Rituximab (MabThera®) ist in Kombination
mit einer Chemotherapie seit 2009 sowohl zur Erstlinientherapie der chronischen
lymphatischen Leukämie (CLL) als auch bei rezidivierter oder refraktärer
Erkrankung zugelassen. Über die Indikationserweiterung für die
Erstlinienbehandlung haben wir ausführlich berichtet (1). Grundlage war eine
zunächst von der deutschen CLL-Studiengruppe geplante (CLL8) und ab 2004 von
Hoffmann-La Roche finanzierte, offen durchgeführte, randomisierte
Phase-III-Studie, die bisher nur als Abstract publiziert war. Ihre Ergebnisse
wurden nun mit einem begleitenden Editorial im Lancet veröffentlicht
(2, 3).
In der Studie wurden insgesamt 817 zuvor nicht
therapierte Patienten in gutem Allgemeinzustand in 190 Behandlungszentren in 11
Ländern behandelt. Die eingeschlossenen Patienten waren im Median 61 Jahre alt
und somit deutlich jünger als typische CLL-Patienten (medianes Erkrankungsalter
ca. 70 Jahre). Nach Randomisierung erhielten sie entweder sechs Therapiezyklen
(alle 28 Tage) mit Fludarabin (25 mg/m2/d i.v.) plus Cyclophosphamid
(250 mg/m2/d), jeweils während der ersten drei Tage eines
Therapiezyklus (Gruppe FC; n = 409 Patienten) oder zusätzlich
Rituximab (375 mg/m2 am ersten Tag des ersten Zyklus, dann 500 mg/m2
am ersten Tag des zweiten bis sechsten Zyklus; Gruppe FCR;
n = 408 Patienten). Bei 5% der eingeschlossenen Patienten lag ein
Stadium Binet A (frühes Stadium der Erkrankung ohne Anämie oder
Thrombozytopenie und mit < 3 betroffenen Lymphknotenregionen), bei 64%
ein Stadium B (keine Anämie oder Thrombozytopenie, aber ≥ 3
betroffene Lymphknotenregionen) und bei 31% ein Stadium C (Anämie und/oder
Thrombozytopenie) vor. Das mediane Überleben der Patienten mit CLL im Stadium
Binet A beträgt 12 Jahre, in Binet B 7 Jahre und Binet C 2-3 Jahre (4). Der
primäre Endpunkt der CLL8-Studie war das progressionsfreie Überleben
(Progression-free survival = PFS). Zu den sekundären Endpunkten
gehörten das Gesamtüberleben (Overall survival = OS) und die
Lebensqualität, zu der in der Publikation Ergebnisse leider fehlen. Nach drei
Behandlungszyklen wurde das Ansprechen auf die Therapie evaluiert. Bei den
Patienten, die zu diesem Zeitpunkt eine partielle oder komplette Remission der
CLL erreicht hatten, wurde die Behandlung gemäß Protokoll fortgesetzt. Bei
Patienten mit einer stabilen oder fortschreitenden Erkrankung (Non-Responder)
wurde die Therapie umgestellt, wobei der behandelnde Arzt über die nachfolgende
Therapie entscheiden konnte. Die Studie wurde nach einer geplanten Zwischenanalyse
auf Grund der zu diesem Zeitpunkt signifikanten Überlegenheit des FCR-Arms
abgebrochen.
Im FCR-Arm wurden durchschnittlich 5,2 Therapiezyklen
verabreicht, verglichen mit 4,8 Zyklen im FC-Arm (p = 0,006). Dies
lag daran, dass bei weniger Patienten im FCR-Arm auf Grund eines
Nichtansprechens (Non-Response) die Studie abgebrochen wurde.
Drei Jahre nach der Randomisierung zeigte sich in der
Intention-to-treat (ITT)-Analyse, dass bei 65% der mit FCR behandelten
Patienten die Krankheit nicht weiter fortgeschritten war, verglichen mit 45%
der mit FC behandelten Patienten (Hazard ratio = HR: 0,56; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,46–0,69; p < 0,0001).
Der Unterschied war jedoch nur bei Patienten im Stadium Binet B statistisch
signifikant. Auch beim Gesamtüberleben zeigte sich insgesamt ein Vorteil für
die FCR-Gruppe (87% vs. 83%; HR: 0,67; CI: 0,48-0,92; p = 0,01),
der allerdings wiederum nur bei Patienten im Stadium Binet B statistisch
