Man schätzt, dass weltweit ca. 170 Mio. (1), in
Deutschland 400000-800000 Menschen an einer chronischen Hepatitis C erkrankt
sind. Die Dunkelziffer ist jedoch sehr hoch. Die Standardtherapie der
chronischen Hepatitis C besteht zur Zeit aus pegyliertem Interferon alfa und
Ribavirin. Allerdings kann mit dieser Behandlung bei dem in Europa und
Nordamerika häufigsten Genotyp 1 nur in 40-50% eine anhaltende Viruselimination
(SVR) erreicht werden (2). Schlecht sind die Erfolgsaussichten bei Patienten,
die auf die Standardtherapie nicht ansprechen (Non-responder). Wir haben kürzlich
über eine verbesserte Ansprechrate unter Telaprevir berichtet, das die virale
Protease hemmt (3). Nun ist eine weitere Phase-II-Studie mit einem anderen
Protease-Inhibitor (NS3 = Boceprevir) publiziert worden (4).
Die Studie bestand aus zwei Teilen und wurde von
Merck/USA finanziert. Im ersten Teil wurden insgesamt 520 bis dahin
unbehandelte Patienten mit chronischer Genotyp-1-Hepatitis C aus 67 Zentren in
USA, Kanada und Europa eingeschlossen. Die Patienten wurden im ersten Teil in
fünf Gruppen mit folgender Therapie randomisiert:
1. Gruppe
(n = 104): die Standardtherapie: PR48 = pegyliertes Interferon alfa
plus Ribavirin 48 Wochen),
2. Gruppe
(n = 103): zunächst vier Wochen die Standardtherapie, danach
zusätzlich weitere 24 Wochen dreimal täglich 800 mg Boceprevir
(PR4/PRB24),
3. Gruppe
(n = 103): zunächst vier Wochen die Standardtherapie, danach
zusätzlich weitere 44 Wochen dreimal täglich 800 mg Boceprevir
(PR4/PRB44),
4. Gruppe
(n = 107): die Standardtherapie und zusätzlich dreimal täglich
800 mg Boceprevir von Anfang an für 28 Wochen (PRB28),
5. Gruppe
(n = 103): die Therapie der 4. Gruppe wurde auf 48 Wochen ausgedehnt (PRB48).
In den Gruppen
2 und 3 wurde ein sogenanntes Lead-in-Design gewählt. Hier steckt der Gedanke
dahinter, dass die Viruslast durch die vorausgegangene vierwöchige Standardtherapie
bereits so weit gesenkt ist, dass sich bei Zugabe des Protease-Inhibitors seltener
Resistenzen gegen diesen bilden.
Im zweiten Teil der Studie wurden 75 Patienten in
zwei Arme aufgeteilt, 16 in den schon bekannten PRB48 und 59 in das gleiche
Regime, nur mit niedrigerer Ribavirin-Dosis (statt 800-1400 mg/d hier 400-1000 mg/d).
Die Stratifizierung der Gruppen war hinsichtlich Ausgangsviruslast, Alter,
Geschlecht, Rasse, Fibrosegrad und Erhöhung der Leberwerte ähnlich. In allen
vier Boceprevir-Gruppen zeigte sich ein besseres SVR als unter der Standardtherapie.
Die SVR-Ergebnisse waren wie folgt: in Gruppe 4 (PRB 28) 58/107 (54%;
p = 0,013), in Gruppe 2 (PR4/PRB24) 58/103 (56%; p = 0,005),
in Gruppe 5 (PRB48) 69/103 (67%; p < 0,0001) und in Gruppe 3
(PR4/PRB44) 77/103 (75%; p < 0,0001) vs. Standardtherapie (Gruppe
1) 39/104 (38%). In der niedrig dosierten Ribavirin-Gruppe des zweiten Teils
der Studie waren „Non-responder” und „Relapse” häufiger, ähnlich wie unter der
Standardtherapie. In den Boceprevir-Gruppen entwickelten sich häufiger Anämien (227/416 = 55%
vs. 35/104 = 34%) und Störungen der Geschmacksempfindung (111/416 = 27%
vs. 9/104 = 9%).
Diese SPRINT1- wie auch die Telaprevir-Studien PROVE1-3
(2, 6, 7) zeigen, dass die Zugabe von Protease-Inhibitoren zur Standardtherapie
die Viruselimination bei Patienten mit chronischer Genotyp-1-Hepatitis C
signifikant verbessern kann (vgl. Tab. 1). Das Lead-in-Design hatte keinen
ausgeprägten Effekt, vielmehr war die Dauer der Therapie von entscheidender
Bedeutung für die SVR. In der niedrig dosierten Ribavirin-Gruppe des zweiten
Teils der Studie waren Non-responder und Relapse häufiger, ähnlich wie unter
der Standardtherapie. In den Studien sind aber auch Anämien aufgefallen
(hauptsächlich eine UAW von Ribavirin), deren Ausmaß mit der SVR korreliert. Dieser
Effekt war auch schon in der Telaprevir-Studie aufgefallen. Ein niedriges Hb
scheint die SVR positiv zu beeinflussen. Die bisher publizierten Studien mit verschiedenen
Protease-Inhibitoren lassen wegen des unterschiedlichen Designs keinen direkten
Vergleich zu. Vorsichtig kann man aber folgern, dass die Verbesserung der SVR etwa
gleich groß ist, die UAW unter Boceprevir aber geringer zu sein scheinen. Wegen
der möglichen viralen Resistenzen gegen Protease-Inhibitoren ist es günstig,
Alternativen zur Verfügung zu haben. Dies bestätigte sich auch in dieser Studie.
Fazit: Der
Protease-Inhibitor Boceprevir verbessert wie auch Telaprevir als Bestandteil einer
Kombinationstherapie bei chronischer Genotyp1-Hepatitis C das anhaltende
virologische Ansprechen.
Literatur
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Erratum:
N. Engl. J. Med. 2010, 362, 1647.
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Schiff, E., et al.: J.
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