Vor zehn Jahren haben wir das Thema Climacterium
virile diskutiert und festgestellt, dass es ein solches nicht gibt (1). Das
Serum-Testosteron, besonders der freie, nicht an Sexualhormon-bindendes Globulin
(SHBG) gebundene Anteil, ist jedoch bei Männern zwischen 70 und 80 Jahren im
Mittel um etwa 50% niedriger als im dritten Lebensdezennium (1). Bereits die
vor zehn Jahren vorliegenden Therapiestudien ließen Zweifel daran aufkommen,
dass eine Testosteronsubstitution bei älteren Männern mit altersüblichen
Gebrechen die „Lebensqualität” deutlich verbessern kann. Allerdings gibt es
auch alte Männer mit ausgeprägtem und klar definiertem primärem oder sekundärem
Hypogonadismus, die mit Testosteron behandelt werden müssen. Auch dies ist ein
Unterschied zur alternden Frau, deren physiologischer Hypogonadismus jenseits
des sechsten Lebensdezenniums nicht mit Sexualhormonen behandelt werden soll
(2).
Im N. Engl. J. Med. erschienen kürzlich zwei Artikel
und ein Kommentar zu den Themen Altershypogonadismus des Mannes und Testosterontherapie.
F.C. Wu et al. aus Manchester, Großbritannien, ermittelten in acht Zentren bei
3369 Männern zwischen 40 und 79 Jahren per Fragebogen Beschwerden im sexuellen,
physischen und psychologischen Bereich und korrelierten sie mit den Ergebnissen
des am Morgen gemessenen Gesamt- und freien Testosterons (3). Die Symptome
geringe morgendliche Erektionen, geringe Libido und erektile Dysfunktion sowie
körperliche Schwäche, Depression und Müdigkeit korrelierten signifikant mit den
Testosteron-Konzentrationen. Die drei Beschwerden im sexuellen Bereich waren
bei Männern mit relativ niedrigen Werten des Gesamt- (2,3-3,7 ng/ml = 8-13 nmol/l)
und des freien Testosterons (46-81 pg/ml = 160-280 pmol/l) häufiger,
und Testosteronwerte < 3,2 ng/ml = < 11 nmol/l
könnten bei älteren Männern in Verbindung mit den drei sexuellen Symptomen zur Definition
des „Altershypogonadismus” herangezogen werden. Allerdings hatten auch etwa 25%
der Männer mit normalen Testosteronwerten ähnliche sexuelle Beschwerden, so
dass die Spezifität als Hinweis auf Altershypogonadismus gering ist. Bei
älteren Männern mit „echtem” Hypogonadismus, z.B. nach Erkrankung oder Entfernung
der Hoden oder infolge Hypophysenerkrankungen, sind die Testosteronwerte meist
weit unterhalb des oben angegebenen Grenzwerts.
S. Basaria et al. aus Boston, USA, untersuchten in
einer doppeltblinden randomisierten Studie bei insgesamt 209 Männern über 65
Jahre (im Mittel 74 Jahre) mit zahlreichen Erkrankungen und körperlicher
Gebrechlichkeit sowie relativ niedrigen Serum-Testosteronwerten
(1-3,5 ng/ml = 3,5-12,1 nmol/l) den Effekt einer
transdermalen Testosteronsubstitution auf die mit bestimmten Tests ermittelte
körperliche Leistungsfähigkeit (Bein-Drucktest, Händedruck, Treppensteigen mit
und ohne Last etc.; 4). Testosteron in relativ hoher Dosis oder Plazebo wurde
als Gel sechs Monate lang appliziert. Zwei Wochen nach Therapiebeginn wurde
Serum-Testosteron gemessen und bei Werten < 5 ng/ml oder
> 10 ng/ml die Testosterondosis erhöht oder erniedrigt. Die
Probanden wurden offenbar nicht zu größerer körperlicher Aktivität angehalten. Nach
sechs Monaten schnitten die Verum-Probanden in allen körperlichen Leistungstests
besser ab als die Plazebo-Probanden, allerdings nur in zwei der Tests
signifikant. Auf Empfehlung des „Safety monitoring board”, eine Art
unabhängiger Aufsichtsrat, der alle derartigen Studien überwacht und die
Ergebnisse im Verdachtsfall entblinden darf, wurde die eigentlich auf längere
Laufzeit angelegte Untersuchung abgebrochen, weil in der Verum-Gruppe 23, in
der Plazebo-Gruppe nur fünf „Cardiovascular related events” eingetreten waren (Verum:
zwei Herzinfarkte, einer davon tödlich, ein Akutes Koronarsyndrom, zweimal
Synkopen, fünfmal Ödeme, dreimal Blutdrucksteigerung etc.; Plazebo: eine
Synkope und vier wenig dramatische UAW).
Die Ergebnisse der Studie wurden ungewöhnlich
ausführlich auf 13 Druckseiten mitgeteilt. Der Kommentator, W.J. Bremner aus
Seattle, USA, fragt sich und die Leser, ob der Abbruch der Studie durch das Monitoring
board richtig war, bejaht die Frage aber am Ende (5). Bremner hält weitere
Studien zur Testosteronsubstitution bei älteren Männern für indiziert, analog
den von uns mehrfach referierten WHI-Studien bei postmenopausalen Frauen (z.B.
2). Wir können uns dieser Empfehlung nicht anschließen, da es bereits viele Therapiestudien
gibt. Die wichtigsten werden bei S. Basari et al. (4) zitiert. Eine
Testosteronsubstitution ist bei „echtem” Hypogonadismus und Fehlen von
Kontraindikationen indiziert, bei sehr alten Männern in niedriger Dosierung.
Bei alten Männern mit sexuellen Beschwerden, normalem oder relativ niedrigem Serum-Testosteron
und hohem kardiovaskulärem Risiko sollte sie unterbleiben. Bei älteren Männern mit
sexuellen Beschwerden, relativ niedrigem Testosteron und ohne kardiovaskuläres
Risiko kann eine Substitution für drei bis sechs Monate versucht werden.
Bessern sich die Beschwerden deutlich, kann die Therapie vorsichtig fortgeführt
werden. Bessern sie sich nicht, was häufiger der Fall ist, sollte sie beendet
werden.
Fazit: Die
Diagnose des relativen Altershypogonadismus ist schwierig. Ein physiologisches
Climacterium virile, analog dem Klimakterium der Frau, gibt es nicht. Auch alte
Männer können an einem echten primären oder sekundären (Hypophysenerkrankungen)
Hypogonadismus leiden und sollten dann mit Testosteron substituiert werden. In
der hier referierten Studie mit transdermaler Testosteronsubstitution bei
durchschnittlich 74-jährigen Männern mit vielen Erkrankungen und
eingeschränkter Körperkraft besserte sich nach sechs Monaten die Körperkraft
gering. Die Studie wurde jedoch wegen häufigerer kardiovaskulärer Komplikationen
vorzeitig beendet. Bei gebrechlichen älteren Männern mit hohem kardiovaskulärem
Risiko sollte trotz sexueller Hypofunktion eine Substitution unterbleiben.
Literatur
-
AMB 2000, 34,
52a.

-
AMB 2006, 40,
57.

-
Wu, F.C., et al.: N.
Engl. J. Med. 2010, 363, 123.

-
Basaria, S., et al.:
N. Engl. J. Med. 2010, 363, 109.

-
Bremner, W.J.: N.
Engl. J. Med. 2010, 363, 189.

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