signifikant war. Bei Patienten im Stadium Binet C schnitt sogar die FC-Gruppe
tendenziell besser ab (85% vs. 81%; HR: 1,48; p = 0,168).
Bei den Patienten mit Stadium Binet C musste, vorwiegend aufgrund von Leuko-
und Neutropenien, die Dosis des FCR-Regimes häufiger reduziert werden.
Eine komplette Remission wurde unter FCR häufiger
erreicht als unter FC (180/408 = 44% vs. 88/409 = 22%; p < 0,0001).
Dies traf auch für alle Binet-Stadien und Patienten ≥ 65 Jahren zu.
Das Erreichen einer kompletten Remission korrelierte mit dem PFS und OS drei
Jahre nach Randomisierung.
Das Ansprechen auf die Therapie war in verschiedenen
genetischen Subgruppen unterschiedlich. Die Gabe von FCR führte in den meisten
Unterguppen zu einer statistisch signifikanten Verbesserung des PFS, darunter
bei 17p-Deletion, 11q-Deletion, 13q-Deletion und Trisomie 12. Das OS war bei
11q-Deletion und 13q-Deletion, nicht aber bei 17p-Deletion und Trisomie 12
statistisch signifikant verlängert.
Unter der Behandlung mit Rituximab kam es häufiger zu
schweren Leuko- und Neutropenien. Andere unerwünschte Arzneimittelwirkungen
(UAW), einschließlich schwerer Infektionen, traten unter der
Chemo-/Immuntherapie mit FCR nicht häufiger auf. Patienten, die 65 Jahre oder
älter waren, erlitten häufiger UAW als jüngere Patienten. Über bekannte schwere
UAW von Rituximab, wie z.B. das Zytokin-Freisetzungssyndrom, das
Tumorlysesyndrom, die „Pure red cell aplasia” und die progressive multifokale
Leukenzephalopathie wurde in dieser Studie nicht berichtet (vgl. 1, 5). In
der FCR-Gruppe starben acht Patienten an behandlungsassoziierten Komplikationen,
verglichen mit 10 Patienten in der FC-Gruppe.
Die Kosten für sechs Behandlungszyklen mit Rituximab
betragen mehr als 20.000 €, die Kosten für die Chemotherapie mit FC (ca.
380 €).
Das begleitende Editorial wurde von Peter Hillmen
verfasst, der Vorsitzender des „Drug Safety and Monitoring Board” der Studie
war und Vortragsentgelte sowie Honorare von Hoffmann-La Roche erhalten hat (3).
Unter dem euphemistischen Titel „Chronic lymphocytic leukemia – moving towards
a cure?” empfiehlt er den Einsatz von FCR bei allen unbehandelten Patienten mit
einer CLL, die fit genug für Fludarabin-basierte Kombinationstherapien sind.
Dieser Empfehlung können wir uns derzeit nicht anschließen.
Fazit: In
einer offenen, von Hoffmann-La Roche finanzierten Studie wurde gezeigt, dass
einige Patientengruppen mit einer zuvor nicht therapierten CLL von der
zusätzlichen Gabe von Rituximab zu Fludarabin plus Cyclophosphamid profitieren
können, so z.B. Patienten im Binet-Stadium B und Patienten mit
prognostisch ungünstiger, zytogenetischer 11q-Deletion. Bei Patienten mit einer
CLL im fortgeschrittenen Binet-Stadium C und bei Patienten, die 65 Jahre
und älter waren, wurde durch die zusätzliche Gabe von Rituximab keine Verlängerung
des Gesamtüberlebens erreicht. Bei diesen Patienten und bei Patienten mit
ernsten Begleiterkrankungen kann FCR weiterhin nicht als Standardtherapie
empfohlen werden. Andere Therapiestrategien, möglichst im Rahmen klinischer
Studien, kommen hier in Betracht (4). Für ältere Patienten ist Chlorambucil
weiterhin eine geeignete, wenig toxische und preiswerte Alternative (vgl.
4, 6).
Literatur
- AMB 2009, 43, 52b.

- Hallek, M., et al.:Lancet 2010, 376, 1164.

- Hillmen, P., et al.:Lancet 2010, 376, 1122.

- Gribben, J.G.: Blood2010, 115, 187.

- AMB 2009, 43, 53.

- AMB 2010, 44, 20.

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