Nutzens einer indizierten Statin-Therapie
in Kauf genommen werden. Neben der gelegentlichen Messung von Leberenzymen und
der Kreatinkinase während einer Statin-Therapie sollte der Blutzucker ebenfalls
in das Therapiemonitoring einbezogen werden. Die Leitlinien für die Anwendung
von Statinen bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern bedürfen wegen dieses
Befundes keiner Revision.
Literatur
-
Ridker, P.M., et al.
(JUPITER = Justification for the Use of statins in Prevention:
an Intervention Trial Evaluating Rosuvastatin): N.
Engl. J. Med. 2008, 359, 2195.
S.a. AMB 2009, 43,
04. 
-
Sattar, N., et al.:
Lancet 2010, 375, 735.

-
Cannon, C.P.: Lancet
2010, 375, 700.

-
AMB 2006, 40, 53a.

-
AMB 2008, 42, 11b.

-
AMB 2007, 41, 21.

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