Zusammenfassung: Eine aktuelle
Metaanalyse ergab, dass Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom oder bösartigem
Tumor des gastroösophagealen Übergangs durch eine Chemotherapie im Vergleich zu
optimalen supportiven Maßnahmen einen Überlebensvorteil haben. Ein
Überlebensvorteil zeigte sich auch bei einer Kombinations- im Vergleich zu
einer Monochemotherapie, wobei Schemata mit drei Wirkstoffen gegenüber Schemata
mit zwei Wirkstoffen statistisch überlegen sind. Bei Patienten mit
HER2-negativen Tumoren empfiehlt sich - in Übereinstimmung mit amerikanischen
Leitlinien (2) - die kontinuierliche i.v. Gabe von 5-FU oder Capecitabin oral
in Verbindung mit einem oder mehreren der folgenden Wirkstoffe: Cisplatin,
Oxaliplatin, Doxorubicin, Adriamycin, Epirubicin, Docetaxel, Paclitaxel und
Irinotecan. In Anbetracht der Toxizität und Kosten bei nicht erwiesenem
Überlebensvorteil sind Oxaliplatin, Doce-/Paclitaxel oder Irinotecan als Mittel
der ersten Wahl allerdings nicht gerechtfertigt.
Das Behandlungsziel bei Patienten mit Magenkarzinom
im fortgeschrittenen Stadium ist palliativ. Es geht darum, das Fortschreiten
der Krankheit zu verlangsamen, das Überleben zu verlängern und vor allem die durch
die Krankheit verursachten Beschwerden zu mildern. Dafür werden auch in
fortgeschrittenen Stadien chirurgische Maßnahmen durchgeführt, um z.B. Schmerzen zu lindern. Zusätzlich werden in
Abhängigkeit vom Stadium der Erkrankung und den Eigenschaften des Patienten Chemotherapie
und/oder Strahlentherapie angeboten. Obwohl viele verschiedene Mono- und
Kombinationschemotherapien in klinischen Studien geprüft worden sind, gibt es
keinen Konsens über den Therapiestandard. Unsicherheit besteht sowohl darüber,
ob eine Kombinationschemotherapie einer Monochemotherapie überlegen ist, als
auch hinsichtlich der Wirkstoffe der Wahl. Diese Fragen wurden nun ebenso wie die
Frage nach der Wirksamkeit einer Chemotherapie im Vergleich zu optimalen
supportiven Maßnahmen in einem aktuellen Cochrane-Review untersucht (1).
Eingeschlossen wurden 35 randomisierte
kontrollierte Studien mit insgesamt 5726 Patienten mit fortgeschrittenem, rezidiviertem
oder metastasiertem Magenkarzinom (T3-T4 NxM0 bei Inoperabilität; alle TxNxM1)
oder Tumor des gastroösophagealen Übergangs. In den Studien waren die
Wirksamkeit einer Chemotherapie im Vergleich mit optimalen supportiven
Maßnahmen sowie von zytostatischen Schemata mit nur einem Wirkstoff vs. mehreren
Zytostatika und verschiedene Polychemotherapien untereinander untersucht worden.
Primärer Endpunkt der Metaanalyse war das Gesamtüberleben. Die „Lebensqualität”
während der verschiedenen Therapieformen war (leider) nicht Gegenstand des
Reviews.
Für den Vergleich Chemotherapie vs. optimale
supportive Maßnahmen fanden sich drei Studien aus den 90iger Jahren mit
insgesamt 184 Patienten. Die Metaanalyse ergab einen Überlebensvorteil bei
Patienten, die eine Chemotherapie erhalten hatten (Hazard ratio = HR: 0,37; 95%-Konfidenzintervall
= CI: 0,24-0,55), entsprechend einer Verlängerung der medianen Überlebenszeit
von 4,3 auf 11 Monate. Allerdings vermuten die Autoren des Reviews, dass der
Effekt der Chemotherapie bei diesem Vergleich auf Grund der geringen
Patientenzahl und methodischer Limitationen in den eingeschlossenen Studien überschätzt
wird.
Außerdem ergab das Cochrane-Review, dass
eine Kombinationschemotherapie einer Behandlung mit nur einem Wirkstoff
überlegen ist (HR: 0,82; CI: 0,74-0,90; 1914 Patienten; durchschnittliche
mediane Überlebenszeit ca. 8,3 vs. 6,7 Monate). Darüber hinaus zeigten Therapieschemata
mit drei Wirkstoffen einschließlich Cisplatin, einem Fluoropyrimidin (5-Fluorouracil
= 5-FU oder Capecitabin = Xeloda®) und einem Anthrazyklin (Epirubicin, Adriamycin oder
Doxorubicin) einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Therapieschemata
mit zwei Wirkstoffen einschließlich entweder Cisplatin und 5-FU (HR: 0,77; CI:
0,62-0,95; 501 Patienten; Unterschied in der durchschnittlichen Überlebenszeit
ca. zwei Monate) oder einem Anthrazyklin und 5-FU (HR: 0,82; CI: 0,73-0,92;
1147 Patienten; Unterschied in der durchschnittlichen Überlebenszeit ca. ein
Monat). Beim Vergleich von Schemata mit bzw. ohne Irinotecan bzw. mit oder ohne
Docetaxel (Taxotere®) stellte sich nur ein statistisch nicht-signifikanter
Überlebensvorteil für die Irinotecan (Campto®) bzw. Docetaxel
enthaltenden Regime dar.
Die Übertragbarkeit der Ergebnisse ist
etwas eingeschränkt, weil die Patienten der meisten Studien nur eingeschränkt
repräsentativ für alle Patienten mit Magenkarzinom waren, u.a. waren sie jünger
und Patienten mit Vorerkrankungen waren ausgeschlossen worden.
Therapien, die sich gezielt gegen
neoplastische Zellen richten sollen (so genannte targeted therapies), waren
nicht Gegenstand des Reviews. Trotzdem verweisen die Autoren auf die noch
unveröffentlichten Ergebnisse der ToGA-Studie, in der Trastuzumab (Herceptin®) bei
fortgeschrittenen Karzinomen des Magens und gastroösophagealen Übergangs
untersucht wird. Sie empfehlen den Einsatz des Antikörpers bei Patienten mit
HER2-positiven Tumoren (Vgl. 3).
Literatur
-
Wagner,
A., et al.: The Cochrane library 2010, Issue 5. (Zuletzt geprüft am 15.6.2010).

-
National
Comprehensive Cancer Network®. NCCN clinical practice guidelines in
oncologyTM. Gastric cancer. V.2.2010.
(Zuletzt geprüft am 15.6.2010).

-
AMB 2010, 44,
58.

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