Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB; Sartane)
werden zur Behandlung der essentiellen Hypertonie, der Herzinsuffizienz und der
diabetischen Nephropathie eingesetzt, möglichst nur bei Unverträglichkeit von
ACE-Hemmern. Bei Beachtung von Kontraindikationen (Schwangerschaft, Nierenarterienstenose)
und enger Kontrolle bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz galten Sartane
bisher als sehr gut verträglich. Im Lancet Oncology erschien jetzt eine Metaanalyse,
die eine Assoziation zwischen der Einnahme von Sartanen und der Inzidenz
neuer Malignome in prospektiven randomisierten Therapiestudien zu belegen
scheint (1). Die Autoren aus Cleveland, USA, wurden auf das Problem durch die
2003 publizierte CHARM-Studie aufmerksam, in der die Wirksamkeit von
Candesartan (Atacand®, Blopress®) bei Herzinsuffizienz
(Laufzeit 3,1 Jahre) untersucht wurde. Es fand sich unerwartet eine signifikant
erhöhte Inzidenz von Krebsfällen (2, 3).
Sipahi et al. (1) fanden drei umfangreiche Studien
mit insgesamt ca. 40000 Studienteilnehmern, die im Mittel 4,8 Jahre lang Losartan
(Lorzaar®)oder 4,7 Jahre lang Telmisartan (Kinzalmono®,
Micardis®) im Vergleich mit anderen Antihypertensiva oder Plazebo
eingenommen hatten, und in denen die Inzidenz neuer Krebsfälle ein definierter
Studienendpunkt war. In diesen Studien war die Risk Ratio (RR) für die Sartane
mit 1,11 bei einem 95%-Konfidenzintervall (CI) von 1,04-1,18 signifikant erhöht
(p = 0,01). In diesen Studien waren angeblich alle berichteten
Krebsfälle überprüft und verifiziert worden. In zwei weiteren Studien mit
Telmisartan und Candesartan von etwas kürzerer Laufzeit war das Krebsrisiko nur
unter der Rubrik „serious adverse event” erfasst worden. Es war nicht
signifikant erhöht. In den fünf Studien zusammen war das RR für neue Malignome
mit 1,08 (CI: 1,01-1,15) jedoch noch signifikant erhöht (p = 0,016).
85,7% der Studien, in denen Krebsfälle erfasst wurden, waren mit Telmisartan
durchgeführt worden.
Hinsichtlich organspezifischer Krebserkrankungen
ergab sich für Lungenkrebs ein signifikant erhöhtes Risiko (p = 0,01),
für Prostatakrebs ein leicht erhöhtes, aber die Signifikanz verfehlendes
(p = 0,076) Risiko und für Brustkrebs kein erhöhtes Risiko. Das
einzige Sartan, das hinsichtlich eines bestimmten Organkrebses eine signifikant
erhöhte Assoziation aufweist, ist Losartan in der LIFE-Studie (4) mit 29 Fällen
von Lungenkrebs bei 4605 Verum-Patienten versus 12 Fällen von Lungenkrebs bei
4588 Vergleichs-(Atenolol-)Patienten (p = 0,01).
Das Risiko für Tod durch Krebserkrankung in den
ausgewerteten Studien war nicht signifikant erhöht (RR: 1,07; CI: 0,97-1,18).
In diese Auswertung wurden auch zwei Studien mit Valsartan (Cordinate®,
Diovan®, Provas®) als Prüfsubstanz versus den ACE-Hemmer Captopril
(zusammen etwa 20000 Patienten) einbezogen, in denen das Risiko für Tod durch Krebs
nicht erhöht war (RR: 0,99 bzw. 1,0).
Obwohl die meisten für die Metaanalyse zur Verfügung
stehenden Studien mit Telmisartan durchgeführt wurden, sehen sich die Autoren
nicht in der Lage zu entscheiden, ob das mögliche Krebsrisiko bei
unterschiedlichen Sartanen verschieden ist. Sie halten weitere Studien zum
Krebsrisiko für erforderlich. Hinsichtlich des Wirkmechanismus für eine
Förderung des Wachstums von Malignomen diskutieren sie einen Effekt von Angiotensin-Typ 1-
und -Typ 2-Rezeptoren auf Zellproliferation, Angiogenese oder
Tumorwachstum. Vorklinische Tierversuche hatten allerdings keinen Hinweis auf eine
Karzinogenität der Sartane ergeben.
Der Kommentator dieser Metaanalyse in der gleichen
Zeitschrift, S.E. Nissen aus Cleveland, USA, fordert die Überwachungsbehörden
wie FDA oder EMA auf, von den Herstellerfirmen nicht publizierte, genauere
Studienunterlagen anzufordern, die möglicherweise eine bessere
Risikoabschätzung erlauben (5). In der Zwischenzeit sollten Ärzte Sartane,
besonders Telmisartan, mit großer Zurückhaltung verschreiben, bei gesicherter
Indikation und möglichst nur bei erwiesener Unverträglichkeit von ACE-Hemmern.
Auch aus Kostengründen halten wir diese Empfehlung für richtig.
Fazit:
Eine umfangreiche Metaanalyse ergab unerwartet eine signifikante Assoziation
zwischen der Einnahme von Sartanen und dem Auftreten neuer Krebserkrankungen in
umfangreichen prospektiven Studien von 3 bis 4,8 Jahren Dauer. Für Lungenkrebs
war die Assoziation signifikant, leicht erhöht für Prostatakrebs und nicht
erhöht für Brustkrebs. Sartane sollten sehr zurückhaltend und möglichst nur bei
Unverträglichkeit von ACE-Hemmern verordnet werden.
Literatur
-
Sipahi, I., et al.:
Lancet Oncol. 2010, 11,
627.

-
Pfeffer, M.A., et al. (CHARM-Overall = Candesartan in Heart
failure Assessment of Reduction in Mortality and
morbidity-Overall): Lancet 2003, 362, 759.

-
AMB 2003, 37,
90.

-
Dahlöf, B., et al.
(LIFE = Losartan Intervention For Endpoints
reduction in hypertension): Lancet 2002, 359, 995; S.a. AMB 2001, 35,
73
und 2003, 37, 51. 
-
Nissen, S.E.: Lancet
Oncology 2010, 11, 605.

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