Die Übertragung von autologen hämatopoetischen
Stammzellen gehört heute bei einigen malignen Krankheiten, insbesondere
hämatologischen Neoplasien, zum Therapiestandard. So ermöglicht, z.B. bei
Multiplem Myelom, die Transfusion autologer hämatopoetischer Stammzellen eine
hoch dosierte Chemotherapie mit Melphalan, da sie zu einer schnelleren
Regeneration des Knochenmarks führt. Transplantationen allogener hämatopoetischer
Stammzellen werden z.B. im Rahmen der Behandlung von akuten Leukämien
eingesetzt (1). Zur Stammzell-Therapie beim akuten Myokardinfarkt, über die wir
wiederholt kritisch und skeptisch berichtet haben (2), laufen verschiedene
Forschungsprogramme.
Davon zu unterscheiden sind Stammzell-Therapien, die ohne
ausreichende wissenschaftliche Grundlage weltweit zunehmend in Privatkliniken Patienten
mit verschiedenen schweren und z.T. tödlichen Krankheiten angeboten werden, obwohl
über ihre Wirksamkeit und ihr Risiko fast nichts bekannt ist (3). Die Privatkliniken
sind überwiegend in Staaten beheimatet, in denen die Regularien zur
Durchführung von Behandlungen von Menschen nicht streng sind, wie z.B. China
oder der Ukraine. Es gibt solche Kliniken jedoch auch in Westeuropa und auf
Grund einer Gesetzeslücke (4) sogar in Deutschland, wovon sich einige Patienten
Seriosität und Qualität versprechen dürften. Das sogenannte XCell-Center beispielsweise
ist in Krankenhäusern in Düsseldorf und Köln ansässig (5). Es bietet eine
Behandlung mit körpereigenen, adulten Stammzellen für so unterschiedliche
Krankheiten wie Diabetes mellitus (Typ 1 und 2, ebenso die Folgeerkrankungen)
und Schlaganfall sowie neurologische Erkrankungen, insbesondere
Rückenmarkverletzungen, Multiple Sklerose, amyotrophe Lateralsklerose (ALS), M.
Parkinson und M. Alzheimer an. Auch Arthritis, Herzerkrankungen,
Augenerkrankungen, Neuropathien und Inkontinenz werden dort behandelt. Eine
Stammzell-Implantation direkt in das Gehirn kostet einen Parkinson-Patienten
laut Website 25.500 €. Die Behandlung der ALS ist schon für 7.995 € zu haben. Dafür
wird dem Patienten Knochenmark entnommen, und daraus aufbereitete Zellen werden
intrathekal reinfundiert. Auf Anfrage nach der Evidenz für diese Behandlung der
ALS schickte ein Arzt des XCell-Centers sieben Publikationen, von denen allerdings
nur zwei klinische Prüfungen bei Patienten mit ALS waren. Geschildert werden
zwei Phase-I-Studien einer Arbeitsgruppe bei neun, bzw. zehn Patienten (6, 7),
aus denen sich natürlich keine ausreichenden Daten zur Wirksamkeit und
Sicherheit des Verfahrens ergeben. Außerdem wurden eigene Studien versprochen,
die aber nie ankamen.
Hinweise auf die Risiken von nicht adäquat geprüften Stammzell-Therapien
ergeben sich z.B. aus einer Publikation aus Israel, in der über einen Jungen
mit einer Ataxia teleangiectatica (Louis-Bar-Syndrom) berichtet wird, der vier
Jahre nach einer intrazerebellären und intrathekalen Injektion von menschlichen
fetalen Stammzellen in einer Klinik in Moskau einen multifokalen Gehirntumor
entwickelte, der aus Zellen von mindestens zwei Spendern entstanden war (8).
Im Internet wird inzwischen auf mehreren Websites vor
den dubiosen Stammzell-Therapien gewarnt, z.B. von der Deutschen Multiple
Sklerose Gesellschaft (9), aber auch von der Ärztekammer Nordrhein (10). Diese Seite
ist in mehreren Sprachen verfügbar, außerdem finden sich hier nützliche
weiterführende Links. Im British Medical Journal wurde kürzlich darauf
hingewiesen, dass die „International Society for Stem Cell Research” eine Website
mit Informationen für Patienten eingerichtet hat (11). Es wird außerdem die
Beurteilung von Kliniken angeboten. Wir haben um eine Prüfung des XCell-Centers
gebeten; über das Ergebnis werden wir wieder berichten.
Fazit: Zahlreiche
Kliniken weltweit nutzen Hoffnungen von Patienten aus, indem sie behaupten,
Schwerkranke mit neuen und effektiven Stammzell-Therapien behandeln zu können,
obwohl dafür eine wissenschaftliche Grundlage fehlt. Die Kosten für diese
Verfahren liegen bei vier- bis fünfstelligen Eurobeträgen. Dass dies auch in
Deutschland möglich ist, halten wir für skandalös und nicht akzeptabel.
Literatur
-
Ljungman, P., et al.:
Bone Marrow Transplant. 2006, 37, 439.

-
AMB 2006, 40,
21a
und 84. 
-
Roehr, B.: BMJ 2010, 340,
c3271.

-
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,652890,00.html.
Zuletzt geprüft am 8.8.2010.

-
http://www.xcell-center.com/.
Zuletzt geprüft am 8.8.2010.
-
Mazzini, L. et
al.: J. Neurol. Sci. 2008, 265, 78.

- Mazzini, L., et al.: Exp. Neurol. 2010, 223, 229.

-
Amariglio, N., et al.:
PLOS 2009, 6, e1000029.

-
Deutsche Multiple Sklerose
Gesellschaft Bundesverband E. V.:
. Zuletzt geprüft am 8.8.2010.
- Ärztekammer Nordrhein:
.
Zuletzt geprüft am 8.8.2010.
- http://www.closerlookatstemcells.org//AM/Template.cfm?Section=Home.
Zuletzt geprüft am 8.8.2010.

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