Im Lancet erschien kürzlich eine randomisierte,
plazebokontrollierte Crossover-Studie zur Behandlung der stabilen Angina
pectoris (AP) mit hoch dosiertem Allopurinol (1). Allopurinol reduziert
offenbar den myokardialen Sauerstoffverbrauch für eine gegebene
Herzauswurfleistung, möglicherweise durch Erhöhung der Konzentration von AMP in
den Myozyten als Substrat für die ATP-Synthese. Auch soll die Funktion des koronaren
Endothels verbessert werden. Der genaue Mechanismus ist aber nicht bekannt.
A. Noman et al. aus Dundee, Schottland (1), rekrutierten
in drei Krankenhäusern der Tay-Region 65 Patienten (darunter 10 Frauen) mit
stabiler Angina pectoris im mittleren Alter von 64,6 Jahren, die in den letzten
Monaten keine Revaskularisation der Koronararterien erhalten hatten, deren
Nierenfunktion normal war und die körperlich in der Lage waren, wiederholte Standard-Ergometertests
durchzuführen. Alle Patienten hatten eine angiografisch gesicherte
Koronarsklerose. Sie durften alle zuvor verordneten Medikamente weiter einnehmen.
Die Studie bestand in der je sechswöchigen doppeltblinden Einnahme von
Allopurinol oder Plazebo gefolgt von Plazebo oder Allopurinol ohne „washout”. In
der ersten Woche wurden 100 mg/d Allopurinol (oder Plazebo), in der
zweiten Woche 300 mg/d und danach zweimal 300 mg/d gegeben. Initial
wurden zwei basale Standard-Ergometertests mit folgenden Zielkriterien
durchgeführt: Gesamt-Ergometer-Zeit; Zeit bis zu einer ST-Strecken-Senkung
> 1 mm im EKG mit 12 Ableitungen; Zeit bis zum Auftreten von AP. Am
Ende jeder Behandlungsperiode wurde der Standard-Ergometertest wiederholt. Die
Tests nach Plazebo oder Allopurinol wurden gepoolt und verblindet ausgewertet.
Ergebnisse:
Die Gesamt-Ergometer-Zeit verlängerte sich von im Mittel basal 301 Sekunden
nach Allopurinol um 92 Sekunden, nach Plazebo um sechs Sekunden. Die Zeit bis
zur ST-Strecken-Senkung verlängerte sich von basal 232 Sekunden um 66 bzw. 17
Sekunden und die Zeit bis zum Auftreten von AP von basal 234 Sekunden um 70
bzw. 38 Sekunden. Alle Unterschiede sind signifikant. Eine offenbar nicht
systematische Befragung ergab, dass viele Patienten während der Einnahme von
Allopurinol weniger AP-Episoden hatten und seltener ein Nitropräparat anwenden
mussten.
Laborkontrollen ergaben nur eine geringe Erhöhung der
Alanin-Transaminase. Bei diesen nicht herzinsuffizienten Patienten fiel das Brain
natriuretic peptide (BNP) unter Allopurinol-Behandlung signifikant ab, nicht aber
unter Plazebo. Das CRP änderte sich nicht.
Die Autoren halten die Ergebnisse für klinisch
bedeutsam, da Allopurinol vor dem Hintergrund einer für optimal gehaltenen
Basistherapie die Leistung und Beschwerden im Ergometertest deutlich
verbesserte. Zudem sei die Therapie gut verträglich und preiswert. Die
Kommentatoren der Studie im gleichen Heft des Lancet, ebenfalls aus Schottland
(2), diskutieren den klinischen Effekt und mögliche Wirkmechanismen von
Allopurinol bei AP-Patienten und vergleichen sie mit denen anderer neuerer
Arzneimittel (Nicorandil = Dancor®, Ivabradin = Procoralan®
[3], Trimetazidin = Vastarel®, Ranolazin = Ranexa®), die
zum Teil für die Therapie der AP zugelassen sind oder noch in Studien geprüft
werden.
Allopurinol müsste im Falle einer Zulassung für diese
Indikation in einer bisher für die Langzeitmedikation nicht erprobten hohen Dosierung
eingenommen werden, gegen die wir erhebliche Bedenken haben. Allopurinol führt
nicht selten zu makulopapulösen Hautausschlägen und ist in Europa die häufigste
Ursache des Stevens-Johnson-Syndroms (Toxische epidermale Nekrolyse; 4). Es
kann zu einer granulomatösen Hepatitis und zur allergischen interstitiellen
Nephritis führen und interferiert mit zahlreichen, potenziell gefährlichen Arzneimitteln.
Die Toxizität nimmt bei Dosen > 300 mg/d zu (5).
Die Studie wurde durch die British Heart Foundation
unterstützt. Die Universität von Dundee und einer der Koautoren (A.D.
Struthers) haben die Verwendung von Xanthinoxidase-Inhibitoren zur Therapie der
Angina pectoris als Patent angemeldet. Möglicherweise ist es auch kein Zufall,
dass das weitgehend gesicherte Monopol von Allopurinol als Harnsäuresenker in
der Therapie der Gicht zur Zeit durch die neue Substanz Febuxostat (Adenuric®,
s. 6), einen Nicht-Purin-Hemmer der Xanthinoxidase, angegriffen wird. Aus
der besprochenen Studie geht nicht hervor, ob Pharmafirmen als Sponsoren
beteiligt waren.
Fazit:
Allopurinol in einer Tagesdosis von zweimal 300 mg/d scheint in dieser
Studie bei bereits schulmäßig medikamentös behandelten Patienten mit stabiler
Angina pectoris die Belastungstoleranz zu erhöhen. Wegen der hohen Dosierung sind
jedoch häufige und schwere UAW zu erwarten, die in einer Kurzzeitstudie mit
wenigen Patienten nicht erfasst werden können.
Literatur
-
Noman, A., et al.: Lancet
2010, 375, 2161.

-
Antony, R., und Dargie,
H.J.: Lancet 2010, 375, 2126.

- AMB 2008, 42, 87.

-
AMB
1993, 27, 09.
-
Arzneiverordnungen, 22. Auflage,
mmi-Verlag 2009, S. 1064.
-
Becker, M.A., et al. (FACT = Febuxostat versus Allopurinol
Controlled Trial): N. Engl. J. Med. 2005, 353, 2450.
S.a.
AMB 2006, 40, 19. 
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